Stefan Klinkigt / 28.05.2023 / 10:00 / Foto: Stefan Klinkigt / 10 / Seite ausdrucken

Der Wildnis ein Stück näher

Welche Lehren wurden eigentlich aus den Waldbränden in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz vom letzten Sommer gezogen? 

Am 17. Mai 2023 stellten der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) und der sächsische Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) anlässlich der Fertigstellung einer ersten Löschwasserzisterne an der Ziegenrückenstraße ihre Maßnahmen zur Waldbrandprävention vor. Dabei gab es einen ersten Ausblick auf angeschaffte Technik und geplante neue Ausbildungsformen, für die der Sächsische Landtag 30 Millionen Euro bewilligt hatte.

Wie aus einer Pressemitteilung der Bürgerinitiative Naturpark Sächsische Schweiz vom 21. Mai 2023 hervorgeht, begrüßt die BI Naturpark dieses Maßnahmenpaket, weist allerdings nachdrücklich darauf hin, dass das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft bereits im Mai 2020 über die herausragende Bedeutung stabiler, arten- und strukturreicher Mischwälder mit einem hohen Laubbaumanteil informiert hatte, um der steigenden Gefahr von Waldbränden vorzubeugen. Minister Günther hatte damals betont:

„Mittel- und langfristig ist der Waldumbau das beste und effektivste Mittel der Brandvorbeugung. Laubbäume wie Buchen oder Eichen sind deutlich weniger brandanfällig als Nadelbäume wie zum Beispiel Kiefern. Mischwälder mit einem hohen Laubbaumanteil an standortgerechten Arten zu entwickeln, heißt also auch, den Wald widerstandsfähiger gegen Feuer zu machen.“

Leider fiel beim Ortstermin der beiden Minister am 17. Mai 2023 kein einziges Wort über einen solchen standortgerechten Waldumbau, den Minister Günther noch vor drei Jahren „mittel- und langfristig als das beste und effektivste Mittel der Brandvorbeugung” gepriesen hatte. Das lässt nun den Schluss zu, dass seitens der Landesregierung weiterhin lediglich an der bisherigen Prozessschutzpraxis im Nationalpark festgehalten werden soll und damit eines der wichtigsten Mittel der Waldbrandvorbeugung – ein aktiver Waldumbau – keine Anwendung finden wird. Will man am Ende das Waldbrandrisiko im Nationalpark gar nicht wirklich reduzieren? Aber warum? 

Ethische Verpflichtungen gegenüber nachfolgenden Generationen

Das Konzept der Nationalparks „Natur Natur sein lassen“ steht – wie man auf der Website des Bundesamtes für Naturschutz, „Wildnisziele Deutschland“ nachlesen kann – im Einklang mit der sogenannten „Nationalen Strategie zu einer biologischen Vielfalt“ der Bundesregierung, die das Ziel verfolgt, mindestens zwei Prozent der Landfläche Deutschlands in Wildnis zu überführen. Als Begründung dient – na, was wohl? – natürlich der Kampf gegen den „Klimawandel“. Man behauptet sogar, dies fördere die biologische Vielfalt und erfülle auch „ethische Verpflichtungen gegenüber nachfolgenden Generationen und anderen Ländern im Hinblick auf die globale Gerechtigkeit im Naturschutz.“ Weiterhin kann man dort lesen:

Wildnisgebiete im Sinne der NBS existieren heutzutage hauptsächlich in Kernzonen von Nationalparken (vgl. § 24 Abs. 2 BNatSchG), auf Flächen des ‚Nationalen Naturerbes‘ und in einigen großen Naturschutzgebieten. Nach aktuellen Einschätzungen machen sie aktuell ca. 0,6 % der Landfläche aus. Es geht also darum, weitere Gebiete zu identifizieren, die für eine Wildnisentwicklung geeignet sind.

Nun umfasst der Nationalpark Sächsische Schweiz aber gerade einmal 0,5 Prozent der Fläche des Bundeslandes Sachsen. Da ist es sicher nicht schwer, sich vorzustellen, warum sich der grüne Umweltminister so vehement gegen aktive Waldumbaumaßnahmen im Nationalpark Sächsische Schweiz sträubt. Damit kommt man dem 2-Prozent-Ziel „Wildnis“ nicht näher – Brandschutz hin oder her. Innenminister Schuster äußerte sich diesbezüglich auf einer Veranstaltung am 26. Mai 2023 im Landratsamt Pirna sogar dahingehend, dass man zukünftig bei Bränden in der Kernzone mit hohem Totholzanteil überhaupt nicht mehr löschen wolle. Was nichts anderes wäre als ein unkontrolliertes Abbrennenlassen. Eine solche Vorgehensweise hatte man bisher kategorisch ausgeschlossen.

Tschechische Waldbrandexperten kommen zu anderen Erkenntnissen

Was das jedoch im Ernstfall bedeutet, hatte Ing. Roman Berčák von der Fakultät für Forstwirtschaft und Holztechnologie der ČZU auf einem Seminar zur Bewertung des Brandes in der Böhmischen Schweiz im Tschechischen Parlament am 3. April 2023 erläutert:

„‚Die Ausbreitung des Feuers hängt von der Intensität der Wärmeenergieübertragung und der damit verbundenen Geschwindigkeit der Vorwärmung der Umgebung des Brandortes (der sogenannten Brandvorbereitungszone) ab. Im Grunde bedeutet dies, dass sich das Feuer umso schneller ausbreitet, je mehr Wärmeenergie ein Feuer erzeugt, je schneller sich die Umgebung vorwärmt und je mehr Feuchtigkeit der Brennstoff in der so genannten Brandvorbereitungszone verliert‘, so Berčák. ... ‚Insgesamt können auf einem Hektar unbehandelter Borkenkäferkalamität bis zu 2.138.188 MJ vorhanden sein, was das 4,82-fache der Feuerintensität bedeuten kann‘, so der Experte.

‚Je mehr Hitze das Feuer erzeugt, desto mehr ist die Konvektion in der Lage, größere Stücke in größere Höhen zu tragen und somit das heiße Material aus dem brennenden Bereich zu befördern – an diesem Punkt entsteht ein so genannter Fleckenbrand (die Entstehung eines neuen Brandausbruchs außerhalb des ursprünglichen Brandbereichs)‘, so Berčák.“ (Übersetzt mit Deepl.com)

Mit dieser Analyse, die auf physikalischen Berechnungen beruht, wird damit die vom sächsischen Umweltminister vertretene These „Nein, Totholz hat nicht dazu beigetragen, dass sich das Feuer verstärkt ausbreiten konnte!“ – welche damit die Bedeutung der Brandausbreitung durch Flugfeuer leugnet – komplett widerlegt. 

Zurück zu vernunft- und erfahrungsbasiertem Natur- und Artenschutz!

Es wird allerhöchste Zeit, dass vernunft- und erfahrungsbasierter Natur- und Artenschutz sowie die Pflege unserer Kulturlandschaften wieder Vorrang vor grünen Wildnis- und Weltrettungsphantasien bekommen. Die Bürgerinitiative Naturpark Sächsische Schweiz fordert deshalb:

„wirksame forstliche Maßnahmen zur Waldbrandprävention im Nationalpark, um weitere Verluste für die Kulturlandschaft Sächsische Schweiz zu vermeiden. Der letzte Brand am 18. Mai nahe dem Prebischtor in der Böhmischen Schweiz zeigte erneut die Anfälligkeit der Elbsandsteinlandschaft durch fehlenden Bewuchs, ausgetrocknete Böden und Unmengen abgestorbener Fichtenbestände. Es bleibt fraglich, wie realistisch ein umfassendes Monitoring ist, um menschlicher Fahrlässigkeit oder Vorsätzlichkeit zu begegnen. Eine forstlich unterstützte gesunde Waldstruktur ist demgegenüber resistenter wie resilienter.“

Ein letzter Schwenk und kurzer Szenenwechsel: Am 17. Mai 2023 konnte man in der FAZ lesen: „Nun also doch: Habeck entlässt seinen mächtigen Staatssekretär. Krise vorbei? Einige Grüne sind optimistisch. Wenn bald die Wälder brennen, könne die Lage schon wieder anders aussehen, heißt es.“ Wie bitte? Wenn bald die Wälder brennen?

Optimistisch? Etwa, weil davon die grüne Partei profitieren und dann, wie es Journalist Julian Reichelt in seinem Video-Kommentar hier ab Min. 10:03 formulierte, „mit ihrer Angstrhetorik von der Klimakatastrophe wieder ein paar Pünktchen in den Umfragen klettern kann“?

Und hier kann man die komplette Pressemitteilung der Bürgerinitiative Naturpark Sächsische Schweiz nachlesen.

Titelbild: 
„Natur Natur sein lassen“: Nationalpark Sächsische Schweiz, Hinterer Wildensteiner Wald zwischen dem Kleinen Winterberg und dem Frienstein, 5. Mai 2023, Fotografie © Stefan Klinkigt

 

Artikel, die wir zu dieser Thematik bereits veröffentlicht haben:

Sächsische Schweiz: Bilder der Verwüstung

Waldbrandgefahr durch „Natur Natur sein lassen“

Neues vom Streit um den Nationalpark Sächsische Schweiz

Sächsische Schweiz: Der Nationalpark-Frevel

Brände in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz

Bei mir stirbt der Wald anders

„Bei mir stirbt der Wald anders“ – Nachlese

Foto: Stefan Klinkigt

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T. Merkens / 28.05.2023

Falls es jemanden interessiert: in meinem Lieblingswald in Norddeutschland wurden in diesem Frühjahr derartig massive Abholzungen vorgenommen, wie ich sie in 30 Jahren zuvor nicht erlebt habe. Heute ging ich an einem geschätzt ~50.000 m2 großen kahlgeschlagenen Teilstück vorbei, bei dem eine durchchnittlich etwa 0,5 Meter dicke Schicht aus Totholz, Zweigen, Zapfen und Nadeln zurückgelassen wurde - der Anblick wirkt im Hinblick auf das erwähnte Zitat aus der grünen Hölle geradezu teuflisch.

Frank Bitterhof / 28.05.2023

Zur Beantwortung der Leitfrage des Artikels: Dass man Transferleistungsempfänger zu Arbeitslohnempfängern im holzverarbeitenden Gewerbe umschult und mit dem verdammten Totholz klimafreundlich Holzpelletheizungenm betreibt?

Mario Rocko / 28.05.2023

Hallo Herr Klinkigt, mir reicht schon zu lesen, bei Wikipedia, was dieser Günter eigentlich gelernt hat: JURIST UND KUNSTHISTO - RIKER !!! Da ist er als Wald - und Forst - fachmann regelrecht prädestiniert, für das Amt !!! Ebenso, wie Schusters, Armin: als BUNDESKATASTROPHEN - KATASTROPHE völlig versagt im AHRTAL, und jetzt als sächsischer Innenminister ... Werden die ganzen Looser, welche in den gebrauchten Ländern versagt haben auf gesamter Linie, nach Mittel - deutschland abgeschoben, um hier weiterhin ihr Unwesen treiben zu können ?! Ich weiß, Günter ist Leipziger, aber als GRÜNER schon von Haus aus, eine Fehlbesetzung !!!

Ludwig Luhmann / 28.05.2023

Wenn ich das schon lese, wird mir schlecht:”(...) das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft(...)”. Ein Staatsministerium, das neben mehreren Konkreta auch ein Abstraktum wie das sog. “Klima” schützen will! Das sind auch Leute, die kochendes Wasser für schlechte Zeiten einfrieren! Wenn man vom Rand des Konkreten in den unendlichen Abgrund eines Schwarzen Loches der Grünen gefallen ist, dann wird auch das Unmögliche möglich!

Hans Kloss / 28.05.2023

Na endlich merkt jemand wie es funktioniert: “Einige Grüne sind optimistisch. Wenn bald die Wälder brennen…”. Anders gesehen: stellt man da ein paar Windmühlen, ist das Problem direkt beseitigt. Da bin ich sehr sicher.

Brandt, Steffen / 28.05.2023

Auch und gerade wegen dieser Fehlbesetzungen und nicht nur da, was die sächsische Regierung betrifft, würden die Sachsen mehrheitlich AfD wählen. Also ist Grüne Politik nichts anderes als der Katalysator. Gut gemacht, ihr Grünlinge. Aber ehrlich, wer in Mehrheit weder ein abgeschlossenes Studium, geschweige denn Ausbildung nachweisen kann, somit also nicht gerade mit Intelligenz gesegnet ist, von dem ist nichts anderes zu erwarten. Letztlich bleibt die Hoffnung das diese elende Gurkentruppe an ihrer eigenen Arroganz, Dummheit und Intoleranz scheitert.

Ellen Vincent / 28.05.2023

“Wenn bald die Wälder brennen…” da beginnt man sich zu fragen, wer sie anzündet? Und ob nicht zufällig auf diesen Flächen später Windkraftanlagen hochgezogen werden… ? Bitte ein Auge draufhalten.

Winston Schmitt / 28.05.2023

So ist es eben, wenn man von grünen “Naturschützern” belehrt und regiert wird, die den Menschen als Krankheit der Erde betrachten. Nur komisch, dass in meinem Umfeld diese “Naturheiligen” grünen und Veganer Photovoltaik und Windradanbeter*innen allesamt über den größten CO2 Fussabdruck verfügen. Frühbucherrabatt für den jeweils kommenden Urlaub per Flieger immer fest im Kalender und wenn es im eigenen Garten mal einer geliebten Pflanze an die Gurgel geht, dann verfliegt auch ganz schnell die Ablehnung von Pflanzenschutz per Giftspritze. Wer von diesen Idi@ten eine sinnvolle Waldbewirtschaftung erwartet, der glaubt auch dass ein Zitronenfalter… .

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