Von Michael Rubin.
In dem Maße, wie die USA und die europäischen Mächte ihre Beziehungen zur Türkei normalisieren, kommt Erdoğan zu dem Schluss, dass er ungestraft aus ideologischen Gründen gegen Minderheiten vorgehen kann.
Im Folgenden geben wir die Erklärung vor der Tom-Lantos-Menschenrechtskommission zu den Menschenrechten in der Türkei am 10. Juni 2025 durch Michael Rubin wieder. Die Tom-Lantos-Menschenrechtskommission (TLHRC) ist ein überparteiliches Gremium des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten mit dem erklärten Ziel, „international anerkannte Menschenrechtsnormen (...) innerhalb und außerhalb des Kongresses unparteiisch zu fördern, zu verteidigen und zu vertreten“. Michael Rubin ist ein US-amerikanischer Nahost-Experte, Hochschullehrer, Autor und ehemaliger Pentagon-Beamter. Aktuell ist er Senior Fellow am American Enterprise Institute sowie Direktor für politische Analysen beim Middle East Forum, wo dieser Beitrag zuerst erschien.
Herr Vorsitzender Smith, Herr Vorsitzender McGovern und verehrte Abgeordnete, ich danke Ihnen für die Gelegenheit, hier aussagen zu können.
In der Türkei erzählt man sich einen Witz über einen türkischen Professor, der eine Aussage macht, die Präsident Recep Tayyip Erdoğan missfällt. Der Professor wird daraufhin für 20 Jahre ins Gefängnis gesteckt. An seinem ersten Tag besucht er die Gefängnisbibliothek mit einer Liste von Büchern, die er während seiner Haftzeit lesen möchte. Der Bibliothekar sieht sich die Liste an und entschuldigt sich: „Es tut mir sehr leid. Wir haben keines dieser Bücher, wir haben nur die Autoren.“
Der Witz geht einem nahe. Nach mehr als zwei Jahrzehnten der Herrschaft von Erdoğan ist die Türkei [Türkiye], die einst ein Verbündeter der USA und eine aufstrebende Demokratie war, für immer verschwunden. Das gilt auch für die Vorstellung, dass eine liberalisierte Türkei religiöse und ethnische Vielfalt zulassen könnte. Obwohl ich kein Türke bin, habe ich die Bedrohung durch die Türkei aus erster Hand erfahren. Türkische Beamte haben Strafverfahren gegen mich eingeleitet, weil ich in politischen Zeitschriften der USA Analysen veröffentlicht habe, und sowohl türkische Kolumnisten als auch Beamte haben antisemitische Beschimpfungen gegen mich vorgebracht; fast wöchentlich erhalte ich Todesdrohungen von türkischen Trollen. Da Erdoğan türkische Trolle offen unterstützt und subventioniert, ist es unmöglich, solche Ansichten als Randerscheinung zu betrachten oder Erdoğan und seine Regierung zu entschuldigen.
Ich habe ein dickes Fell, aber ich betrachte ein solches Verhalten als tragisch, denn es deutet auf eine Türkei hin, die sich im Kern heute kaum anders verhält als die Islamische Republik Iran oder der von der Hamas geführte Gazastreifen.
Es hätte nicht so kommen müssen. Die Türkei war nie eine echte Demokratie, aber unter Turgut Özal als Ministerpräsident (1983–1989) und Staatspräsident (1989–1993) bewegte sie sich in die richtige Richtung. Özal öffnete zwar den Raum für den politischen Islam, den Erdoğan und seine Gefolgsleute für sich zu nutzen versuchten, aber er erkannte auch die grundlegenden Ungerechtigkeiten an, die den kurdischen Unruhen zugrunde lagen.
Am 17. April 1993 erlag Özal einem Herzinfarkt. Seitdem haben Erdoğans Egoismus, sein persönliches Streben nach Macht und sein Glaube daran, dass Gewalt Kompromisse übertrumpfen kann, sowohl die demokratischen Strukturen als auch die für das Gedeihen einer Demokratie notwendige Toleranz untergraben. Anstatt die Vielfalt des Denkens, der ethnischen Zugehörigkeit oder der Religion zuzulassen, haben sich Erdoğan und seine Anhänger für Verfolgung und Unterdrückung entschieden. Während meine Mitdiskutanten erörtern werden, wie sich dies auf die Vielfalt der islamischen Ansichten auswirkte, werde ich mich in meinen Ausführungen auf ethnische Minderheiten und die Nicht-Muslime in der Türkei konzentrieren.
Erdoğan nutzt die Naivität des Westens, um seine Macht zu festigen
Zunächst ist es jedoch notwendig zu verstehen, wie Erdoğan seine Macht konsolidiert hat. Der Sieg von Erdoğans „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AKP) bei den Parlamentswahlen im November 2002 schockierte den Westen. Da sich fünf säkulare Parteien ihre Stimmen teilten und die für den Einzug ins Parlament erforderliche Zehn-Prozent-Hürde nicht erreichten, konnte die AKP ihre 34 Prozent der Stimmen zu einer Super-Mehrheit ausbauen (Anm. d. Red.: Abgesehen von der Atatürk-Partei CHP, die 19,4 Prozent erreichte). Sowohl die Türken als auch der Westen machten sich Sorgen über die Absichten von Erdoğan. Schließlich hatte Erdogan als Bürgermeister von Istanbul den Säkularismus regelmäßig verunglimpft. „Gott sei Dank bin ich ein Diener der Scharia“, erklärte er 1994. Im Jahr darauf bezeichnete er sich selbst als „Imam von Istanbul“. Nachdem er 1997 ein Gedicht vorgetragen hatte, in dem er Minarette mit Bajonetten verglich, verurteilte ihn ein türkisches Gericht wegen religiöser Aufwiegelung zu einer Gefängnisstrafe.
Nach dem Erdrutschsieg der AKP versuchte Erdoğan, diejenigen zu beschwichtigen, die wegen seines Islamismus besorgt waren. „Wir sind die Garanten dieses Säkularismus, und unser Management wird das eindeutig beweisen“, sagte er und versprach, dass er die Konsequenzen aus seinen früheren Exzessen gezogen habe. Amerikanische Beamte nahmen ihn beim Wort. Daniel Fried, stellvertretender Staatssekretär für europäische Angelegenheiten (2005–2009), beschrieb die AKP als „eine Art muslimische Version einer christdemokratischen Partei“, während Außenminister Colin Powell (2001–2005) die Türkei als „muslimische Demokratie“ lobte. So sehr die Regierung von George W. Bush die Demokratie auch betonte, Powell und das Außenministerium haben nicht verstanden, dass die Modifizierung der Demokratie mit einem Adjektiv sie zwangsläufig verwässert.
Erdogan war klug und vorsichtig genug, um seine wahren Absichten zu verbergen. Er versuchte, den Beitrittsprozess zur Europäischen Union unter seine Kontrolle zu bringen, um das türkische Militär zu schwächen und seine innenpolitische Rolle zu zerschlagen, die zum Teil für ein Gegengewicht zu Möchtegern-Autokraten sorgte. Erdoğan hat Europa und seine Institutionen nie respektiert. Als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im November 2005 ein Kopftuchverbot an türkischen Universitäten bestätigte, kritisierte Erdogan das Gericht, weil es seine Entscheidung „ohne Rücksprache mit islamischen Gelehrten“ getroffen hatte. Im folgenden Jahr strich er Verweise auf den Säkularismus aus einem Verhandlungspapier, in dem es um die Zukunft des türkischen Bildungssystems im Falle eines Beitritts der Türkei zur Europäischen Union ging.
Während westliche Beamte die Diplomatie als einen Mechanismus zur Lösung von Problemen und Streitigkeiten betrachten, sehen viele schurkische Herrscher – von Wladimir Putin in Moskau über Kim Jong-un in Pjöngjang bis hin zu Erdoğan in Ankara – die Diplomatie als eine Strategie der asymmetrischen Kriegsführung, um den Westen abzulenken, während sie andere Ziele verfolgen. Im Falle der Türkei bedeutet dies, die Kontrolle zu festigen.
Mehr als ein Jahrzehnt lang haben westliche Beamte für Erdoğan Partei ergriffen und die Warnungen vor seiner undemokratischen und ideologischen Agenda als übertrieben abgetan. Er nutzte diese Zeit, um die Kontrolle zu festigen, indem er technokratische Einrichtungen wie den Türkischen Einlagensicherungsfonds (TMSF) oder den Hochschulrat (YÖK) in parteiische AKP-Waffen umwandelte, die er gegen politische Gegner einsetzen konnte. Er veränderte die Lehrpläne, um „eine religiöse Generation zu erziehen“. In den 22 Jahren der AKP-Herrschaft haben mehr als 35 Millionen Schüler das türkische Grund- und Sekundarschulsystem durchlaufen. Im gleichen Zeitraum hat er sowohl das Militär als auch die Bürokratie umgestaltet. Während viele US-amerikanische und europäische Beamte heute den Fehler ihrer anfänglichen Erdoğan-Einschätzung eingestehen, sind zu viele immer noch von Wunschdenken geblendet. Sollte Erdoğan morgen abtreten, wird der Erdoğanismus fortbestehen. Eine Rückkehr zum Status quo ante ist jetzt unmöglich.
Auch wenn viele in den Vereinigten Staaten und Europa Erdoğan als Islamisten sehen, ist dies nur eine Komponente seiner ideologischen Agenda; ebenso stark ist sein Glaube an die türkische Vorherrschaft. Ob durch Äußerungen oder Taten, Erdoğan zeigt sich intolerant, wenn nicht sogar offen rassistisch gegenüber allen, die nicht seine Vision und ethnische Zugehörigkeit teilen.
Erdoğans Unaufrichtigkeit gegenüber den Kurden
Es ist nun fast einen Monat her, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ihre Auflösung bekannt gab. Viele westliche Beamte begrüßten diesen Schritt und bezeichneten ihn als das Ende eines 40-jährigen Aufstands. Thomas Pigott, der aktuelle stellvertretende Hauptsprecher des Außenministeriums, bezeichnete die Entscheidung der PKK, ihre Waffen niederzulegen, als einen „Sieg der Zivilisation“. Washington sollte jedoch an die Kurdenfrage in der Türkei nicht mit der gleichen Naivität oder dem gleichen Wunschdenken herangehen wie an Erdoğan.
Der Aufstand der PKK begann 1984. Westliche Beamte können zwar die Taktiken der PKK kritisieren – ich habe das bei vielen Gelegenheiten getan, auch in meinem Buch „Kurdistan Rising?“ – aber es ist auch wichtig, kurdische Missstände anzuerkennen.
Die Türkei hat die kurdische Sprache lange Zeit verboten. Kurden wurden schon für die Verwendung von Buchstaben wie Q, W und X, die im türkischen Alphabet nicht existieren, verhaftet. Türkische Diplomaten weisen zwar darauf hin, dass Kurden in der türkischen Politik aufsteigen konnten – Atatürks Nachfolger İsmet İnönü war wahrscheinlich zum Teil Kurde –, aber sie verschweigen, dass dies nur für Kurden galt, die ihre Sprache und Kultur verleugneten. Vor dem Beginn des PKK-Aufstands vernachlässigten die verschiedenen Regierungen in Ankara die kurdischen Dörfer, Städte und Gemeinden.
Während US-Beamte heute die türkische Auffassung akzeptieren, dass die PKK eine terroristische Vereinigung war und ist, hat die US-Politik sie zunächst nicht als solche anerkannt. Erst 1997, nachdem die Kämpfe abgeflaut waren und Özal Verhandlungen angeboten hatte, stufte das Außenministerium die Gruppe als terroristische Organisation ein.
Das Vorgehen der Clinton-Administration beruhte weniger auf einer objektiven Bewertung als vielmehr auf diplomatischen und kommerziellen Erwägungen: Um einen Hubschrauber- und Waffenkauf aus den Vereinigten Staaten abzuschließen, verlangte Ankara von Washington, die PKK als terroristische Vereinigung zu bezeichnen. Die Ungereimtheit setzt sich fort, denn das Außenministerium hat die iranischen Mudschaheddin, eine Gruppe, die mehrfach Amerikaner angegriffen und getötet hat, von der Liste gestrichen, weigert sich aber, dies auch bei der PKK zu tun, einer Gruppe, die weder Amerikaner angegriffen noch getötet hat. Diejenigen in Washington, die blind die türkische Propaganda über die PKK wiederholen und die Tatsache leugnen, dass die PKK ihren Marxismus aus der Zeit des Kalten Krieges längst abgelegt hat, haben eines gemeinsam: Sie haben sich nie mit der PKK auseinandergesetzt, weil sie befürchten, ihren Zugang zu Erdoğan und seinen Spitzenvertretern zu verlieren, und sie haben auch nie die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien – von vielen Kurden Rojava genannt – besucht, um sich ein Bild von der kurdischen Regierung zu machen. Hätten sie dies getan, hätten sie festgestellt, dass die Kurden heute demokratischer und fortschrittlicher sind als alle sie umgebenden Länder, einschließlich der Türkei.
Es ist auch eine logische Inkonsequenz, die Türkei zu beschwichtigen, indem man die PKK als terroristische Gruppe verurteilt, wenn man bedenkt, dass PKK-Ableger in Syrien dazu beigetragen haben, den Islamischen Staat zu besiegen, als Erdoğans Türkei die Terrorgruppe passiv – wenn nicht sogar aktiv – unterstützte. Heute, da Erdoğan die PKK und die Anhänger seines einstigen Verbündeten Fethullah Gülen als Terroristen verteufelt, unterstützt die Türkei offen die Hamas, während die Kurden die islamistische Terrorgruppe ablehnen.
Vielleicht ist das der Punkt: Indem er alle kurdischen Gegner mit der PKK in einen Topf wirft und dann vom Westen verlangt, sie als Terroristen zu bezeichnen, versucht Erdoğan, die Vereinigten Staaten und Europa indirekt an seiner Unterdrückung der Kurden und der von ihnen vertretenen Opposition zu beteiligen.
Während das Außenministerium und die europäischen Außenministerien hoffen, dass die Auflösung der PKK Frieden bringen wird, riskieren sie, die Niederlage mit dem Sieg zu verwechseln, wenn sie es Erdoğan ermöglichen, die Auflösung der PKK als Anlass zu nehmen, Reformen zu vermeiden. Optimisten mögen den Friedensprozess als ein Zeichen dafür ansehen, dass Erdoğan toleranter sein wird, doch die Geschichte zeigt etwas anderes: Erdoğan geht nur so lange auf die Kurden zu, wie er glaubt, dass sie seine Diktatur unterstützen werden.
Wenn sie für andere Parteien stimmen, reagiert Erdoğan mit Gewalt:
Das erklärt auch die Inhaftierung der (Parteichefs der) Demokratischen Volkspartei (HDP) des Kurdenführers Selahattin Demirtaş. Wenn Erdoğan den inhaftierten Kurdenführer Abdullah Öcalan nicht freilässt – zumindest unter Hausarrest stellt – oder es versäumt, die Kurden wieder in die Gesellschaft zu integrieren und dabei ihre Kultur und ihre toleranteren, weniger strengen religiösen Praktiken zu respektieren, dann werden die Kämpfe wahrscheinlich wieder aufflammen, da die Kurden zu dem Schluss kommen, dass Erdoğan unaufrichtig ist und sie unter seinem Regime keine grundlegenden Menschenrechte oder Demokratie erreichen können.
Erdoğan will Griechen in der Türkei ausrotten
Gemäß dem Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 hat die Türkei vier ethnische Minderheiten anerkannt: Griechen, Armenier, Bulgaren und Juden. Ironischerweise geht es den Kurden von allen Minderheiten in der Türkei am besten, obwohl eine solche Aussage der Behauptung ähnelt, dass es jemandem mit Krebs besser geht als einem Ebola-Opfer.
Die Geschichte der griechischen Minderheit in der Türkei steht sinnbildlich für den Niedergang des Christentums in diesem Land. Griechen waren schon Jahrhunderte vor der Ankunft der Türken in Kleinasien und an der Ägäisküste ansässig. Im letzten Jahrzehnt des Osmanischen Reiches lebten mehr als zwei Millionen griechische Christen in der heutigen Türkei. Istanbul (damals Konstantinopel) war der Sitz des Ökumenischen Patriarchen, des geistlichen Oberhauptes der 300 Millionen orthodoxen Christen in der Welt (Anm. d. Red.: eine Art orthodoxes Gegenstück zum Papst).
Während die Biden-Regierung, alle 50 US-Bundesstaaten sowie der District of Columbia (Anm. d. Red.: Washington D.C.) den Völkermord an den Armeniern formell und zu Recht anerkannten, waren die Armenier nicht die einzigen, die in den letzten Jahrzehnten des Osmanischen Reiches und in den ersten Jahren der modernen Türkei einen Völkermord durch die Türken erlitten. Die Griechen erlitten einen „dreißigjährigen Völkermord“, dem eine Million Griechen zum Opfer fielen, die Hälfte der Bevölkerung. Der Bevölkerungsaustausch, der auf die Gründung der Türkischen Republik folgte, zwang einen Großteil der verbliebenen griechisch-orthodoxen Bevölkerung, Anatolien zu verlassen.
Heute leben nur noch etwa 2.000 Griechen in der Türkei, die meisten davon in Istanbul. Ein solcher Bevölkerungsrückgang hat nur eine Parallele in der Dezimierung der jüdischen Bevölkerung in Osteuropa während des Holocausts.
Die Türkische Republik ist nun mehr als ein Jahrhundert alt. Leider ist die griechische Minderheit weiterhin bedroht. Trotz der weltweiten Bedeutung des Ökumenischen Patriarchen verweigert die Türkei dem Ökumenischen Patriarchat den Rechtsstatus.
Dieser Mangel an rechtlicher Identität behindert das Ökumenische Patriarchat. Die Türkei weigert sich, die Eigentumsrechte des Patriarchats anzuerkennen, und verweigert „ausländischen“ Priestern, die für den Fortbestand und das Funktionieren des Patriarchats unerlässlich sind, die Erteilung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen. Die Blockade des Ökumenischen Patriarchats durch die Türkei wäre gleichbedeutend mit der Weigerung Italiens, nicht-italienischen Kardinälen Visa für die Durchreise durch Italien auf dem Weg in die Vatikanstadt zu erteilen, und der Anfechtung der Eigentumsrechte des Vatikans an seinen Gebäuden. Die Türkei weigert sich sogar, das Eigentum des Patriarchats an ihren Kirchen anzuerkennen. Während die Katholiken der Welt die Wahl von Papst Leo XIV., dem ersten amerikanischen Papst der Kirche, durch das vatikanische Konklave feiern, besitzt die Türkei die Dreistigkeit zu verlangen, dass jeder Ökumenische Patriarch türkischer Staatsbürger ist.
Die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit stuft die Türkei seit über einem Jahrzehnt als einen der schlimmsten Missachter der Religionsfreiheit in der Welt ein, vor allem wegen der Behandlung der griechisch-orthodoxen Minderheit. Unter Erdoğan hat sich die Situation noch verschlimmert, so dass die Kommission die Türkei als „besonders besorgniserregendes Land“ einstuft. Während Putin die russisch-orthodoxe Kirche zur Förderung der russischen Außenpolitik einsetzt, unterstützt Erdoğan zynisch die russisch-orthodoxe Kirche, um die griechische Kirche zu schwächen und die Integrität und Zukunft des Ökumenischen Patriarchats weiter zu untergraben.
Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je, dass das Weiße Haus und der Kongress die Frage der Religionsfreiheit zur Sprache bringen. Ohne das Seminar von Chalki (Anm. d. Red.: wichtigste christliche Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, 1971 durch den türkischen Staat geschlossen), das die Türkei seit 50 Jahren geschlossen hat, kann die griechisch-orthodoxe Kirche keine Priester im eigenen Land ausbilden. Wenn Erdoğan die Schließung von Chalki fortsetzt, ist es gut möglich, dass das orthodoxe Christentum aus der Türkei verschwindet, bevor es in etwas mehr als einem Jahrzehnt sein zweitausendjähriges Bestehen feiern kann.
Die Folgen der Nichtanerkennung des Völkermordes an den Armeniern durch die Türkei
Ebenso wie die griechische Bevölkerung in der Türkei ist auch die armenische Präsenz stark zurückgegangen. Wie bei den Griechen ging auch die armenische Präsenz als Folge der osmanischen und türkischen Politik zurück. Im Jahr 1914 hatte das armenische Patriarchat etwa 5.000 armenische Kirchen, Seminare und Schulen registriert. Heute gibt es nur noch weniger als 50 armenische Kirchen.
Der Hauptgrund dafür war natürlich der Völkermord an den Armeniern. Jahrzehntelang haben die US-Regierungsvertreter den Völkermord an den Armeniern verschwiegen, wenn nicht gar geleugnet. Während außerhalb der Türkei kaum jemand bezweifelt, dass vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs mehr als eine Million Armenier in Anatolien und in den von der Türkei besetzten Gebieten ums Leben gekommen sind, haben mehrere pro-türkische Parteigänger und Historiker die Behauptung eines Völkermords verschleiert. Der verstorbene Princeton-Historiker Bernard Lewis zum Beispiel sagte, es gebe keine Beweise für die Absicht. Der deutsch-amerikanische Politikwissenschaftler Günter Lewy argumentierte, dass die Behauptung des Völkermords auf alliierter Propaganda und Fälschungen beruhe.
In Wirklichkeit war die Beweislage vielschichtig und überwältigend. Im Nachhinein sieht es so aus, als hätte Lewis (Anm. d. Red.: als Historiker mit Schwerpunkt auf dem Nahen Osten) seine Leugnung verschärft, um sich seinen Zugang zu sichern, ähnlich wie heute zu viele amerikanische Iran-Historiker die Islamische Republik verharmlosen, um sicherzustellen, dass sie weiterhin Visa und Zugang zu Archiven erhalten.
Im Jahr 2017 hätte jede Leugnung aufhören müssen, als der Historiker Taner Akçam ein Telegramm fand, das beweist, dass die Ittihadisten (Anm. d. Red.: „Komitee für Einheit und Fortschritt“, treibende Kraft hinter der Jungtürkischen Revolution von 1908) systematisch Armenier auslöschten. Am 4. Juli 1915 sandte Bahaettin Sakir die Nachricht an Gouverneur Sabit Bey, um die Vertreibung und Ausrottung der Armenier zu koordinieren. Das Telegramm lautete: „Sind die deportierten Armenier ausgerottet? Werden die zerstörerischen Elemente vernichtet oder nur vertrieben? Lass es mich genau wissen, mein Bruder.“ Sowohl der Briefkopf als auch der chiffrierte Text beweisen zweifelsfrei, dass das Telegramm ein Original ist.
Systematische Verleugnung
Was bedeuten solche Debatten für die Türkei von Erdoğan? Schließlich mag der Völkermord an den Armeniern zwar tragisch sein, aber sind Ereignisse, die sich vor mehr als einem Jahrhundert ereignet haben, heute noch von Bedeutung? Hier lautet die Antwort leider ja. Die Leugnung des Völkermords setzt den Völkermord fort. Der Holocaust in Europa war tragisch, aber nach dem Sturz Hitlers hat Deutschland seine Rolle beim Völkermord anerkannt, Wiedergutmachung geleistet und seine Gesellschaft aufgeklärt, um sicherzustellen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Neonazis gibt es vielleicht noch, aber nur noch am Rande der Gesellschaft. Sie werden an den Pranger gestellt, und das zu Recht. Das Gleiche gilt für Ruanda. Hutu-Génocidaires (Anm. d. Red.: Täter des Völkermordes in Ruanda) gibt es vielleicht noch im Osten der Demokratischen Republik Kongo und in Burundi, aber die Gräueltaten, die sie 1994 in Ruanda begangen haben, sind unbestreitbar. Wenn die Génocidaires sprechen, werden sie außerhalb von Kinshasa und Brüssel meist stigmatisiert.
In der Türkei bedeutet die systematische Verleugnung jedoch, dass die Ideologie, die religiöse Intoleranz und der Rassenhass, die den Völkermord an den Armeniern auslösten, weiterhin legitim sind und zum Mainstream gehören – und zwar nicht nur von Erdoğan, sondern von der gesamten türkischen Elite unterstützt werden. Dies wiederum macht die Wiederaufnahme des Völkermords sehr viel wahrscheinlicher. Dass der aserbaidschanische Überraschungsangriff auf die einheimische armenische Bevölkerung in Berg-Karabach im Jahr 2020 ausgerechnet auf den 100. Jahrestag der osmanischen Invasion des unabhängigen Armeniens fiel, war wahrscheinlich kein Zufall. Dass sowohl Erdoğan als auch der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew das Existenzrecht eines unabhängigen Armeniens bedrohen, angreifen und leugnen, ist ein Signal dafür, dass der Hass, der die ethnische Säuberung und den Völkermord in ganz Anatolien motivierte, theoretisch jederzeit wieder aufflammen könnte, vielleicht unter einem falschen Vorwand.
In der Tat deutet das Außenministerium selbst dieses Phänomen nicht nur bei den Armeniern, sondern auch bei den Griechen und Juden an, auch wenn es dies nicht ausdrücklich erwähnt. In seinem Bericht über die internationale Religionsfreiheit 2023 warnte das Außenministerium vor türkischer „Diskriminierung, die sich aus geopolitischen Fragen mit Israel, Griechenland und Armenien ergibt“, gegenüber türkischen Juden und Christen. Offen gesagt, könnte das Außenministerium jedoch noch weiter gehen. Seine Berichterstattung zur Religionsfreiheit ignoriert die „Denativierung“, wie es der Wissenschaftler Hakem al-Rostom von der University of Michigan ausdrückte, der darüber schrieb, wie die Türkei die Armenier vor, während und nach dem Völkermord zu Fremden in ihrem angestammten Land machte. Diese Auslöschung der armenischen Präsenz und Identität geht weiter.
Im Mai 2025 traf sich der Ökumenische Rat der Kirchen in Bern in der Schweiz, um sich mit dem Problem der Auslöschung des kulturellen Erbes zu befassen. Die christlichen, jüdischen und muslimischen Religionsgelehrten sowie Akademiker stellten zu Recht fest: „Beim Schutz des Kulturerbes geht es nicht nur um Denkmäler – es geht um den lebendigen Ausdruck von Glauben, Identität und Erinnerung.“ Die Türkei fährt jedoch fort, religiöses Erbe zu zerstören, nicht nur innerhalb der Türkei selbst, sondern ermutigt auch Syrien und Aserbaidschan zu ähnlichen Handlungen gegenüber armenischem Eigentum.
In dem Maße, wie die USA und die europäischen Mächte ihre Beziehungen zur Türkei normalisieren oder glauben, Erdoğans Kooperation oder Vermittlung in der Ukraine oder im Iran zu benötigen, kommt Erdoğan zu dem Schluss, dass er ungestraft aus ideologischen Gründen gegen Minderheiten vorgehen kann. Dies erklärt beispielsweise, warum seine Regierung kürzlich den Mörder des türkisch-armenischen Intellektuellen und Herausgebers Hrant Dink vorzeitig freigelassen und dann offen und öffentlich umarmt hat.
Juden sollten keine Museumsexponate sein
Juden sind in der Türkei seit jeher willkommen. Atatürk trennte Moschee und Staat und verbot politischen Parteien, sich religiös zu organisieren. In den vom Staat bereitgestellten Schulbüchern lernten die Türken, dass ihre jüdische Gemeinschaft loyal war. Juden haben sich nie gegen das Osmanische Reich erhoben, wie es Griechen, Armenier, Araber, Bulgaren und andere taten. Das hat sich nun geändert.
Der Antisemitismus ist in der AKP ebenso tief verwurzelt wie die Leugnung des Völkermords. Kurz nachdem Erdoğan an die Macht kam, wurde eine türkische Übersetzung von Hitlers „Mein Kampf“ zu einem nationalen Bestseller, offenbar nachdem Erdoğans Partei die Auflage und den Vertrieb subventioniert hatte. Im Jahr 2011 verunglimpfte Egemen Bağış, der damalige türkische Europaminister, den bulgarischen Außenminister, weil er angeblich jüdisches Blut hatte. Türkische Diplomaten twitterten ihre Unterstützung für „Die Israel-Lobby“, ein Buch, das Juden eine doppelte Loyalität unterstellt. Erdoğan selbst befürwortete einen Film, in dem behauptet wurde, eine Motivation für den Irakkrieg 2003 sei der jüdische Wunsch gewesen, die Organe toter Muslime zu sammeln. Als Erdoğan begann, sich gegen Atatürks säkulare Vision zu wenden, begannen Kioske vor Regierungsgebäuden in Ankara Flugblätter zu verkaufen, in denen Atatürk als „heimlicher Jude“ bezeichnet wurde.
Während des ersten Jahrzehnts von Erdoğans Herrschaft besuchte ich die Türkei vielleicht drei- oder viermal im Jahr und traf oft mit Vertretern der jüdischen Gemeinde zusammen. Ihre Angst war spürbar. Sie fühlten sich nicht nur als potenzielle Zielscheibe des Terrors, sondern fürchteten auch, dass Erdoğan Vergeltung an ihnen üben würde, wenn sie nicht mit einer Stimme seine Positionen unterstützten und ihre Bedenken gegenüber äußeren Mächten lautstark zurückwiesen. Erdoğans Bereitschaft, Hamas-Agenten einen sicheren Zufluchtsort zu gewähren, damit sie Anschläge auf Juden in Israel und anderswo planen können, stellt eine spürbare Bedrohung für die Juden in der Türkei sowie für amerikanische und europäische Juden dar, die die Türkei möglicherweise als Touristen besuchen.
So wie die Islamische Republik Iran auf ihre jüdische Gemeinde verweist oder ihre Synagogen für Touristen öffnet, um iranische Toleranz zu suggerieren, so verweist auch das Erdoğan-Regime auf die wenigen Synagogen in Istanbul als Beweis dafür, dass die Türkei für Juden sicher ist. In der Tat behandelt Erdoğan die Juden als Museumsstücke und nicht als lebendige und unabhängige Gemeinschaften.
Warum Menschenrechte für die nationale Sicherheit wichtig sind
Das Außenministerium berichtet zwar über Menschenrechtsverletzungen, doch allzu oft halten die politischen Entscheidungsträger die Ergebnisse unter Verschluss, damit sie nicht mit den allgemeineren politischen Initiativen der USA kollidieren. Das ist ein Fehler, denn die Bereitschaft von Regimen, die Menschenrechte zu missachten und die Religionsfreiheit einzuschränken, ist vielleicht der beste Indikator für den wahren Charakter des Regimes. Wenn Erdoğan bereit ist, die russisch-orthodoxe Kirche und den Kreml bei seinen Bemühungen, die griechisch-orthodoxe Kirche zu unterwandern, zu bevorzugen, ist das ein Zeichen dafür, dass er westliche Interessen niemals an erste Stelle setzen wird. Wenn er versucht, die Kurden als Terroristen zu bezeichnen, weil sie sich weigern, seine doktrinäre Auslegung des Islams anzunehmen, oder weil sie sich als Gemeinschaft weigern, für die AKP zu stimmen, ist es kontraproduktiv, wenn die Vereinigten Staaten seinem Beispiel blindlings folgen.
Die Gefahr ist umso größer, als Erdoğan versucht, seine persönlichen Beziehungen zu Präsident Donald Trump zu pflegen, um die Rechenschaftspflicht und die Konsequenzen seiner eigenen Terrorunterstützung zu umgehen, eine Aufhebung der Sanktionen im Rahmen des CAATSA-Gesetzes („Countering America's Adversaries Through Sanctions Act“, deutsch: „Gesetz zur Bekämpfung von Amerikas Widersachern durch Sanktionen“) zu erreichen und neben anderen Waffen auch den F-35 Joint Strike Fighter zu erhalten.
Auch wenn unerfahrene Botschafter eine erfolgreiche Amtszeit mit ihrer eigenen Anbiederung an den Herrscher des Gastlandes in Verbindung bringen mögen, untergräbt dieses Wunschdenken durchweg die nationale Sicherheit der USA und die breiteren amerikanischen Interessen. Einem Regime, das mit dem Islamischen Staat flirtet, der Hamas Unterschlupf gewährt, sich auf die Seite militanter Gruppen in Syrien schlägt, Russland hilft, Sanktionen zu umgehen, und Christen, gemäßigte Muslime und Juden unterdrückt, F-35 zu liefern, bedeutet, Öl ins Feuer zu gießen, statt es zu löschen.
Die Türkei mag zwar über die NATO reden, aber ihre Feindseligkeit gegenüber religiösen Minderheiten lässt vermuten, dass sie eher mit von den USA gelieferten Waffen Juden in Israel, Christen in Griechenland und Armenien und Hindus in Indien bedrohen würde, als dass sie Europa im Konfliktfall gegen Russland verteidigt.
Die Türkei reagiert allzu oft mit religiösen Begriffen und versucht, ihre eigenen Missstände zu beschönigen. Sie hat sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele beworben, indem sie ihre Bewerbung als dem Islam gebührend darstellte. Erdoğan stellt den Westen oft als einen christlichen Club dar, der die Türkei ausschließt, und übersieht dabei einen wichtigen Punkt: Hätte die Türkei nicht 99 Prozent ihrer Christen getötet oder deportiert, geschweige denn den Rest (am Leben in Frieden gehindert), hätte die Türkei auch eine gesunde, einheimische christliche Bevölkerung.
Das soll kein Bashing gegen die Türkei sein. Es wird keine Stabilität in der Region geben, solange die Türkei nicht mit sich selbst und ihren Nachbarn in Frieden lebt. Dies muss das Ziel der Vereinigten Staaten bleiben, aber um es zu erreichen, muss Washington seine Politik an der Realität ausrichten und nicht an seinem eigenen Wunschdenken.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Middle East Forum.
Michael Rubin ist Direktor für politische Analysen beim Middle East Forum und Senior Fellow am American Enterprise Institute.