Es ist eine bittere Ironie: Ausgerechnet in Deutschland, das sich einst Freiheit, Gleichberechtigung und Selbstbestimmung auf die Fahnen schrieb, formieren sich Verteidigerinnen eines Symbols, das genau diese Werte untergräbt.
Die Rede ist vom Kopftuch – und von jenen, die es zur feministischen Errungenschaft verklären. Was viele dieser Kämpferinnen nicht verstehen – oder nicht verstehen wollen – ist die politische Dimension des Kopftuchs. Es war nie nur ein Stück Stoff. In weiten Teilen der Welt ist es ein Machtinstrument: aufgezwungen, kontrolliert, durchgesetzt.
Das Kopftuch als Befehl, nicht als Bekenntnis
Im politischen Islam ist es nicht Ausdruck individueller Frömmigkeit, sondern sichtbares Zeichen kollektiver Unterwerfung. Und dass ausgerechnet Deutschland – mit seiner gut organisierten, oft geschützten muslimischen Diaspora – zum Verstärker dieser Dynamik wurde, ist mehr als nur ein historischer Zufall.
Ein europäischer Export der Rückschrittlichkeit
Gerade die Türkei zeigt, wie solche Prozesse sich entfalten: Die religiös-konservative Wende ab den 1980er Jahren wurde nicht zuletzt durch Impulse aus Europa beschleunigt – insbesondere aus Deutschland. Hier lebte nicht nur die zahlenmäßig größte türkisch-muslimische Community Europas, hier fanden islamistische Bewegungen früh akademische Schutzräume, mediale Plattformen und staatliche Fördermittel.
Die neue deutsche Naivität
In Talkshows, Stiftungen und Universitäten wurde das Kopftuch zur kulturellen Identitätshülle verklärt – fern jeder historischen Realität und oft in erstaunlicher Ignoranz gegenüber den Stimmen von Exil-Iranerinnen, säkularen Türkinnen oder afghanischen Frauen, die genau davor warnten.
Von der Toleranz zur Mittäterschaft
Die neuen Islamversteher – oftmals Frauen – ob aus falsch verstandener Toleranz oder ideologischer Verblendung, wurden so zu unfreiwilligen Multiplikatorinnen eines Systems, das Frauen systematisch auf ihre Rolle als sittsame Trägerinnen religiöser Ideologie reduziert.
Ein Sommerbild sagt mehr als tausend Worte
Besonders sichtbar wurde dieser Wandel in den frühen 1990er Jahren: Wer damals im Sommer in die Türkei flog, konnte im Flieger beobachten, wie sich das Bild veränderte – plötzlich trugen auffallend viele junge wie ältere Frauen aus Deutschland Kopftücher. Ein Bild, das es in dieser Dichte vorher nicht gegeben hatte und in der Türkei schon gar nicht.
In der Türkei sagten die Menschen mit Fingerzeig: „Schau, wieder Almancı!“ – Deutschländer. Denn diese Kopftücher waren fest geschnürt und auffällig für das damalige Straßenbild. Viele machten mit – in einem Land, in dem „Was sollen die Nachbarn denken?“ mehr zählt als jede innere Überzeugung.
Ältere Frauen nutzten das Tuch in der Türkei einst noch praktisch: locker gebunden, jederzeit abnehmbar, auf dem Land eher traditionell – nicht religiös begründet, sondern gewohnt.
Haube unter dem Tuch – Kontrolle in zwei Lagen
Mit Organisationen wie Milli Görüş – damals in Köln, heute europaweit vernetzt – begann eine neue Etappe: Unterwerfung wurde systematisiert. Recep Tayyip Erdoğan stammt ebenfalls aus dieser Schule.
Es blieb nicht beim Kopftuch. Darunter kam ein weiteres Kleidungsstück zum Einsatz – das sogenannte bonnet, auf Deutsch: Haube. Eine textile Doppelschicht gegen jede Haarsträhne. Sicher ist sicher.
Parallel dazu wurden Bärte bei Männern Mode. Ich erinnere mich an die Hochzeit meines Cousins, die im Militärcasino stattfinden sollte. Ich wurde nicht eingelassen – mein Dreitagebart galt als Regelverstoß auf militärischem Gelände. Man drückte mir Rasierzeug in die Hand. Aus Trotz blieb ich fern. Das war 1995.
Der Widerspruch in Lack und Farbe
Ironisch ist: Die gleichen Frauen, die sich angeblich vor männlichen Blicken schützen wollen, treten gleichzeitig mit lackierten Nägeln, figurbetonter Kleidung und aufwendiger Kosmetik auf.
In Istanbul – etwa in bestimmten schicken Cafés am Bosporus – geben sich Kopftuchträgerinnen ein Stelldichein, als ginge es darum, wer mehr Blicke auf sich zieht. Ich kam beim Frühstück gar nicht mehr zum Essen – so sehr wurde ich zum Gaffer wider Willen. So viele hübsche Frauen. So viele Kopftücher. Der Widerspruch war nicht zu übersehen.
Mit Religion hat das nichts zu tun. Es geht um Kontrolle. Um ein System. Und um ein Frauenbild, das seine Freiheit selbst bemäntelt.
Freiwillig? Vielleicht. Informiert? Kaum.
Natürlich – einige tragen das Kopftuch freiwillig. Doch freiwillig heißt nicht informiert. Viele glauben, es müsse so sein – weil sie es nicht anders kennen. Wer es infrage stellt, wird schnell als unsensibel, intolerant oder gleich rassistisch abgestempelt.
Auch dieser Text hier wird manchen aufstoßen – nicht etwa wegen seiner Inhalte, sondern weil sie der Realität zu nah kommen. Ich erinnere mich an eine Szene in Berlin: Eine junge Türkin trug sexy Latschen, die Nägel knallrot lackiert – und ich fragte sie auf Türkisch, halb im Spaß: „Glauben Sie, das geht im Islam?“ Die Röte stieg ihr ins Gesicht. Keine Widerrede. Nur Schweigen. Vielleicht Erkennen. Wenn ihr Mann, der Vater oder die Brüder dabei gewesen wären, hätte man mich sicher im Krankenhaus besuchen können.
Deutschlands gefährliche Rolle
Dabei wäre eine ehrlichere Frage: Um wie viele Jahre hätte sich der politische Islam in der Türkei verzögert, wenn Deutschland nicht so bereitwillig als ideologischer Resonanzraum fungiert hätte?
Die Millionen, die das Schweigen kaufen
Das eigentlich Erschütternde: Die Organisationen, die man in einem laizistischen, freiheitlichen Staat kritisch hinterfragen – ja, verbieten – müsste, erhalten hierzulande Millionenbeträge an staatlicher Förderung.
Wer glaubt, Deutschland stelle sich gegen den politischen Islam, verkennt die Realität. Deutschland ist längst keine Bastion gegen islamistische Ideologie – wenn es das je war. Es ist ihr Rückzugsraum.
- Freiheit beginnt nicht mit dem Tuch – sie beginnt ohne Zwang
- Denn Freiheit heißt nicht, dass man das Kopftuch tragen darf.
- Freiheit beginnt erst dort, wo man es nicht mehr muss.
Ahmet Refii Dener, Türkei-Kenner, Unternehmensberater, Jugend-Coach aus Unterfranken, der gegen betreutes Denken ist und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite und bei Instagram.