Matthias Heitmann, Gastautor / 29.07.2017 / 06:09 / 2 / Seite ausdrucken

„Der Wochen-Wahnsinn“: Meinungsfreiheit! Auch für Antisemiten und Oberbürgermeister!

„Meinungsfreiheit?“ „Ja, aber … .“ So beginnt ein typischer Dialog zum Thema. Zeitgeisterjäger Matthias Heitmann und Antenne-Frankfurt-Moderator Tim Lauth reden in der aktuellen Ausgabe der Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ darüber – und dies ohne Wenn und Aber. Heitmanns Standpunkt: Die Meinungsfreiheit interessiert sich weder für die Meinungen, noch für denjenigen, der sie vertritt. Sie behandelt alle Inhalte und alle Personen gleich. Und das ist auch gut so, denn nur so kann sie verteidigt werden. Zum Anhören geht es hier entlang.

Tim Lauth: Was gibt es neues Wahnsinniges, Matthias?

Matthias Heitmann: Wir müssen mal wieder über die Meinungsfreiheit sprechen. Du hast sicherlich die Aufregung mitbekommen über die Spiegel-Bestsellerliste. Da stand ein Buch namens „Finis Germania“ drauf, und das wurde dann von der Chefredaktion des Spiegel von der Liste gestrichen, weil es als antisemitisch gilt. Wie hältst Du es in so einem Fall mit der Meinungsfreiheit, Tim?

Lauth: Nun, ist das Buch denn wirklich antisemitisch?

Heitmann: Ehrlich gesagt ist das die falsche Frage. Meinungsfreiheit ist immer die Meinungsfreiheit der Minderheit, völlig unabhängig vom Inhalt.

Lauth: Ok. Also hätte der Spiegel das Buch nicht von seiner Liste streichen dürfen…?

Heitmann: Naja, er darf das wohl schon. Die Frage ist eher: Was sagt das über die Redaktion aus, wenn sie ein Buch aus politischen Gründen von der eigenen Bestsellerliste streicht und das erst kommentiert, wenn Kritik laut wird? Man muss nicht alle Bücher mögen, aber zwischen Bücherverbannen und Bücherverbrennen sind es nur wenige Schritte...

Lauth: Ok, es ist immer wieder schwierig, das Recht auf Meinungsfreiheit losgelöst von Inhalten zu verteidigen. Aber nur so geht es.

Heitmann: Uns fällt das schwer, weil wir die Meinungsfreiheit zu einseitig betrachten: Es geht nicht nur um das Recht derjenigen, die meinen, etwas zu sagen zu haben, sondern um das Recht jedes Einzelnen, selbst zu entscheiden, was er hören, lesen und sehen will.

Aber ich habe noch eine Geschichte für Dich, Tim: Vor ein paar Monaten hatte der Wirtschaftsclub Rhein-Main die AfD-Vorsitzende Frauke Petry zu einer Veranstaltung eingeladen. Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann hatte dies auf Facebook mit den Worten kommentiert: „AfD? AUSLADEN!“ Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat nun entschieden, dass Feldmann ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen muss, wenn er diesen Kommentar nicht löscht. Was hältst Du davon, Tim?

Lauth: Nun, wenn man für Meinungsfreiheit ist, sollte man auch eine Frau Petry nicht ausladen.

Heitmann: Ja, das sehe ich auch so. Aber das Gericht hat es Feldmann untersagt, seine Meinung zu äußern. Findest Du das ok?

Lauth: Achso, ich verstehe, Du findest, er hat Unrecht mit seiner Forderung, sollte sie aber dennoch äußern dürfen.

Heitmann: Das ist die Idee der Meinungsfreiheit. Und die gilt entweder unabhängig von Inhalten oder Personen, oder sie gilt gar nicht.

Lauth: Ok, das muss man sich immer wieder vor Augen führen. Der Wochen-Wahnsinn macht nun Pause bis Mitte August, aber ich bin mir sicher, dass es auch dann noch genügend Wahnsinn für und gibt. Bis dahin allen und auch Dir, Matthias, eine wahnsinnig gute Zeit!

Das komplette Archiv des „WochenWahnsinns“ befindet sich hier.

Am 5. Oktober feiert das Bühnenprojekt „Zeitgeisterstunde“ von Matthias Heitmann und Tim Lauth Premiere im Frankfurter Kabarett „Die Schmiere“. Das Programm ist „ein Fitnessprogramm für den Verstand, ein Abführmittel für verstopfte Gedankengänge, ein ‚Würg-Shop‘ für den Mainstream.“ Infos und Karten unter: http://www.zeitgeisterjagd.de/buehnenprogramm/

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R. Matzen / 29.07.2017

Der Punkt ist doch wohl, daß Feldmann nicht als Feldmann gepostet hat, sondern als Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt. Und das darf er nicht.

Detlef Wilke / 29.07.2017

Phänomenal - wie immer! Dennoch fürchte ich, daß Ihre Einschätzung der Causa Feldmann das Konzept leicht überdehnt. Auch ein OB darf seine Meinung sagen, aber die muß deutlich als persönlich gekennzeichnet sein. Ansonsten verpflichtet ihn sein Amt zur Neutralität. Dazu würde es sich lohnen, die Urteilsbegründung im Detail zu lesen. Außerdem darf man die Hypothese aufstellen, daß der OB die Einladung des Wirtschaftsclubs Rhein-Main an Vorsitzende der etablierten Parteien sicherlich nicht mit der Aufforderung “AUSLADEN!” kommentiert hätte. Zwar deckt das Recht auf Meinungsfreiheit auch das Recht, Meinungen, auch schriftliche, zu äußern, die Rückschlüsse auf die Verfaßtheit des Verlautbarers zulassen, aber auch da gilt im Zweifelsfall die Neutralität des Amtes, hier zum Schutz der Integrität dieses Amtes.

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