Zu meinem Posting über die Teilnahme des Vatikans an der Durban-Konferenz (der Vertreter des Heiligen Stuhls hat, so weit ich weiß, auch nicht den Saal verlassen, als Mahmud Ahmadenidschad gegen Israel hetzte) gab es einige interessante Rückmeldungen. E.J. verglich ein Zitat aus meinem Posting:
„Übrigens: Bravo, Frau Merkel und bravo, Herr Steinmeier (ich hätte
nie gedacht, dass ich das sage) dafür, dass Deutschland Durban II
boykottiert“.
Mit einem Zitat aus einem Beitrag meines Freunds Henryk M. Broder:
„So weit sind wir also schon, dass wir unsere tiefe Dankbarkeit artikulieren, wenn Leute das tun, wofür sie bezahlt werden bzw. gewählt wurden: das Selbstverständliche.“
E.J. fragte, wie er sagt, „rhetorisch“: „Warum hat man bei einem solchen indirekten ‘Dialog’ den Eindruck, dass es weit weniger um die Sache als viel mehr ums Persönliche geht? (Beide Sätze ließen sich ja mühelos miteinander vereinbaren.) Ist Widerspruch oder auch nur abweichende Meinung auf der Achse in jedem Falle (mindestens) ein persönlicher Affront? Was die Achse sachlich aufbaut, schmeißt sie in ihrer emotionalen
Verbissenheit gleich wieder um. Schade eigentlich.“
Ja, da könnte man einiges zu sagen, aber ich habe Henryks Kritik der reinen Dankbarkeit nicht als Antwort auf mich verstanden. Ich hatte ja nicht von Dankbarkeit gegenüber der Regierung gesprochen, sondern hatte („lehrerhaft“ würden vielleicht einige Posener-Kritiker sagen) gelobt: „Bravo“. So wie man Schüler lobt, wenn sie das tun, was eigentlich selbstverständlich wäre, nämlich endlich mal den Kopf anstrengen.
Habe mich natürlich gefragt, WEN Henryk eigentlich meinte. Und nun weiß ich es. Im Infobrief der israelischen Botschaft lese ich heute: „Israels Ministerpräsident Binyamin Netanyahu hat den westlichen Staaten seinen Dank ausgesprochen, die sich zu einem Boykott der heute beginnenden UN-Rassismuskonferenz in Genf (‚Durban II’) entscheiden haben.“
Gut, man muss Bibi nicht mögen, obwohl ich ihm zugute halte, dass er einer der Architekten der Transformation Israels aus einem sozialistischen in ein kapitalistisches Land war. Nun ja, wie auch immer: ich hoffe, E.J. ist beruhigt.
Es gab auch heftige Kritik von katholischer Seite. Stellvertretend sei hier der Brief von C.K. zitiert:
„Lieber Herr Posener,
Ich dachte, nüchterne journalistische Recherche hielte der freudigen Erregung darüber stand, dass die eigenen Vorurteile vermeintlich bestätigt worden seien:
Die katholische Seite durchschaut sehr präzise, welches Spiel hier gespielt wird. Zum Christentum konvertierte Muslime wären die ersten, gegen die sich solcherlei Anti-Diskriminierungsgetue wenden würde. Warten Sie doch erst einmal ab, bevor Sie den Katholiken irgendwelche Gesinnungen oder Opportunismus unterstellen Sie wissen doch noch gar nicht, was der Vatikan beitragen wird.
Wie passen denn bitte schön Ihre Vermutungen hiermit zusammen:
“31. März 2009:
Der Heilige Stuhl ist mit der jüngsten UNO-Resolution zum Thema RELIGIÖSE DIFFAMIERUNG nicht einverstanden, da die augenscheinlich so begrüßenswerte Initiative tragische Konsequenzen nach sich ziehen könne: WENN STAATEN DARÜBER BEFÄNDEN, WANN RELIGIONEN DIFFAMIERT WÜRDEN UND WANN NICHT, WERDE LETZTLICH DIE RELIGIONSFREIHEIT ANGETASTET. Das betonte Erzbischof Silvano Tomasi, Ständiger Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in Genf. Die von Pakistan und anderen islamischen Staaten angestoßene ... Resolution verurteilt religiöse Beleidigung als Menschenrechtsverletzung. „Wir wissen gut, wie diese Gesetze in manchen Staaten benutzt werden, um RELIGIÖSE MINDERHEITEN anzugreifen - auch gewaltsam. Notwendig ist ein gesundes Gleichgewicht zwischen persönlicher Freiheit und Respekt vor anderen. Als Grundlage dafür reichen die Freiheitsprinzipien, die in den internationalen Abkommen festgeschrieben sind.” (Quelle: Zenit)
C.K. weiter:
“Abgesehen davon verstehe ich nicht, warum man eine solche Konferenz boykottiert anstatt hinzugehen und klar Stellung zu beziehen…
Zudem erscheint mir Ihre Kritik schal und vordergründig, hantieren Sie selber doch im Gegensatz zum Vatikan regelmäßig mit Begriffen wie “Islamophob”, die eine Gesinnung oder Überzeugung von vorneherein psychopathologisieren…“
Soweit also die Leserkritik, für die ich danke. Ganz gewiss habe ich ein wenig - na, sagen wir: undifferenziert - argumentiert. Aber ...
Um mit dem Letzten zu beginnen: Wie sie hier sehen können, redet der Vatikan sehr wohl von „Islamophobie“, und nicht nur davon, sondern auch von „Christophobie“, und zwar in einem Atemzug mit dem Antisemitismus.
Für Klickfaule hier Auszüge:
“Die Religionsfreiheit wirklich zu respektieren heiße, gegen ‘Christophobie, Islamophobie und Antisemitismus’ vorzugehen, betonte Erzbischof Dominique Mamberti, Sekretär des Heiligen Stuhls für die Beziehungen mit den Staaten, am Donnerstag in Rom. Dies sei der Weg, um jede Form von Diskriminierung und Verfolgung wirksam zu bekämpfen.
Erzbischof Mamberti brachte seinen Appell an der Päpstlichen Universität Santa Croce vor, wo er einen Vortrag über den ‘Schutz der Religionsfreiheit im gegenwärtigen Betätigungsfeld des Heiligen Stuhls’ hielt. Die Universität wird von Mitgliedern der Personalprälatur Opus Dei betrieben.”
Ud weiter:
“Der diplomatische Hauptstratege des Vatikans sprach auch die Bande an, die die Religionsfreiheit mit der Meinungsfreiheit verbindet. Diesbezüglich sprach er sich für ein ‘angemessenes Gleichgewicht’ aus, das die Ausübung beider Rechte gewährleisten könne.”
So viel also zur Recherche. Es sind solche Stellungnahmen, in denen von der Notwendigkeit eines „angemessenen Gleichgewichts“ zwischen Religionsfreiheit und Meinungsfreiheit gesprochen wird, die mich nach wie vor skeptisch stimmen. Auch in der Erklärung Tomasis in Genf ist von einem „gesunden Gleichgewicht“ zwischen Meinungsfreiheit und „Respekt vor anderen“ die Rede. Das heißt doch wohl im Klartext, dass die Meinungsfreiheit ihre Grenzen am „Respekt“ vor der Religion findet. Und man erinnert sich nicht nur daran, dass der Vatikan gemeinsam mit der höchsten Instanz der sunnitischen Muslime im Namen des „Respekts“ die dänischen Mohammed-Karikaturen verurteilte, sondern auch daran, dass er in einer gemeinsamen Erklärung mit einer iranischen Delegation unter Leiotung eines der wichtigsten Berater Ahmadenidschads sich dazu bekannte, gemeinsam mit den Schiiten für diesen „Respekt“ zu kämpfen.
Alles in allem glaube ich also, dass ich mit meiner Kritik an der Haltung des Vatikans zwar - wie gesagt - ein wenig undifferenziert argumentierte, aber ganz bestimmt nicht völlig falsch lag. Leider.
Mehr in meinem Buch, “Benedikts Kreuzzug”. Erscheint im September.