Felix Perrefort / 21.09.2023 / 06:15 / Foto: Yan Boechat/VOA / 59 / Seite ausdrucken

Der Westen hilft nicht: Kapitulation in Karabach

Nach langer Blockade ein ganz kurzer Krieg: Aserbaidschan hat das armenisch bewohnte Berg-Karabach mit seiner Übermacht erneut besiegt. Russland hat sich abgewandt, der Westen bot Sprechblasen auf und Erdogan hat wieder einmal gewonnen.

Die Lage in der Region Bergkarabach eskalierte gestern wieder einmal zu Lasten der Armenier. Aserbaidschan hatte mit „Anti-Terror-Einsätzen“ begonnen, deren Ziel die „Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in der Republik Aserbaidschan“ sei. Dazu wären „Hochpräzisionswaffnen“ gegen militärische Ziele eingesetzt worden, nicht aber gegen Zivilisten. Dennoch gab es mindestens 32 Tote und über 200 Verletzte. Die NZZ berichtet:

„Nagorni Karabach hat knapp 24 Stunden der aserbaidschanischen Übermacht getrotzt, dann musste die Führung des armenisch besiedelten Gebiets die ungleichen Kräfteverhältnisse akzeptieren. Um 13 Uhr (Ortszeit) trat eine Waffenruhe in Kraft, die einer Kapitulation gleichkommt und den von Aserbaidschan losgetretenen Krieg bereits beendet.“

Völkerrechtlich gehört die Region zu Aserbaidschan, bewohnt wird sie jedoch von christlichen Armeniern. Die Grenzziehungen zwischen den früheren Sowjetrepubliken wurden jedoch von den Sowjetherrschern oft willkürlich vorgenommen. Als die Sowjetunion zerfiel, stritten sich beide Nationen offen um das Gebiet. Seit 1991 und als Folge eines Referendums, mit dem sich Bergkarabach von Aserbaidschan lossagte, herrscht dort eine autonome Regierung mit engen Verbindungen zu Armenien, die international jedoch nicht anerkannt wird. 

2020 gelang es Aserbaidschan, unterstützt durch Erdogans Türkei, armenisch besetzte Gebiete rund um Bergkarabach zurück zu erobern. Nach sechs Wochen endete der Krieg mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstandsabkommen, das Armenien zur Aufgabe von Gebieten zwang. Russland entsandte 2.000 Soldaten zur Überwachung des Waffenstillstands. Mit dem Ukraine-Krieg veränderte sich die Situation.

Russland nicht mehr Schutzmacht

„Armenien hatte sich zu Beginn des Krieges noch auf Russland verlassen, sah sich aber zunehmend von dem ehemaligen Verbündeten im Stich gelassen. Dies verstärkte sich noch durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine“, schreibt Tagesschau.de. Erst kürzlich, im September, verärgerte Armenien seine traditionelle Schutzmacht, in dem es eine Militärübung mit den USA abhielt. Der armenische Ministerpräsident Paschinjan hatte die Sicherheitspartnerschaft mit Russland als „strategischen Fehler“ bezeichnet.

Die Hinwendung zum Westen könnte ein Grund dafür sein, warum Aserbaidschan aktuell in die Offensive geht. Russland wies die in Armenien erhobenen Vorwürfe jedoch zurück, es wäre in die Angriffspläne Aserbaidschans eingeweiht gewesen. Die dort stationierten Truppen hätten kurz vor dem Beginn des Militäreinsatzes davon erfahren, heißt es. „Wir sind tief besorgt wegen der scharfen Eskalation der Lage in Bergkarabach“, so gestern die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bei einem Pressebriefing. Der Konflikt müsse auf diplomatischem Wege gelöst werden, die blutigen Kämpfe müssten beendet werden. 

Das sah die EU und danach die Bundesregierung auch so. Außenministerin Baerbock: „Gerade Aserbaidschan und auch Russland müssen dafür sorgen, dass Menschen in ihrem eigenen Zuhause sicher sind.“ Es könne nur eine diplomatische Lösung geben. Gestern vereinbarten „beide Seiten eine Feuerpause – unter der Bedingung, dass die armenischen Kämpfer ihren Widerstand aufgeben. Russland gilt traditionell als Schutzmacht von Armenien“, schrieb n-tvWeiter hieß es, die „selbst erklärte Unterwerfung der Separatisten in Berg-Karabach unter die Zentralregierung von Aserbaidschan hat die armenische Bevölkerung der Region unterdessen in Unruhe versetzt.“

Aufwühlende Szenen: Nach der Bekanntgabe des Waffenstillstands sollen sich Tausende Menschen zum Flughafen der Regionalhauptstadt Stepanakert begeben haben, auf welchem russische Friedenstruppen stationiert sind.

Christliche Solidarität eines anderen Westens 

Heute sollen Gespräche über die Zukunft der rund 120.000 ethnischen Armenier in Bergkarabach anfangen, bei denen unklar ist, ob sie sich mit der Zentralregierung in Baku arrangieren können oder ob große Bevölkerungsteile nach Armenien auswandern. Ihre Situation ist denkbar schlecht. Es ist verständlich, wenn sie sich von den Großmächten im Stich gelassen fühlen, sich eine Intervention wünschen, wie aktuell ein Korrespondent aus eigener Anschauung berichtet.

Die Schutzmacht Russland ist freilich nicht auf einen Schlag zu ersetzen, so viel jedoch sei gesagt: Es wäre historisch konsequent, wenn der Westen an der Seite seiner christlichen Brüder und Schwestern stünde. Das würde allerdings ein Selbstverständnis voraussetzen, das in den heutigen woken Zeiten kaum noch besteht. Dezidierte innerchristliche Solidarität?! Da hört man deutsche Medienschaffende schon über „rechte Kulturkämpfer“ schimpfen.

Nun drohen wieder Armenier eine Heimatregion an Muslime zu verlieren. Die Sieger werden ausgerechnet von der Türkei unterstützt, jener Türkei, die bis heute den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich leugnet. Zwischen 300.000 und mehr als 1,5 Millionen Armenier wurden bei den vor allem zwischen den Jahren 1915 und 1916 verübten Massakern und organisierten Todesmärschen getötet.

Zu dieser Zeit befand sich eine deutsche Militärmission im Osmanischen Reich, mehrere tausend deutsche Soldaten dienten in den osmanischen Streitkräften. „Insbesondere im Bereich der Logistik und des Eisenbahnwesens waren Deutsche auch unmittelbar an den Maßnahmen zur Deportation beteiligt“, schreibt Bundesarchiv.de. Weiter liest man da:

„Die deutsche Regierung hatte die Deportationen und Massaker weder veranlasst noch diesen in irgendeiner Form zugestimmt. Auch auf deutscher Regierungsseite wurde das Geschehen durchaus als barbarisches Verbrechen begriffen. Doch es unterblieb jeglicher Versuch, den Verbündeten von seinem Tun abzuhalten, ihn auch nur zu kritisieren. Zu wichtig erschien der Verbündete am Bosporus, als dass man es sich mit ihm hätte verderben wollen.“ 

Ein geschundenes, ein verlassenes Volk, das Anteilahme und Solidarität verdient, wie auch immer die auf deutscher Seite konkret aussehen sollte.  

 

Felix Perrefort ist Redakteur und Autor der Achse des Guten. 

Foto: Yan Boechat/VOA Link

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Claudius Pappe / 21.09.2023

Ich lese hier was von Völkerrecht…..............gilt das Völkerrecht auch bei Bevölkerungsaustauscht ?...................

Klaus Keller / 21.09.2023

Der Autor sollte sich sofort an die Front begeben um mit der Waffe in der Hand für seine Interessen zu kämpfen. Wenn die Türkei hier im Vorteil ist freut mich das aus traditionellen Gründen. Die linksnationalistische PKK, die auch in Deutschland gemordet hat, ist seit Jahrzehnten ein Problem. Zu den Armeniern: Das Schicksal teilten viele Volksgruppen im ersten Weltkrieg. Sie lebten in einem Kriegsgebiet und wurden beschuldigt mit dem Gegner gemeinsame Sache zu machen. Das Betraf z.B. Juden in Osteuropa denen Russland unterstellte mit Habsburg gemeinsame Sache zu machen um ein Beispiel zu nennen. Teile der Armee des osmanischen Reiches hatten sich wohl entschlossen lieber sich selber zu versorgen als die ungeliebte Zivilbevölkerung der Region. Das Deutsche Rech befand sich damals in einem Zweifrontenkrieg und in Kriegen kann man sich seine Koalitionspartner nicht immer aussuchen. Die Religion muss eigentlich nachrangig sein oder wäre es für sie unproblematisch gewesen wenn in der Region eine andere Bevölkerungsgruppe Opfer der Umstände geworden wäre? Der Einfluss Deutschlands in der Region dürfte heute bei Null liegen. Ich kann mir nicht vorstellen das sich dort jemand für das Gezwitscher von Olaf Scholz interessiert. Vielleicht will er auch nicht auf die Hilfe der Türkei in seiner Flüchtlingspolitik verzichten. Koalitionspartner kann man sich nicht immer aussuchen. Vgl auch Drama in Mali und Niger wo das Außenministerium den Einfluss von Russland klein halten will anstatt den Militärs zu helfen radikale Islamisten zu bekämpfen und damit Fluchtursachen.

Didi Hieronymus Hellbeck / 21.09.2023

Hypothesen: Der “Westen” ist nicht christlich, sondern satanisch (allein dieser Horrorgreis in Davos, oder die “Democrats”-Cliquen in den USA….). Insofern ist es dem “Westen” nicht nur egal, dass Christen im Kaukasus geschlachtet werden, sondern man hilft indirekt mit. Warum? Um gegen den Iwan auch eben dort einen neuen Unruheherd zu erzeugen. All dies sind natürlich Hypothesen, die außerhalb der Analyse- und Erkenntnismöglichkeiten woker Clowns und “nützlicher Idioten” (Copyright, W.I.L.) liegen.

Lutz Herrmann / 21.09.2023

Ein Telefonat von Sleepy Joe, und das ganze Schlamassel wäre nicht passiert. Aber dessen Betreuer und Pfleger sind weltpolitische Totalausfälle.

S.Buch / 21.09.2023

Der (“Werte”-) Westen hilft nur sich selbst im Sinne seiner geopolitischen Agenda. Und zwar auch dann, wenn es den Anschein erweckt, er würde anderen helfen. Menschen sind ihm grundsätzlich s*****egal - völlig unabhängig davon, ob es die eigenen oder fremde sind.

Burkhard Mundt / 21.09.2023

Im Gegensatz zum islamischen Aserbaidschan hat das christliche Armenien weder Erdöl noch Erdgas. Armenien liegt eingeklemmt zwischen den islamischen Bruderstaaten Türkei und Aserbaidschan. Der Türknationale Erdogan nutzt die Schwäche des dekadenten Westens insbesondere der EU, gnadenlos aus. Er wird trotzdem von der EU mit Milliarden unterstützt. Ohne diese Hilfsgelder wäre Erdogan längst am Ende. In der Türkei herrscht extrem hohe Inflation. Aber er hat zwei Asse im Ärmel, mit denen er in seinem Machtspiel gegen den Westen jeden Jackpot knackt: Erstens den Zugang zum Schwarzen Meer (Bosperus) und zweitens ein unerschöpfliches Herr von Flüchtlingen, die er nach Bedarf über die schwach geschützte EU-Außengrenz passieren lässt. Sorry. No chance, Armenien. Genauso wie Tibet gegen die Chinesen.

Thomas Szabó / 21.09.2023

Multikulturelle Menschenversuche: Die Sowjetunion setzte Grenzen ohne jede Rücksicht auf nationale, ethnische, kulturelle, religiöse Gegebenheiten und schuf ewige Konflikte. Ähnliches taten die westlichen Kolonialmächte. Die EU und die deutsche Regierung tritt in deren ideologische Fußstapfen. Man nötigt Menschen die nur wenig miteinander gemein haben oder gar entgegen gesetzte Werte vertreten dazu in einer multikulturellen, multiethnischen, multireligiösen Gesellschaft zusammen zu leben. Eine funktionierende multikulturelle Gesellschaft hat keine Kultur mehr. In einer dysfunktionalen multikulturellen Gesellschaften bekämpfen die Kulturen einander, bis eine die Übermacht erringt und die Besiegten beseitigt. Die multikulturellen Menschenversuche werden kollektivistisch begründet: Arbeiterparadies, zivilisierendes Kolonialreich, multikultureller Kitsch. Die zeitgenössischen multikulturellen Gesellschaftsutopien Europas basieren auf dem Konzept des humanitär verbrämten Völkermordes. Ein Volk, eine Nation, eine Religionsgemeinschaft, eine Ethnie mittels fremder Völker, Nationen, Religionen, Ethnien in eine bunte & vielfältige aka braune Brühe einstampfen. Die appetitliche Utopie vom kollektiven Schweintrog. Erst wenn die ganze Welt eine kackbraune Brühe ist, ist sie “bunt & vielfältig”. Alleine die Formulierung “bunt & vielfältig” ist eine Beleidigung unserer Kultur. Als ob unsere Kultur “grau, öde, arm” wäre! Als Antwort auf vergangenen massenmörderischen Nationalismus, Chauvinismus, Faschismus, Kolonialismus entstand der zeitgenössische kollektivistische Antinationalismus: Um den Nationalismus zu bekämpfen alle Nationen, Kulturen, Identitäten, Ethnien, Religionen ausrotten, in einer seelenlosen, sozialistischen, kollektivistischen, kitschigen Brühe ersäufen! Klassisch formuliert, das Kind mit der Wanne ausschütten. Dieses primitive, minderwertige Konzept wird heute als das intellektuelle, progressive Zukunftsmodell vermarktet. Kackbraune bunte Brühe für alle!

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