Was hatte der Frankfurter Römerberg am letzten Freitag mit der Frankfurter Innenstadt an diesem Sonntag gemein? Bei leergefegten Straßen herrscht Bombenstimmung: letzten Freitag wegen des Wahlkampfauftritts von Martin Schulz, diesen Sonntag wegen der größten Evakuierungsaktion der Nachkriegszeit. In ihrer Radio-Kolumne „Der Wochen-Wahnsinn“ reden Radio- und Fernsehmoderator Tim Lauth und Zeitgeisterjäger Matthias Heitmann außerdem über Sinn und Zweck von unaussprechlichen und unmerkbaren Wahlslogans. Sie haben dafür einen eigenen Hashtag entwickelt: #fefadwgugew: „Für ein Frankfurt, aus dem wir gut und gerne evakuiert werden“. Zum Anhören geht es hier entlang.
Tim Lauth: Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe des Wochen-Wahnsinns. Mein Name ist Tim Lauth, und ich spreche mit dem Mann, der das Hardcoverbuch und E-Book „Zeitgeisterjagd“ geschrieben hat: Matthias Heitmann. Matthias, die wohl größte Evakuierungsaktion der deutschen Nachkriegszeit steht Frankfurt am Main bevor. Mehr als 70.000 Menschen müssen am Sonntag raus aus ihren Wohnungen, und das wohl für knapp zwölf Stunden. Das ist doch bestimmt eine ganz schön große logistische Herausforderung, oder?
Matthias Heitmann: Ja, mit Sicherheit. Das hätt man aber viel einfacher haben können. Letzte Woche war ja der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in Frankfurt und hat vor ein paar hundert Menschen auf dem Römerberg gesprochen. Das ist wirklich wenig! Jetzt stelle man sich vor: Hätte man den Schulz für dieses Wochenende nach Frankfurt geholt, hätte sich die Stadt quasi selbst evakuiert
Lauth: Ja, aber das lag doch bestimmt auch an der Uhrzeit, oder? Unter der Woche mittags…?
Heitmann: Naja, Du kannst nicht einerseits der Kanzlerin Merkel Abgehobenheit vorwerfen, dann aber Freitagmittags eine Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg abhalten und dich dann wundern, dass die Arbeitsklasse nicht auftaucht. Wenn irgendetwas abgehoben und weltfremd ist, dann doch wohl diese Art der Wahlkampfplanung!
Lauth: Jetzt am Sonntag findet ja das erste und einzige TV-Duell in diesem Wahlkampf statt. Dann könnte ja endlich ein bisschen Würze hineinkommen. Bislang hatte man ja das Gefühl, der Wahlkampf ist so spannend wie das Anstreichen einer Wand.
Heitmann: Ich habe aber wenig Hoffnung, dass da jetzt wirklich Farbe ins Spiel kommt. Das Wahlkampfmotto der CDU ist so lang, dass es sich keiner merken kann.
Lauth: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Das ist der lange Satz, der kaum auf ein Plakat draufpasst.
Heitmann: Deswegen sagen sie ja auch alle nur noch „#fedidwgugl“. Das ist nicht unbedingt die Sprache des Volkes. Aber bei der SPD ist es ja noch schlimmer: Die weiß ja nicht mal, was ihr eigener Slogan ist. Der heißt eigentlich: „Zeit für mehr Gerechtigkeit“. Auf dem Deckblatt des Wahlprogramms stand aber ursprünglich „Mehr Zeit für Gerechtigkeit“! Was stimmt denn nun? Mehr Zeit für Gerechtigkeit – unter dem Slogan macht es natürlich Sinn, mittags seine Kundgebungen abzuhalten. So hat Martin Schulz abends mehr Zeit für Gerechtigkeit.
Lauth: Ich lass mich trotzdem überraschen und freue mich auf das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz. Vielleicht gibt es ja doch gute Gründe, den einen oder den anderen zu wählen – oder vielleicht keinen von beiden. Wo es sonst noch gute Gründe für Optimismus gibt, das werden wir in der nächsten Woche vertiefen im Wochen-Wahnsinn mit Matthias Heitmann. Bis dahin: Machen Sie‘s gut – und besser!
Das komplette Archiv des „WochenWahnsinns“ findet sich unter http://www.zeitgeisterjagd.de/wochenwahnsinn/.
Am 5. Oktober 2017 feiert das Bühnenprojekt „Zeitgeisterstunde“ von Matthias Heitmann und Tim Lauth Premiere im Frankfurter Kabarett „Die Schmiere“. Das Programm ist „ein Fitnessprogramm für den Verstand und ein ‚Würg-Shop‘ für den zynischen Mainstream, denn es liefert, was heute gar nicht gut ankommt: gute Gründe für Optimismus“.
Infos und Karten hier.