Susanne Baumstark / 07.11.2018 / 06:20 / Foto: Olaf Kosinsky / 9 / Seite ausdrucken

Der unverblümte Merz

Da jetzt der Run auf den CDU-Vorsitz und in der Folge aufs hoffentlich bald frei werdende Kanzleramt losgeht, darf man sich gerne an dieses Phoenix-Streitgespräch zwischen Friedrich Merz und Gregor Gysi am 28. Februar 2016 erinnern. Merz sagte zumindest damals unverblümt, das Land müsse sich schon was einfallen lassen, „um die schiere Zahl der Ankömmlinge zu begrenzen“. Denn man habe „unerträgliche Vorkommnisse in ganzen Teilen der Bundesrepublik Deutschland“, zum Beispiel in Köln und anderen Orten, die „wirklich nur schwer erträglich“ sind.

Und weiter traute er sich auszusprechen: Wir haben es mit einer Erosion des Rechtsstaats von oben (einige Bundesländer drücken sich davor, die Tätergruppen klar und deutlich beim Namen zu nennen) und von unten (bestimmte Bevölkerungsgruppen halten sich – aufgrund eines Vollzugsproblems oftmals unsanktioniert – systematisch nicht mehr an unsere Rechtsordnung) zu tun. „Die ganze Justiz in Nordrhein-Westfalen hat bis Anfang des Jahres Erlasse, Anordnungen gehabt, nicht festzustellen, nicht aufzunehmen, nicht in die Statistiken hineinzuschreiben, wo bestimmte Tätergruppen herkommen (Beleg für die Aussage). Das muss aufhören … Wir wissen, dass wir hier ein massives Problem mit Ausländerkriminalität haben.“ 

Der Rechtsanwalt fragte sodann, ob wir „überhaupt noch eine europäische Rechtsgemeinschaft“ sind – die Maßstäbe dafür hätten allen voran Deutschland und Frankreich ins Wanken gebracht. In Bezug auf lange Verfahrensdauer konstatierte er:

„Hier in Deutschland leisten wir uns einen Rechtsstaat und einen Rechtswegestaat, zu dem ja nun bedauerlicherweise unsere Berufskollegen im Anwaltstand nicht unerheblich beitragen, mit dem Weg rauf und runter durch die Instanzen, und wir haben es mit einer breiten politischen Blockade zu tun, gegen Versuche, zum Beispiel Asylverfahren schon in den Herkunftsländern zu begegnen. Und wenn dann die Betroffenen erst hier sind, dann gibt es eben aus bekannten Anwaltskanzleien die Anwälte, die sie durch sämtliche Verfahren und sämtliche Instanzen hindurch treiben, rauf und runter, und wenn dann zum Schluss abgeschoben werden soll, dann sind da auch Ärzte da bereitwillig, die Atteste zu erteilen, dass die Betroffenen nicht reisefähig sind … da gibt es dann eine geringe Konsequenz bei uns, immer wieder begleitet von mehreren gesellschaftlichen Gruppen.“

In manchen Einzelfällen mag das gerechtfertigt sein, in der Summe stelle es aber ein Problem dar. Parlamentarisch sei die Eindämmung der Auswüchse dieses Rechtsstaats regelmäßig an der SPD und den Linken gescheitert. Mit so einem wäre schon die Rückkehr der Vernunft in die Politik erreichbar. 

Nachtrag: Papier bestätigt Merz:

"Wenn einer weiß, was in Deutschland los ist, ... dann er. Hans-Jürgen Papier war acht Jahre lang Präsident des Bundesverfassungsgerichts ... 'Wehret den Anfängen! Denn es ist etwas ins Rutschen gekommen, wenn der Staat selbst auf gewissen Gebieten Recht nicht anwendet, ignoriert oder nicht durchsetzt', sagt Papier und führt aus: 'Es bringt nichts, so lange zu warten, bis nicht mehr gegengesteuert werden kann. Leider sind einige Erosionserscheinungen festzustellen, welche die uneingeschränkte Herrschaft von Gesetz und Recht betreffen, einen Wesenskern des Rechtsstaats' ... in der Fluchtmigration 'geltendes Recht nicht durchgesetzt wird.' Er bemängelt, dass es in Deutschland illegale Zuwanderung gibt und sich die Regierung nicht ans Recht halten würde ... Die Überlastung der Gerichte sei außerdem eine 'Erscheinung der drohenden Erosion des Rechtstaates'." 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Luftwurzel.

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Leserpost

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Frank Pressler / 07.11.2018

Ministerialblatt 2009 / Nr. 2 / 27.1.2009 / S. 20: Leitlinien für die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen; RdErl. d. Innenministeriums v. 15.12.2008: … 3. Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezuges zwingend erforderlich ist. … 6. Medienauskünfte enthalten nur dann Hinweise auf eine Beteiligung nationaler Minderheiten, wenn im Einzelfall ein überwiegendes Informationsinteresse oder ein Fahndungsinteresse dazu besteht.

C. Harnisch / 07.11.2018

Nur, was bringt es, wenn sie alle nur warnen und es so weiter geht, wie bisher?

Marc Blenk / 07.11.2018

Liebe Frau Baumstark, andererseits höre ich von diesem Herrn, der zu den ökonomischen Globalisierern zu zählen ist, kaum konkrete Vorschläge. Kurz hatte vor seiner Kanzlerschaft solche zum Thema Migration tatsächlich gemacht. Und dann nach und nach als Kanzler umgesetzt. Es ging also darum zu erklären, welche Gesetze wie geändert oder neu geschaffen werden müssten, dass der Spielraum für die Justiz kleiner wird.

Martin Stumpp / 07.11.2018

Liebe Frau Baumstark, ich verstehe ja, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Die Frage ist nur, was veranlasst Sie zu der Annahme, dass Herrn Merz nach wie vor zu dem steht, was er in dieser Diskussion gesagt hat? Und selbst wenn, wie soll er es durchsetzen, wenn Rot-Grün alles blockiert und Gerichte ihren Teil dazu beitragen? Abgesehen davon hat Frau Lengsfeld hier auf det Achse sehr eindrücklich dargelegt, warum sie der Ansicht ist, dass Herrn Merz der Mut fehlt. Ohne Mut ist aber nichts zu machen. Das Problem ist entstanden indem Gesetze ignoriert oder bis fast zum Brechen gebeugt wurden. Und nur auf die gleiche Weise besteht die vage Chance etwas zu verbessern. Allerdings gehört hier viel Mut dazu, zumal die Medien sich dann vermutlich wie Berserker auführen werden. Das in Kauf zu nehmen und das notwendige zu tun, dazu gehört Mut, es auszuhalten Stehvermögen. Ob Herr Merz beides in ausreichendem Maße hat? Ich bin da eher skeptisch. Ich bin mir sicher, dass Deutschland vermutlich ganz Europa mit all seinen Errungenschaften und Kulturschätzen verloren ist. Wenn die Steinzeitmuslime mit uns fertig sind, wird nicht mehr viel davon übrig sein. Ich hoffe, dass ich das Ende nicht mehr erlebe. Beste Grüße Martin Stumpp

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