Gastautor / 14.12.2018 / 06:14 / Foto: Pixabay / 16 / Seite ausdrucken

Der Unterschied zwischen gallischen und deutschen Rindviechern

Von Marcel-André Michel

Savoir vivre. Dieses Motto lebt man hier in Frankreich, ein Land, welches meine Familie seit fast 25 Jahren ihre Heimat nennt. In unserer Region, dem Elsass, zeigt sich die herbstliche Natur in ihren schönsten Farben und einer ganz besonderen Vielfalt. Die Feldwege sind unbefestigt, enden meist inmitten des Waldes und der einzige Weg zurück führt in die entgegengesetzte Richtung oder über eins der weiten Felder, von denen es hier eine Menge gibt.

Die Erfahrung der endenden Wege habe ich während einer Fahrradtour im September diesen Jahres sprichwörtlich wieder erfahren müssen. Mein kleines Navigationsgerät am Lenker zeigte nur noch ein großes Fragezeichen und der „Homme allemand“ stand, wie schon so oft, einem Ochsen gleich, vor dem elektrifizierten Weidezaun. In der Ferne entdeckte ich eine Straße und dies war jetzt mein Ziel.

Kein Problem für Männer mit knapp zwei Metern Körpergröße. Bicyclette rüber, ein großer Schritt und weiter geht’s. Und um an dieser Stelle eventuellen Verletzungen ähnlich aktiver Menschen unter 185 cm vorzubeugen, sei erwähnt, dass die Weidezäune in Frankreich großzügig mit der günstigen gallischen Energie befeuert werden.

Die Idee, das Feld zu überqueren, zeigte sich erhöht suboptimal, denn ich erblickte nach einigen Metern einen französischen Bullen, nein keinen Flic, sondern ein richtig dickes Rindvieh. Also Fahrrad und Fahrer zurück über den Zaun, um das vermutlich ausgewachsene Tier nicht zu reizen, denn es graste noch gemütlich und ohne Aggression in Hörweite.

Er schickte Methan-Geschenke gen Himmel

Und da sind wir am Punkt. Dieser Koloss von vermutlich einer Tonne Gewicht schickte Methan-Geschenke gen Himmel, die sich akustisch gewaschen hatten und deutschen Grünen das ökologische Lächeln aus den Gesichtern gezaubert hätte. Und derer nicht eine oder zwei, nein, der Koffer hatte vermutlich zum Frühstück Haferflocken mit Hülsenfrüchten genossen. Welch gehörnter Klimakiller.

Nachdem ich später wieder auf meinem Rad saß und die Abenteuerfahrt entlang einer französischen Vorstadt verletzungsfrei hinter mich brachte, wurden meine Gedanken wieder klar. Ich steckte die Rindviecher, die französischen Traktoren sowie Gerüche der gallischen Personenkraftwagen in mein gedankliches Passepartout. Und ich beschloss, das nervös bis hektische Luftschadstofftreiben in Deutschland am Abend telefonisch mit Paps zu besprechen.

Bei ihm bin ich da an der richtigen Adresse. Er ist bürokratisch belesen, kennt behördliche Winkelzüge aus dem FF und hat derzeit auch eines: keinen Kachelofen mehr. Die Wärmequelle meiner Jugend, welche in strammen Wintern 40 Kubikmeter gelagertes Holz in Stickoxide verwandelte, wurde stillgelegt. Also den Hörer ans Ohr und Papa ärgern. 

Mit gespielter Naivität fragte ich ihn, ob er denn wisse, dass es in Frankreich keinen Schornsteinfeger gibt!? Es folgte ein Stakkato bezüglich der schwarz gekleideten Pfeife mit Messgerät, welches er in den elterlichen Schornstein hängte, um anschließend zu verkünden. „dat wirt nix mähr middem alden Hobel!“

Papi öffnete die Deckung und ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass ich im Falle meines brennenden Hauses selbst verantwortlich zeichne. Womit er Recht hatte. Es wurde Zeit für eine verbale Gerade. 

Luftmessstation passen nicht in das Landschaftsbild

Ich wollte von meinem alten Herrn wissen, wie es denn um seinen Euro4 Diesel bestellt sei. Die Antwort zu dieser Frage war so umfangreich und akribisch, dass jeder meiner Blicke in die deutschen Leitmedien an diesem Abend unnötig wurde. Selbstverständlich gibt es auch in Frankreich Abgasgrenzwerte für neu zugelassene Kraftfahrzeuge und Abgasmessungen bei der hiesigen „Control technique“, dem Äquivalent zur deutschen HU. Der ländliche Asterix fährt seinen Peugeot 405 von 1987 allerdings mit gelben Frontlichtern, bis sich tatsächlich kein 68 PS Saugdieselrädchen mehr dreht. 

Und diese standhaften Kameraden mit der gelben Weste auf dem Beifahrersitz und der dampfenden Gauloises im Mund überholen mich regelmäßig auf den Landstraßen rund um Paris, natürlich mit dem üblichen französischen Abstand von knapp 30 cm und einer CO2-Wasweissichwolke. Da würde jedem deutschen Grünen der vegetarische Yufka aus dem Jutebeutel fallen. Im Übrigen habe ich während meiner ausgedehnten Stadt- und Landfahrten in und um Paris noch keine einzige Luftmessstation auffinden können. Passt auch nicht in das schöne französische Landschafts- und Stadtbild.

Aber wir waren bei meinem Papa. Es wurde langsam Zeit, die Rechte auszupacken und ich entschied mich für einen Haken. Ich schob ihm unter seine Strickweste, dass das Wasser hier teurer werden soll, aber sich die Gilets Jaunes auch hiergegen auflehnen. Es war Schnappatmung am anderen Leitungsende zu vernehmen, als ich ihm den neuen Betrag von 1,65 Euro pro Kubikmeter an die Backe wuchtete (in Deutschland teilweise über 2 Euro). Endgültig ins Wanken geriet er nach meiner Einlassung, dass es glücklicherweise in Frankreich keine Abwasserkosten gibt.

Auf mein gespieltes Gejammere über unsere Kinder, welche regelmäßig im Haus die Lichter brennen lassen und unsere persönliche Stromrechnung bei nunmehr knapp 10 Cent pro kwh explodiert (in Deutschland rund 30 Cent), kam sein Konter. Ich müsste während meiner Ausfahrten mit meinen bunten Drahteseln aufpassen, nicht mit einem Atomkraftwerk zu kollidieren, von welchen – die französische Energiepolitik ist immer noch darauf ausgerichtet – es in Frankreich doch an jeder Ecke eines gibt. 

Verrostete Kaliber 7,62 mm Hülsen auf dem Solardach

Ich erwiderte, dass unser Präsidentenmakrönchen etwas möchte, und im Ansatz ist dies auch nichts Schlechtes: die französische Energiewende. Es entstehen langsam aber stetig Windräder zwischen Pyrenäen und Line Maginot. französischen Champions gleich, ragen sie in die Lüfte, und auf den moosbewachsenen Dächern im Elsass finden die Monteure der Solarzellen regelmäßig verrostete Kaliber 7,62 mm Hülsen. Also tut sich etwas nach fast 80 Jahren.

Macron möchte es nur zu schnell, ist zu wirsch in seiner Handlung und macht sich bei Famille Leroc keine Freunde, wenn er in seinem Schlösschen auf Steuerzahlerkosten die Teppiche für 300.000 Euro austauschen lässt.

So, für Papchen war nun aber Zeit, schlafen zu gehen, und ich setzte zum K.O. an. Ich sagte ihm, dass wir im September ein Schreiben der französischen Finanzbehörden erhielten, nach welchem die hiesige Tax d’habitation (Wohnsteuer) sowie die Tax fonciére (eine Art Grundsteuer) für das Jahr 2018 um 30 Prozent, in 2019 um 50 Prozent gemindert und ab 2020 abgeschafft werden. 

Frei übersetzt entnahm ich der Erläuterung, dass hierdurch die Kaufkraft gestärkt und die geplante Energieverteuerung für Treibstoffe schmerzfreier gestaltet werden soll. Das kommt uns Hausbesitzern zugute. Vom französischen Mittelstand aufwärts sprechen wir hier von Beträgen über 1.500 Euro im Jahr.

Die energiepolitische Änderung in Frankreich ist eine gute Sache. Sie wird allerdings fast ausschließlich auf dem Rücken des ausgezehrten Gesellschaftsteils ausgetragen und entbehrt somit jedweder Legitimation. Von einer Abschaffung der oben genannten Steuern profitieren die Reichen, die Haus- und Grundbesitzer, also die Menschen, die in Frankreich gut und gerne leben. Ich habe Bekannte in meinem Freundeskreis, die Wohnungen in Paris vermieten. Niemand, und ich wiederhole NIEMAND, wird dort die Miete senken, obwohl er zukünftig weniger Steuern für sein Eigentum zahlen wird. 

Diese Umstände der Ungerechtigkeit treibt meine französischen Landsleute auf die Straße. Und beginnt die französische Bevölkerung damit, sich über eine Problematik zu ereifern, kommt alles Schlechte der letzten Jahre zum Vorschein. Ähnlich dem Verhalten des französischen Rindviechs. Da wird kräftig Luft abgelassen.

Marcel-André Michel. Geboren 1971 in Paris. Musiker mit Studium der modernen Musik. Familienvater. Lebt in Frankreich. 

Foto: Pixabay

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Andreas Mertens / 14.12.2018

Zwecklos dem daheim gebliebenen Michel-Vater Salz in seine Öko-Wunden zu reiben. Der Michel ist in der Hinsicht völlig schmerzfrei. Mehr noch. Selbst wenn es ihn schmerzt, der kriegt davon nie genug. Das ganze Land ist so eine Art ökologisch-politisch-korrekter BDSM Schuppen (vegan, halal und laktosefrei). Der Michel gehört nicht mit Schlafmütze und Nachthemd sondern in genieteter Ledermontur und mit Gag-Ball gezeichnet. Irgendwas ist dem Michel in seiner Jugend zugestoßen. Vielleicht hat ihn die Völkermama nicht genug lieb gehabt, vielleicht hat ihm der Pope im Chor auch gezeigt, was für ein guter Christ in ihm “steckt”. Sei’s drum. Der Michel hat einen irreparablen Knacks. Das wird nichts mehr. Zwar schaut er sehnsüchtig zum westlichen Nachbarn über den Zaun, wenn der sich die gelbe Weste überstreift und dem “König von Paris” die Hütte anzündet, aber mehr als träumen tut der Michel nicht.

Karla Kuhn / 14.12.2018

Herr Stoll, es stehen aber in dem Stall auch etliche “Esel”, die störrisch sind und es nicht schaffen wollen, sehr zum Ärger der Rindviecher.  Übrigens eine gute Idee von Ihnen das Fabelwesen zu aktivieren, denn wenn der Maulkorb zu groß werden sollte, können wir darauf zurückgreifen.

Helmut Driesel / 14.12.2018

Die Franzosen sind Energieverschwender besonderer Güte, wenn dort 25% des derzeit verbrauchten Stroms eingespart und in die Nachbarländer exportiert würde, mit denen Handels- und Leistungsdefizite bestehen, dann würden sich viele der Probleme von selbst erledigen. Ohne dass die Regierung dauernd neue Geschenke versprechen muss.

Bernhard Maxara / 14.12.2018

Frankreich braucht in erster Linie mehr Subsidiarität, ebenso wie in Italien. Ein Bürgermeister ohne einen zuverlässigen Draht nach Paris (oder Rom) hat sich mit der Reparatur seines Kanalsystems zu gedulden, bis der Unrat aus den Dachrinnen quillt u.v.a.m. Das sollte die erste gebetsmühlenartige Botschaft der schlauen Brüsseler Kommissare an diese Staaten sein, dann - d.h. nach ein paar Generationen - können wir von gemeinsamer Währung o.ä. nachdenken.

Michael Stoll / 14.12.2018

Diese renitenten Gallier aber auch, wer muss da nicht an Asterix und Obelix denken? Es gibt auch einen Unterschied zwischen ost- und westdeutschen Rindviechern, zumindest bei den älteren Ochsen. Der westdeutsche Ochse wird seit 50 Jahren am Nasenring an einer immer kürzer werdenden Kette nach links gezogen. Er hat sich daran gewöhnt und merkt es auch gar nicht mehr, da seine Sinnesorgane im Alter auch nicht mehr richtig funktionieren. Dem ostdeutschen Rindvieh ist seit einiger Zeit wieder dieser alte Stallgeruch aufgefallen, den er noch von früher kennt, als er in einer viel zu engen Box eingesperrt war. Der westdeutsche Ochse hält sein ostdeutsches Pendant für einen dummen störrischen Esel, der seine schlechten Angewohnheiten aus seiner vermeintlich niederen Herkunft bezieht. Dieser wiederum hält seinen Stallgenossen für einen, seinem Herrchen treu ergebenen, unterwürfigen Köter, der gerne mal den Schwanz einzieht und lieber den Mond anheult, anstatt den Hof zu bewachen. Beide stehen im selben Stall und haben sich daran gewöhnt, den schweren Karren zu ziehen. Das Herrchen sagt: “Wir schaffen das”, meint aber eigentlich: “Ihr schafft das schon”. Das Interessante an der Geschichte ist, dass das Stalldach bereits brennt, man es aber im Stall noch nicht wirklich merkt. PS: Ich habe Freunde und Verwandte in Ost und West. Mir ist bewußt, dass man nicht alle Menschen aufgrund ihrer Herkunft über einen Kamm scheren kann. Trotzdem fallen mir in der Masse Unterschiede auf. Mir liegt es fern, irgend jemanden zu beleidigen. Wer meint, ihm passe die Jacke nicht, möge sie sich bitte nicht anziehen.

Dietmar Blum / 14.12.2018

@ Anders Dairie: Wie auf dem Titelphoto demonstriert!

Hjalmar Kreutzer / 14.12.2018

Wie die Kuh popelt, ist schon faszinierend, aber sie hat ja Hufe, keine Finger. Die französischen Rindviecher bentzen einfach die Zunge, die teutonischen brauchen dazu vermutlich eine EU-Verordnung.

Harald Drings / 14.12.2018

Und das Sahnehäubchen ist: Der Pro-Kopf CO2-Ausstoß in Frankreich ist DEUTLICH geringer als in Deutschland, knapp die Hälfte. Bisher also war keine Energiewende die besse Energiewende.

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