Ulrike Stockmann / 03.03.2023 / 06:15 / Foto: Superbass / 160 / Seite ausdrucken

Der Wiederholungstäter Nikolaus Blome

Nikolaus Blome hat es schon wieder getan. Von ihm stammt der Satz „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“, womit er Ungeimpfte gemeint hatte. Nun fordert er „Strafpolicen für Übergewichtige und Trinker“ von den gesetzlichen Krankenkassen.  

Nikolaus Blome hat es schon wieder getan. Der bekannte Spiegel-Kolumnist war während der Coronazeit als absoluter Hardliner aufgefallen und hatte in seinem berüchtigten Text „Impfpflicht! Was denn sonst?“ im Dezember 2020 unter anderem verkündet: „Ich hingegen möchte an dieser Stelle ausdrücklich um gesellschaftliche Nachteile für all jene ersuchen, die freiwillig auf eine Impfung verzichten. Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen.“

Dieses zutiefst herzlose Statement ist denkbar schlecht gealtert: Die Corona-Impfungen entpuppten sich als wirkungslos und sogar gefährlich, denn die Impfschäden liegen jenseits des Vorstellbaren, wie Achgut regelmäßig berichtete (über ein „Impflügengebirge“ schrieb kürzlich etwa Andreas Zimmermann in einem Dreiteiler, siehe hier, hier und hier).

Etwas Bescheidenheit, Vorsicht oder gar Reue stünde Blome – wie all den anderen, die während der Coronazeit hetzten und ausgrenzten – also sehr gut. Doch in seiner neuesten Kolumne offenbart der Journalist ein weiteres Mal eine aus meiner Sicht menschenverachtende Haltung. Es geht um den Vorschlag des Gesundheitsökonomen Bernd Raffelhüschen, dass aufgrund explodierender Kosten im Gesundheitsbereich „gesetzlich Krankenversicherte pro Jahr gestaffelt bis zu 2000 Euro Selbstbeteiligung zahlen sollen“, wie der Spiegel berichtete.

„Wir können uns das System nicht mehr leisten. Patienten müssen künftig mehr aus eigener Tasche dazu bezahlen (…) Die Zuschüsse zum Beispiel für Geringverdiener müssen aus dem Bundeshaushalt kommen“, hatte Professor Raffelhüschen gegenüber der Bild-Zeitung geäußert. Und vorgeschlagen, „dass Versicherte Verletzungen nach selbst gewählten Risiken – wie Skifahren – komplett selbst bezahlen sollten“. Ebenso sollen sich Raucher an „Folgekosten von Behandlungen stärker selbst beteiligen“. Der Beitragssatz werde ansonsten bis 2035 auf bis zu 22 Prozent vom Bruttolohn steigen.

„Skifahren nur mit selbst bezahlter Risikopolice“

Nikolaus Blome nimmt den Vorschlag begeistert auf. Und setzt gewohnt polemisch noch einen drauf, wie schon die Überschrift „Wir brauchen eine Sündenversicherung“ verspricht. „Die Krankenkassen sind bald pleite. Höchste Zeit, dass die verhaltensblinde Solidargemeinschaft Strafpolicen für Übergewichtige und Trinker einführt“, heißt es schon im Teaser. Pflichtschuldigst bringt er zuerst Gegenargumente ins Spiel. Er bemüht die „lebensweltliche Toleranz“ und die „Freiheit“ – „sei es auf Kosten anderer“. Die Schwierigkeit der Sünden-Abgrenzung führt Blome ebenfalls an:

„Skifahren nur mit selbst bezahlter Risikopolice, aber Hobbyfußball auf Kranken(kassen)schein? Für adipöse Antialkoholiker zahlt die Solidargemeinschaft, nicht aber für koksende Marathonläufer? Und ab wann genau ist Zucker zu viel, Rohkost zu wenig, und welche Sünden lassen sich mit einer vierwöchigen Haferschleimkur kassentechnisch kompensieren?“

Gelten lässt er die Einwände jedoch nicht. Denn für die „großen Risiken“ sollten seines Erachtens weiterhin die Versichertengesellschaften aufkommen. „Darum fand ich es damals grundfalsch, auch nur zu diskutieren, ob die gesetzlichen Kassen die Behandlungskosten für freiwillig ungeimpfte Coronakranke auf den Intensivstationen übernehmen sollen oder nicht. Natürlich mussten sie das. Oft ging es um Leben und Tod.“

Wie mildtätig. Und dreist, dass Blome vor dem oben skizzierten Hintergrund die Chuzpe besitzt, ein weiteres Mal Ungeimpfte in Misskredit zu bringen.

Im weiteren Verlauf seiner Argumentation pocht er auf die „Eigenverantwortung“, die für Strafbeiträge spräche – und zwar in dem Sinne, „die Leute für bestimmte Sonderheiten ihres Lebenswandels haftbar zu machen“. Zum Beispiel „Terrorradler in der Berliner Innenstadt“. Dem Problem der Unschärfe begegnet er mit der Feststellung, dass wir „in der Lage (sind), Hunderte von (Lebens-)Risiken trennscharf zu formulieren, zu kalkulieren und hernach zu versichern, inzwischen selbst schlechtes Ferienwetter“. Schon jetzt könne man hochpreisige Körperteile nur privat absichern – die einen die Beine, die anderen die Zähne. Und wer mit 1,1 Promille einen Unfall baut, fiele teilweise aus der Kfz-Haftpflicht.

„Gesamtgesellschaftlich aushandeln“

Doch Blome vergleicht hier Äpfel mit Birnen – Zahnzusatzversicherungen werden nicht „aus Solidarität“ abgeschlossen, sondern weil der Versicherte mit schlechten Zähnen und voraussichtlich vielen (nicht vollständig abgedeckten) Behandlungen hofft, mit dieser zusätzlichen Investition unterm Strich kostengünstiger dazustehen. Es ist ein aktiver, optionaler Schritt und keine „Bestrafung“, die ihm von vornherein aufgebürdet wird. Ähnliches gilt für Heilpraktiker-Zusatzversicherungen. Und dass eine Kfz-Haftpflichtversicherung für einen durch Trunkenheit am Steuer herbeigeführten Sachschaden nicht gänzlich aufkommt, liegt aus meiner Sicht im Bereich des Logisch-Überschaubaren.

Wenn es um Gesundheitsfragen geht, herrscht jedoch keine Vorhersehbarkeit oder Eindeutigkeit. Doch auf das Dilemma der von ihm selbst bemühten „Abgrenzungsprobleme“ geht Blome nicht befriedigend ein. Man solle dies „gesamtgesellschaftlich aushandeln“ und die Allgemeinheit jedenfalls nicht „für die unbelehrbar Doofen und freiwillig Dicken bezahlen“ müssen.

Sollten Singles stärker belangt werden?

Machen wir doch einmal die Probe aufs Exempel: Was spricht denn jetzt für oder gegen die versicherungstechnische Übernahme eines Ski- oder Fahrradunfalls? Sollte man Gelegenheitsraucher genauso belangen wie Kettenraucher? Und wo genau verliefe die Grenze? Soll man Alkoholiker zur Kasse bitten, und wenn ja, ab wann ist man einer? Sollten Stadtbewohner höhere Beiträge zahlen als jene auf dem Lande, weil sie mehr Abgase einatmen? Und ebenso diejenigen, die weniger schlafen als offiziell empfohlen?

Sollten Singles stärker belangt werden, weil Alleinlebende laut Studien eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, körperlich und psychisch krank zu werden? Apropos Psyche: Wie ist es mit jenen, die es einfach nicht schaffen, sich aus ungesunden Beziehungen zu lösen, ständig familiäre Probleme haben oder einfach nicht das umsetzen können, was ihnen ihr Psychiater rät? Das macht doch alles auch krank, oder nicht?

Fragen über Fragen und die Antwort lautet, dass man in Teufels Küche kommt, wenn man daraus eine ernsthafte Debatte macht. Man landete geradewegs in einem skurrilen Bewertungsschema, das dem chinesischen Sozial-Kredit-System in nichts nachstünde. Die von Blome bemühte „Freiheit“ und „Eigenverantwortung“ hätte mit der Sanktionierung all dessen, was man gemeinhin „normales Leben“ nennt, nichts zu tun.

Wie schwierig die Bewertung eines gesundheitlichen Risikofaktors ist, kann ich an meinem eigenen Beispiel verdeutlichen. Weil ich Asthma habe, werde ich von meiner privaten Krankenkasse mit einem monatlichen Zusatzbeitrag von rund 100 Euro belegt – zuzüglich zum Normaltarif. De facto verursachte ich bislang jedoch – toi, toi, toi – deutlich unterdurchschnittliche Kosten, sodass ich eine versicherungstechnische Bereicherung anstatt einer Belastung darstelle. Der Vergleich hinkt natürlich insofern, alsdass ich, wie gesagt, privat versichert bin und es hier um gesetzliche Kassen geht. Wie schwer eine reale Risikoabschätzung selbst bei eindeutiger Diagnose ist, dürfte das Beispiel jedoch veranschaulichen.

Menschenfeindliche Lebensstil-Kritik

Abschließend sollte ich natürlich nicht den rosa Elefanten vergessen, der bei der Feststellung im Raum steht, dass die gesetzlichen Krankenkassen für das Jahr 2023 „ein Defizit von 17 Milliarden Euro erwartet“. Warum ist das so? „Kassen entsteht durch Flüchtlinge ein Milliardendefizit“, titelte bereits 2016 die WELT:

„Ohne eine Anhebung des Steuerzuschusses werde demnach bereits in diesem Jahr eine Lücke von mehreren Hundert Millionen Euro entstehen, weil der Bund für Flüchtlinge und andere Hartz-IV-Empfänger viel zu geringe Krankenkassenbeiträge überweise.“

Und das Branchenmagazin „Versicherungsbote“ schrieb im vergangenen September, also sechs Jahre später: „Die Zahl der Mitglieder bei den gesetzlichen Krankenkassen ist so stark gestiegen wie seit 20 Jahren nicht. Ein Grund: Flüchtlinge aus der Ukraine genießen Krankenversicherungs-Schutz. Das belastet auch die Finanzen der Versicherer zusätzlich.“

Der Hauptgrund für die Mehrkosten sei dies laut Beitrag jedoch nicht, sondern „Faktoren wie die Alterung der Gesellschaft, steigende Medikamenten-Preise, teure Gesundheitsreformen sowie die Inflation“. Eine Rolle spielt sicherlich auch, dass 2022 die Anzahl der Asylanträge um 27,9 Prozent gestiegen ist, wie im Januar bekannt wurde. 244.132 Menschen haben laut tagesschau.de im vergangenen Jahr 2022 einen Asylantrag in Deutschland gestellt, vor allem aus Afghanistan und Syrien. Eine gute Million ukrainischer Flüchtlinge kamen noch hinzu, die derartige Anträge gar nicht erst stellen müssen. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen demnach also über 1,2 Millionen zusätzliche Patienten versorgen – für die der Staat jeweils nur einen Mindestbeitrag überweist.

Anstatt sich also in menschenfeindlicher Lebensstil-Kritik von Beitragszahlern zu üben, sollte man sich lieber die realpolitischen Verhältnisse anschauen.

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

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Leserpost

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Sam Lowry / 03.03.2023

Ich bin Single, Trinker, Raucher, “Borderliner” und fahre Zweirad (China-Roller, 4-Takt), weils für ein Auto nicht mehr reicht. Das v.g. “liebe” ich genauso wie Skifahren, den “Spiegel” und Atom-Krieg…

Bernhard Krug-Fischer / 03.03.2023

Und nun die neueste Botschaft von Herrn Blome auf Twitter: “Einen Tag pro Jahr mehr arbeiten, damit genug Geld für die neue #Bundeswehr da ist: Es wäre ein großes Zeichen aller. Denn ob wir wollen oder nicht: Der Krieg in der #Ukraine ist auch unser Krieg. #Dänemark”. Kein Kommentar hierzu meinerseits.

Nico Schmidt / 03.03.2023

Sehr geehrte Frau Stockmann, ich frage mich seit 2015, wann unser Sozialsystem kollabiert. Alle anderen Fragen sind doch Nebelkerzen. Ich kann nicht jedes Jahr 1.000.000 Menschen aufnehmen, Rentenversicherung und Sozialversicherung übernehmen, Familien nachholen und denken, es passiert nichts. Wenn die Geldpresse in Berlin mal kaputt geht, sieht es düster aus. Vielleicht sollte sich Herr Blome noch einmal mit Zahlen von 1 bis 10 befassen. Vielleicht geht ihm dann ein Licht auf. MfG Nico Schmidt

ricardo sanchis / 03.03.2023

Ein kluger Mann der sich bereits jetzt schon bei der kommenden Führung und das gerade entstehenden totalitären Systems an dient. Bei der Arbeit für die Bild-Zeitung an entscheidender Stelle ist gewissenlose Großmäuligkeit sicher hilfreich. Insofern….. Irgendwann wird die ganze Welt auf ihn zeigen als Hetzer und Mitverantwortlichen für das offensichtlich neu entstehende Dritte Reich im grünenwoken Gewand.

Dr. Joachim Lucas / 03.03.2023

Wir führen für alles ein Punktesystem ein: Sozialscoring, Politscoring, Gesundheitsscoring, Oköscoring, Religionsscoring, Alterscoring. China als Vorbild. Der Mann hat das Thema Versicherung nicht verstanden. Und von persönlicher Freiheit hält er nichts - außer von seiner eigenen natürlich. Es zeigt aber, dass in D inzwischen über klassische sozialistische Mangelverwaltung nachgedacht wird. Kein Wunder bei der im Sozialismus üblichen ökonomischen Spirale abwärts. Und wie immer vornedran: der Lügel, Zeit und andere Pamphlete.

Lothar Hannappel / 03.03.2023

Auffallend wie viele Testballons gerade zum Thema Krankenversicherung in die Luft gehen. Das Ziel kann wohl vereinfacht so beschrieben werden, wie brauchen zwar Kartoffeln als Beitragszahler aber als Leistungsempfänger sind sie Unerwünscht. Die Krankenhäuser dürfen ja schon jetzt Minderheiten bevorzugen. Und ähnlich wie bei der Volksverhetzung werden Kartoffeln Quasi per Definition immer Mehrheit sein. Schön das auch ein Herr Blome hier offen seinen Charakter offenbart.

S. Andersson / 03.03.2023

Kann man so einen noch ernst nehmen? Ich denke nicht. Wieder ein Schreiberling der MSM der mehr als flüssig ist.

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