Je näher der Termin zur Unterzeichnung des UN-Migrationspakts rückt, um so mehr Staaten wollen ihn nicht mehr unterzeichnen. Und um so mehr werden auch einige Hintergrundinformationen zu diesem Pakt bekannt. Wie der Publizist Wolfram Weiner berichtet, sind zwei der wesentlichen „Player“ beim Zustandekommen dieses Paktes Louise Arbour und die deutsche Bundesregierung.
Louise Arbour ist die UN-Sonderbeauftragte für Migration und gilt als „Mutter des Migrationspakts“. Und wo eine Mutter ist, da ist auch ein Vater. Das wäre dann wohl die deutsche Bundesregierung. Von ihr ging die Initiative zu dem Pakt aus, sie hatte die Federführung hinter den Kulissen, unter Deutschlands und Marokkos Vorsitz traf man sich bei mehreren Veranstaltungen des “Global Forum on Migration and Development” (GFMD), eines internationales Staatenforums für Migration und Entwicklung, das den Pakt wohl maßgeblich formuliert hat. Das Logo des GFMD enthält übrigens die Ländernamen Germany und Marocco sowie die National-Fähnchen der beiden Staaten und wird von deutschen Außenministeriums-Mitarbeiter Georg Klussmann geleitet.
In zeitlicher Hinsicht ist interessant: Das Amt des UN-Sonderbeauftragten für Migration wurde vom UN-Generalsekretär Antonio Guterres 2017 neu geschaffen. Die Übernahme des deutschen Vorsitzes im GFMD erfolgte ebenfalls 2017, begrenzt bis 2018. Man darf fragen, ob es hier mehr als nur einen zeitlichen Zusammenhang gibt.
Doch wer ist diese Louise Arbour? Bevor sie UN-Sonderbeauftragte wurde, war sie von 2009 bis 2014 Präsidentin und CEO (Geschäftsführerin) der International Crisis Group (ICG). Das ist eine private steuerbegünstigte Organisation, die sich mit internationalen Krisen beschäftigt. Sie unterhält Informantennetze, analysiert Konflikte und berät Regierungen und internationale Organisationen. Ein Artikel des Tagesspiegels aus dem Jahr 2010 nannte diese Organisation „eine Art privates Weltaußenministerium“ und bescheinigte ihr, daß keine andere Organisation auch nur annähernd so viel Einfluß auf die internationale Politik habe. So seien die Berichte der „Crisis Group besser, als das meiste, was ich aus dem Regierungsapparat bekomme“, wird darin etwa Richard Holbrooke, früherer Sonderbotschafter der Regierung Obama in Afghanistan, zitiert.
Und Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wird zitiert, daß die Vorschläge der ICG vielfach „direkt in die Verhandlungslösungen“ eingeflossen seien. Fischer selbst übrigens gehörte nach seiner aktiven Politikertätigkeit zur ICG. (Hinweis: Ob Fischer noch heute dazugehört, ist unklar. Auf der aktuellen ICG-Seite ist er nicht aufgeführt, auf der Internetpräsenz seiner eigenen Politikberatungsfirma ist er als Vorstand der ICG genannt; eventuell ist diese Seite aber veraltet, da auf einer zweiten Internetpräsenz die Tätigkeit nicht mehr genannt ist.)
Ein munteres Hin und Her zwischen UNO und ICG
Das ICG verfügt über ein Board of Trustees (Kuratorium/Leitungsrat), das vornehmlich aus früheren (Außen)politikern besteht. Aus Deutschland gehört derzeit zum Beispiel Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) dazu, früher auch Ex-Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU). Finanziert wird das ICG bezeichnenderweise zu circa 60 Prozent von der offiziellen „Konkurrenz“, nämlich von den Regierungen, auch von der deutschen. Im letztjährigen Haushalt 2017/2018 ist ausweislich des ICG-Finanzberichts (das nicht gerade für die Wahrung von Demokratie und Menschenenrechte bekannte) Katar der größte staatliche Finanzier, etwa 40 Prozent der staatlichen Zuwendungen stammen von dort.
Ansonsten wird die ICG von zahlreichen Stiftungen (zum Beispiel der Robert-Bosch-Stiftung und Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU), Unternehmen (insbesondere Ölfirmen wie BP und Shell und global tätigen Anwaltsfirmen wie Shearman&Sterling und White&Case), aber auch Einzelpersonen finanziert und unterstützt. Mitbegründer der ICG und der Hauptfinanzier der Gründungsjahre war George Soros. Über sein Open-Society-Stiftungsnetzwerk finanziert er auch heute noch die ICG mit, deren Board of trustees-Mitglied er ebenso ist wie sein Sohn Alexander Soros.
Aber zurück zu Louise Arbour. Vor ihrer Präsidentschaft bei der ICG war sie schon von 2004 bis 2008 in UN-Funktion, nämlich als UN-Hochkommissarin für Menschenrechte. In dieser Eigenschaft begrüßte sie zunächst uneingeschränkt die arabische Charta für Menschenrechte, die sich dem Kampf gegen den Zionismus verschrieben hat, um sich dann sehr halbherzig davon zu distanzieren. Jedenfalls hat sie sich als ausgewiesene Israel-Kritikerin einen Namen gemacht. Vielleicht auch ein Grund, warum Israel dem Migrationspakt nicht traut und ihn ebenfalls nicht unterzeichnen will. Vor der Tätigkeit als UN-Hochkommissar war Arbour wiederum seit dem Jahr 2000 Mitglied im Board der ICG. Also ein munteres Hin und Her zwischen UNO und ICG.
Wie eng die Verbindungen zwischen der UNO und der ICG sind, zeigen zwei weitere Beispiele: Drei Mitglieder des ICG-Boards sind 2017 in das beim UN-Generalsekretär angesiedelte, neu geschaffene UN-Beratungsgremium für Mediation (High-Level Advisoy Board on mediation) berufen, und zudem wurde ein früherer ICG-Vorsitzender zum UN-Sonderbeauftragten für Libyen ernannt. Was übrigens ganz offen von der ICG kommuniziert wird (siehe hier). Nur gehört und gelesen haben dürften davon bisher wohl die wenigsten.
Welche Rolle spielte das ICG beim Migrationspakt?
Die Initiative für den UN-Migrationspakt ging wesentlich von Deutschland aus. Auch die Erarbeitung desselbigen war wesentlich von Deutschland geprägt. Es hat den Anschein, als hinter den Kulissen organisatorisch alles so geregelt wurde, diesen Pakt möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit und störungsfrei zu entwickeln. Deutschland erhielt den Vorsitz für das „Global Forum on Migration and Development“, man kann annehmen, daß dies auf ausdrücklichen Wunsch Deutschlands geschah.
Zeitgleich wurde beim UN-Generalsekretär ein neues Amt für Migration angesiedelt und mit Louise Arbour eine (betont israelkritische) Person aus dem „Experten-Pool“ der privaten International Crisis Group (ICG) berufen. Welche Rolle dieses „private Weltaußenministerium“ (Tagesspiegel) beim Zustandekommen des Migrationspakts gespielt und welche Verbindungen es zur Bundesregierung gegeben hat, wäre ebenso aufklärungsbedürftig, wie die Frage, ob und welchen Einfluß Deutschland auf die Schaffung des neuen Amts der Sonderbeauftragten für Migration und die Personalauswahl genommen hat.
Und interessant wäre auch die Klärung der Frage, wer den Text des UN-Migrationspakts tatsächlich ausgearbeitet hat. Wie die Welt am Sonntag hier berichtet, hat Deutschland die Ausgestaltung dieses Paktes (wie auch des UN-Flüchtlingspaktes) durch Textvorschläge aktiv mitgestaltet. Wer ansonsten zu den Texten beigetragen hat und inwieweit die deutschen Textvorschläge tatsächlich originär aus deutscher (Ministeriums)-Feder stammen, wäre allerdings zu hinterfragen. Denn bekanntlich wurden wegen fehlender fachlicher Ressourcen oft genug ganze Gesetzestexte von weltweit tätigen Rechtsanwaltskanzleien und von Verbänden für deutsche Ministerien vorgefertigt (man denke nur an Gesetzesausarbeitungen der Kanzleien Freshfields und Linklaters zur Bankenrettung oder des Bankenverbandes bei den sogenannten Cum/Ex-Geschäften, siehe hier).