Thilo Schneider / 09.12.2020 / 06:25 / Foto: Ralf Roletschek / 138 / Seite ausdrucken

Der verhinderte Raubzug

Tja. Das war es dann mit der Demokratie. Aus. Rum. Fertig. Vorbei. Durch die Ablehnung der Erhöhung des Rundfunkbeitrags durch die CDU Sachsen-Anhalt (kurz: CDU-SA) ist er da, der Dammbruch – ach, was schreibe ich – der Dammriss! Zu irgendwas. Die sturen CDU-Granden in Deutschlands sächsisch-anhaltendenstem Bundesland haben tatsächlich auf der Einhaltung ihres Koalitionsvertrags bestanden und damit sehr wenig empathische Schwingungsfähigkeit gegenüber ihren etwas kleineren Koala-Partnern SPD (10,6 Prozent) und Grüne (5,2 Prozent) bewiesen. Die allerdings ja auch den Koalitionsvertrag unterzeichnet haben und für die dieser letztlich „a scrap of paper“ war. 

Und was war da für eine Aufregung… Landauf, landab wurde jammervoll verkündet, es ginge nur um 86 Cent… dass diese lächerlich geringe Zahl pro Haushalt sich in der Summe auf 400 Millionen Euro hochpowert, wurde von den Öffentlich-redlichen Anstalten gerne vergessen. Überlegen Sie mal selbst: Wenn jeder Bundesbürger mir einen Cent schenken würde, dann wären das in der Summe 800.000 Euro. Für mich ganz allein. Allerdings vor Steuern. Da hat doch die bitterste Existenznot ein Ende. Warum machen wir das eigentlich nicht einfach einmal? Ich fände das gut! 

Wie geht es jetzt weiter? Jetzt, wo den Ordentlich-Räubernden kein 400 Millionen Euro teurer Raubzug gestattet wurde? Das Geld fehlt ja. Irgendwo. Wird Anne Will künftig aus ihrer Küche senden? Mit Gästen, mit denen eine Talkshow-Flatrate vereinbart wurde? Werden wir künftig zur Strafe nur noch Lauterbach, Habeck, Baerbock und den Halbtodenhöfer zusammen beim „einer Meinung sein“ sehen? Legen Tagesschau und heute ihre Nachrichtensendungen zusammen? Unter dem Titel „Schreckliche Dinge, die uns heute passiert sind“? Werden im Tatort künftig nur noch Katzen vom Baum gerettet und Maskenverweigerer verhaftet? Gibt es in Polizeisendungen nur noch die drei Heldenpolizisten zu sehen, wie sie Falschparker aufschreiben? Wird die Dramatik des Klimawandels künftig am Pegelstand der Spree fest gemacht und das langsame Aussterben der Eisbären live aus dem Frankfurter Zoo dokumentiert? Und was ist mit den Sportereignissen? Nur noch Curling und Synchronschwimmen oder so spannende Sportarten wie „in der Stammkneipe kleine Pfeile auf eine Zielscheibe werfen“? Kommt das „Wort zum Sonntag“ jetzt erst am Montag? Kommt um 23.00 Uhr, nach dem letzten Heinz-Erhardt-Film, noch kurz die Nationalhymne und dann das hübsche weiße Rauschen mit dem Schneegeriesel im Fernsehen? Und: Würden wir den Unterschied bemerken?

Entweder das Gleiche in leicht abgewandelter Form

Wird es in der „Heute-Show“ nur noch drittklassige Gags, die keine sind… Moment… doch, da sieht man, was passiert, wenn 400 Millionen Euro fehlen… Im Kapitalismus ist es so, dass eine Firma, deren Produkt Ablehnung erfährt, entweder pleite geht oder das Produkt verbessert. Im Sozialismus werden einfach die entsprechenden Gebühren und Abgaben erhöht. Netflix hatte 2019 einen Umsatz von 20,16 Milliarden Dollar bei einem Gewinn von 1.866 Millionen Dollar, über Amazon brauchen wir gar nicht reden…

Die Einnahmen der Demokratiehüter beliefen sich dagegen auf rund 9,7 Milliarden Dollar. Für ein Programm, das der Kunde bezahlt, ob er es sehen will oder nicht. Einmal dürfen Sie raten, was sich die Leute abends ’reinziehen. Kleiner Tipp: Der „Fernsehgarten“ isses nicht… Dafür gibt es bei Netflix aber auch nur einen Streaming-Dienst, bei den Demokratieabnehmern sind es rund 100 stolze Radio- und Fernsehsender, auf denen entweder das Gleiche in leicht abgewandelter Form läuft oder die Randgruppen von Randgruppen wie polnische Klassikhörer, libanesische Tankwarte oder bosnische Jongleure bedienen.  

Nun haben ja private und öffentlich-ehrliche Sender unterschiedliche Aufgaben und Zielsetzungen. Ein privater Sender will (und muss, oh Wunder der Marktwirtschaft) Geld verdienen. Notfalls auch mit billigen Bullshitformaten wie „Freier sucht Bau“ oder irgendwelchen Nackigen, die seltsamen Spielen nachgehen. Hauptsache, zwischendurch macht irgendjemand Werbung für die schon wieder verbesserte Formel zur Entkalkung der heimischen Spülmaschine der Hirnentkernten, die sich das ´reinziehen. 

Oder er wirbt, wie Netflix und Amazon, um Abonnenten. 

Von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarte ich ungeframte und ehrliche Informationen, politisch ungefärbte Hintergrundberichte, saubere und objektive Recherchen und die Beobachtungen von Pro und Contra zu den diversen Nachrichtenthemen. Und eine Unterscheidung zwischen „Bericht“ und „Meinung“. Denn ich zahle, ganz offiziell, eine Demokratieabgabe und keine Schul(ungs)gebühr.

Wenn ich mir also schon nicht aussuchen kann, wofür ich bezahle, dann erwarte ich wenigstens Objektivität. Denn ich bin erwachsen und kann mir meine eigene Meinung bilden – wenn ich Für und Wider kenne. Und solange dies in den ÖR-Medien nicht sichergestellt ist, sind sie mir auch keine 86 Cent mehr im Monat wert. Lieber esse ich dafür eine halbe Eiskugel. Da weiß ich wenigstens, was ich gelutscht habe. Und kann mir den Geschmack aussuchen. 

(Weitere fein ausgewogene Statements des Autors auch unter www.politticker.de)   

 

Von Thilo Schneider ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

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Jochen Brühl / 09.12.2020

Das mit der CDU-SA im Beitrag liest sich ja sehr lustig. Aber der Dammbruch bzw. Dammriss ist doch wohl weit untertrieben. Wenn es sich bei den ÖRR um den Wesenskern der Freiheitlich-Demokratischen-Grundordnung handelt, und genau das glauben ja die dortigen Protagonisten, dann war es nichts unterhalb der “Endstation Buchenwald”, was da die CDU-SA gemacht hat. Immerhin wurde in einem ARD-Kommentar so die Kemmerichwahl kommentiert.

Frank Mora / 09.12.2020

Hochmut kam vor dem Fall oder: schlechtes Timing. Sachsen-Anhalts Heimatardsender ist der MDR. Gesperrt haben sich die CDU- und AFD-Landtagsabgeordneten, weil “der Osten”, als ihrer und ihrer Wähler Heimat im ÖR-Funk so schlecht weggkommt. Mal einfach auf den Punkt gebracht. Auch und gerade im MDR. Deshalb sollen die ÖR-Gebühren nicht steigen. Steht so im Koalitionsvertrag des Landes. Unterschrift: CDU, SPD, Grüne. Dafür gabs schöne Posten und Pöstchen, vom Steuerzahler ausreichend alimentiert. Bevor sich Herr Haseloff zum Fifi machte, wollten die Kleinparteien in der Regierung davon nichts mehr wissen. Am Tag vor der anberaumten Abstimmung im Landtag stellt der ehemalige Ministerpräsident und SPD(!)-Vorsitzende Platzeck den jährlichen Bericht vor, daß im Jahre 30 seit der Vereinigung immer noch fast alle Führungspositionen im Osten von Leuten mit der “Gnade der westlichen Geburt” besetzt sind und das den Ostlern nicht gefällt. Nun zum Gebührenfunk, der nach vielen Jahren ohne Erhöhung nur “maßvolle 86 Cent” mehr haben wolle, was ja nun wirklich kein Problem sei. Die “Erweiterung der Bemessungsgrundlage” durch die verpflichtende Haushaltsabgabe fällt dabei vom Tisch. In GB gab es wegen einer “Kopfpauschale” genannten Steuer der Eisernen Lady Straßenschlachten. In D nicht, da hat das Bundesverfasssungsgericht dazu genickt. Über das Programm, die Gehälter und Pensionen von mir kein Wort. Einen Tag vor der Gebührenentscheidung macht der MDR-Verwaltungsrat Herrn Brinkbäumer zum Programmdirektor. Den rausgeworfenen Spiegelchef, Relotiusförderer, Trumpbegeiferer und Erzwessi. Ohne Fernseherfahrung und mit im beruflichen Werdegang nachgewiesener Ostphobie. Arroganter geht es nicht. Damit wurde wohl der letzte CDU-Abgeordnete überzeugt und den abgehärtesten SPD-lern dräute, daß man ihnen Platzecks Worte um die Ohren hauen wird. In Sachsen-Anhalt, im Osten, im MDR-Sendegebiet, zur Landtagswahl, 2021. Ob die Politisch-mediale Klasse in D etwas daraus gelernt hat?

Albert Pflüger / 09.12.2020

Oho, Thilo Schneider, die Qualität der Beiträge scheint mit wachsendem Abstand zur FDP zuzunehmen!

Steffen Schwarz / 09.12.2020

Schön wär es. Keine Ahnung ob man dem BVG eine dementsprechende Meinung zutrauen kann. Dessen Rechtssprechung ist bisweilen schon umstritten. Na mal sehen. Aber in der Tat, ich bin schon gespannt wenn die AHA Schnuffeln im Tatort oder sonstigen Schmonzetten auftauchen. Der Mörder mit der Maske sozusagen.  Bzw ohne Schnuffel das istes ein Nazi, passt auch.

W. Kolbe / 09.12.2020

Die Alliierten hatten nicht daran gedacht, dass irgendwann eine Autokratin den öffentlichen Rundfunk zum Staatsfunk macht. Er wird demnächst aus einem Meinungsoli finanziert, was ja heute schon tatsächlich so stattfindet. Fazit schafft die Lücken- und Lügengesellschaften ab. Mit fairem Journalismus hat das Ganze nichts mehr zu tun.

Hubert Bauer / 09.12.2020

Gerade durch die verhinderte Beitragserhöhung könnte der Staatsfunk vielseitiger gemacht werden. Man könnte gezielt links-grüne Leute entlassen bzw. auslaufende Verträge nicht mehr verlängern. Nachdem es noch ein paar Liberale und Konservative beim Staatsfunk geben dürfte (Einzelfälle) würden diese zumindest im Verhältnis wieder mehr Einfluss gewinnen.

Christian Noha / 09.12.2020

Der größte Witz an der Sache: Die ehemalige KleineLeute-Partei namens EsPeDE schreit am Lautesten für Gebührenerhöhungen, um letztlich nur Luxuspensionen der Mitarbeiter (100 Prozent-Renten), milliardenteure Fussballrechte und Stargagen ihrer Moderatoren und Intendanten schön weiter bezahlen zu lassen. Aber wer Menschen wie Kai Gniffke (mit SPD-Parteibuch) installieren konnte, um erst die Tagesschau und jetzt den SWR weltanschaulich auf rot-grün zu trimmen, greift halt nach jedem Propaganda-Strohhalm, um den eigenen Untergang an der Wahlurne herauszuzögern. Insofern waren die letzten Wochen ein wunderbarer Offenbarungseid. Und warum man ausgerechnet bei einer sogenannten „Demokratieabgabe“ nicht selbst jährlich die öffentlich-rechtlichen Sender auswählen darf, die man als Staatsbürger individuell streamen möchte (zb. Phönix für 50 Cent, ARD 2 Euro, ein Drittes 1 Euro pro Monat), bleibt ein stalinistisches Geheimnis unserer rot-grünen Besser- und Belehrungsmenschen in den Sendebunkern. Aber selbst die Intendanten dürfen wir nicht selbst wählen, obwohl das ja „unser“ Fernsehen sein soll.

Heiko Stadler / 09.12.2020

Man stelle sich einmal vor, die Zeugen Jehovas würden von jedem Haushalt 17,50 Euro pro Monat verlangen - und das mit dem Segen des höchsten Gerichts. Schließlich sind die Zeugen Jehovas ja systemrelevant, zumindest behaupten sie es von sich. Man könnte jetzt einwenden, dass der ÖRR ja Sendungen produziert. Na und? Wem nützen die “Sendungen” und wer sieht sich denn diesen Mist noch an? Vor vier Jahren habe ich meine Satellitenschüssel in den Alteisencontainer gekippt und vermisse jetzt nichts. Also: Macht den Great Reset! Lieber ein Ende mit Schrecken für die schon länger hier Sendenden als ein Schrecken ohne Ende mit den öffentlich unrechtlich Gleichgeschalteten. Sorgt für eine bunte Vielfalt und verteilt die acht Milliarden an die vielen freien Medien!

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