Matthias Heitmann, Gastautor / 23.06.2017 / 16:00 / 1 / Seite ausdrucken

Der Wochen-Wahnsinn: „Adios, Kohloss!“

In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth regelmäßig auf Zeitgeisterjagd. Seit Jahresbeginn ist der WochenWahnsinn nun auch auf der Achse zu hören und zu lesen. In dieser Woche diskutieren Antenne-Frankfurt-Moderator Tim Lauth und Zeitgeisterjäger Matthias Heitmann über den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl und über das, was den heutigen Politikern im Vergleich zu ihm fehlt. Zum Anhören geht es hier entlang:

Tim Lauth: Wir melden uns zurück zur Zeitgeisterjagd im WochenWahnsinn. Mein Name ist Tim Lauth, und ich spreche mit dem Hardcoverbuch- und E-Book-Autor Matthias Heitmann über den Wahnsinn der letzten Woche. Matthias, am früheren Bundeskanzler Helmut Kohl kommen wir wohl in dieser Woche nicht vorbei, oder?

Heitmann: Klar, als Kohl Kanzler wurde, war ich 11; als er abgewählt wurde, war ich 27! Kohl war der Inbegriff all dessen, was man als aufmüpfiger Jugendlicher automatisch ablehnte! Inzwischen sehe ich ihn ein wenig anders. Nicht, weil ich ihm jetzt politisch näherstehe – das tue ich nicht –, sondern weil ich ihn nun mit denen vergleichen kann, die nach ihm kamen.

Lauth: Wie hast Du denn Helmut Kohl erlebt und gesehen? Ich habe da ja kaum noch Erinnerungen. Als er 1998 sein Amt abgeben musste, war ich noch ein Kind.

Heitmann: Erste Sympathien für Kohl musste ich mir eingestehen, als er bei einem Besuch in Halle 1991 mit Tomaten und Eiern beworfen wurde. Mir gefiel, dass er versuchte, durch das Absperrgitter hindurch sich die Werfer zu greifen und so eine Rangelei vom Zaun brach. Man stelle sich das heute einmal vor: Heiko Maas etwa würde Proteste bei öffentlichen Politiker-Auftritten gleich komplett verbieten. Ich mochte Kohls Hemdsärmlichkeit und auch diese robuste Handgreiflichkeit.

Lauth: Was meinst Du damit?

Heitmann: Vieles von dem, was man Kohl vorwirft, fehlt uns heute. Es wird gesagt, er hätte Probleme nur ausgesessen. Ich würde mir wünschen, wenn man sich heute mehr Zeit nehmen würde, um auf Probleme zu reagieren. Andererseits hat Kohl bei der Wiedervereinigung schnell und mutig gehandelt. Das würde sich heute keiner mehr trauen! Die heutigen Politiker haben tatsächlich mehr Ähnlichkeit mit Erich Honecker als mit Helmut Kohl.

Lauth: Aber Kohl war doch auch Mittelpunkt der Spendenaffäre der CDU, weil er die Namen der Spender zwar kannte, ihnen aber versprochen hatte, sie nicht preiszugeben.

Heitmann: Und spätestens hier war ich dann auf seiner Seite. Ich fand das groß, dass er sein Versprechen hielt und dafür sogar die Ächtung durch die eigene Partei ertrug – immerhin hat er wegen eines Versprechens den Ehrenvorsitz der CDU abgegeben. Ich weiß, es ist heute ungewohnt, wenn Politiker ein Ehrenwort ernstnehmen und sich nicht dem Druck beugen. Mir gefällt sowas.

Lauth: Ja, okay. Dann findest Du es wahrscheinlich auch gut, dass man ihm zu Ehren einen europäischen Staatsakt veranstaltet, oder?

Heitmann: Ich habe den Eindruck, dass dies zugleich der erste und auch der letzte europäische Staatsakt wird. Es fühlt sich so an, als ob da nicht nur der Kanzler der deutschen Einheit beerdigt wird, sondern gewissermaßen auch der letzte große Europäer. Insofern wird am 1. Juli auch ein bisschen die Europäischen Union zu Grabe getragen.

Lauth: Eine sehr interessante Sichtweise, Matthias. Zum Schluss noch ein Wort zum Confed-Cup in Russland?

Heitmann: Ehrlich gesagt: Ich habe noch kein Spiel gesehen. Seit dem Pokalfinale in Berlin bin ich voll im fußballerischen Winterschlaf. Da kann mich auch der Confed-Cup nicht aufwecken.

Das komplette Archiv des „WochenWahnsinns“ befindet sich hier.

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Oliver Bender / 23.06.2017

Sicher sollte man sein Ehrenwort halten, wenn man es schon gegeben hat. Aber umso wichtiger ist, es nicht leichtfertig zu geben. In dem Augenblick als Kohl es dem Spender gab, wusste er, dass er damit das Gesetz brechen würde. Ein Gesetz, dass unter seiner Kanzlerschaft erst erlassen wurde. Meiner Meinung nach hat er in diesem Augenblick seinen Amtseid bewußt gebrochen. Der besagt schließlich, dass er die Gesetze achten wird. Unterm Strich hat er also kein Ehrenwort gehalten, sondern die Demokratie missbilligt! Das war nichts großes, dass war Überheblichkeit. Dafür achte ich niemanden. Kohl hatte das Glück der späten oder besser der rechtzeitigen Geburt. Was ich ihm zu gute halte ist allein, dass er ein überzeugter Europäer war und Deutschland überhaupt international im richtigen Rahmen verortet und vertreten hat.

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