Burkhard Müller-Ullrich / 13.03.2019 / 06:15 / Foto: Palickap / 43 / Seite ausdrucken

Der Treibhausgas-Feminismus

Jeder Mensch weiß, was für eine Plage Kinder sein können. Sie rauben Schlaf, Nerven und Geld, mitunter sind sie aufsässig und undankbar; schon sie zur Welt zu bringen, ist nicht ohne, und dann kommt dieses schreckliche Verantwortungsgefühl, das niemals, niemals aufhört. So wie ein Fluß sein Fließen nicht mal für eine Stunde unterbrechen kann, so ist Elternsein pausenlose Inanspruchnahme.

Man braucht sich keine Bücher zu kaufen, um das zu erfahren. Es genügt, Kinder zu haben. Aber niemand, der Kinder hat, würde denken, dass das Elternsein damit erschöpfend beschrieben wäre. Bloß: All das, was da fehlt, ist den Kinderlosen, die sich jetzt Kinderfreie nennen, gar nicht begreiflich. Genauso könnten Blinde mit der These auftreten, Farbe sei eigentlich etwas Überflüssiges, sie kämen ja auch ohne aus.

Die Überflüssigkeit von Kindern mit Umweltschutz zu begründen, stellt allerdings auf der Skala geistiger Perversionen einen neuen Rekordwert dar. Gewiss, der Selbsthass des Menschen durchzieht die gesamte Geistesgeschichte und hat zu bedeutenden Werken geführt. Sophokles ließ seinen Ödipus deklamieren, es wäre besser, nicht geboren worden zu sein. Zahllose Philosophen bis hin zum Meister-Misanthropen Schopenhauer schrieben Ähnliches.

Frech ist nur der Unterdrückte-Minderheiten-Gestus

Aber wer das Wunder des Lebens journalistischen Mode-Behauptungen in Sachen Klima unterordnet, sollte vielleicht wirklich keine Kinder bekommen. Die Entscheidung gegen das Kinderhaben steht ja jedem frei und soll hier auch kein bisschen kritisiert werden. Frech ist nur der Unterdrückte-Minderheiten-Gestus. Als ob Kinderlosigkeit, pardon: Kinderfreiheit bei uns nicht mehr und mehr zur gesellschaftlichen Norm würde.

Wir werden von einer kinderfreien Kanzlerin regiert, unser gesamtes Schul- und Sozialsystem ist für Kinder eine einzige Zumutung; und wer heutzutage noch gegen Abtreibung ist, wird scheel angesehen und als rechtsextrem geschmäht. Unsere Gesellschaft ist auf einem Single-Trip aus Selbstbestimmungsphantasien und Work-Life-Balance-Problemen, mit denen Eltern aufgrund dauernder Sorge und Inanspruchnahme gar nichts anfangen können.

Die Propaganda der Kinderlosigkeit entspringt auch dem Unvermögen, überzeitlich zu denken. Wer Kinder hat, transzendiert die eigene Gegenwart. Wer Kinder hat, sieht das eigene Alter, ja den eigenen Tod auf andere Weise. Kinder sind die Zukunft, vor deren Hintergrund das Gerede über Kohlendioxid überhaupt erst Sinn macht. Es ist ein bisschen lächerlich, wenn Autoren und Autorinnen in ihren Dreißigern glauben, über das Metaphysische verfügen zu können.

Foto: Palickap CC BY-SA 3.0, via Wikimedia

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Bernd Strobel / 13.03.2019

Die Frau ist bei der SPD. Wen wundert da noch was?

Hilde Maas / 13.03.2019

Die Art und Weise, wie diese „Lehrerin“ das Leben als solches zur Verfügungsmasse erklärt, ist zutiefst erschütternd. Dass dann öffentlich aber auch noch über die Intellektualisierungen dieser offenbar vom Todestrieb Besessenen ernsthaft nachgedachte wird, ist kaum weniger bestürzend.

J. Polczer / 13.03.2019

Irgendwie kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Autoren der Achse das Buch hier unbedingt verkauft sehen wollen, so häufig wie die bestenfalls als interessant zu bezeichnenden Thesen dieser Frau auf diesem Blog thematisiert werden. Ich fürchte, weder sämtliche Muttis und Vatis könnten mir einreden, dass ich jetzt unbedingt Kinder bekommen “Muss”, noch solch eine Person, dass ich “unbedingt keine bekommen DARF!” Ich halte es so: Freie Entscheidung, solange man selbst für die Kosten der Nachkommen aufkommen kann.

Gabriele Schulze / 13.03.2019

Wenigstens ist der Begriff “Volk” bähbäh inzwischen, sonst würden Kinder demnächst noch als Volksschädlinge diskriminiert.

Peter Fehlhaber / 13.03.2019

Dieser Frau Brunschweiger ist zunächst nichts vorzuwerfen. Sie wurde zu Selbstbestimmung und -Verwirklichung erzogen und war dazu ihr ganzes Leben dem aus den Medien triefenden Es-geht-alles-den-Bach-runter ausgesetzt. Warum sollte sie nicht 2 und 2 zusammenzählen dürfen? Auch ist es richtig, dass ihr Pamphlet hier besprochen wird, denn auf ihre Argumentation stoße ich ständig bei kinderlosen Frauen genau wie bei kinderlosen Männern. - Hier müssen grundsätzliche Fragen diskutiert werden. Je mehr wir wurden, desto besser ging es dem Einzelnen. Wenn dem so ist, kann dann gleichzeitig eine Überbevölkerung vorliegen? Je zivilisierter, entwickelter ein Land ist, desto mehr wachsen dort die Wälder und desto mehr nimmt die Biodiversität dort zu. Wie kann eine Umkehr der Entwicklung dann Vorteile bringen? Und schließlich zum Klima: Hier muss sich Frau Brunschweiger, die ja bestimmt keine dumme Frau ist, die Frage gefallen lassen, warum genau sie annimmt, dass Menschen eine Erderwärmung verursachen, und warum sie bis jetzt nicht versucht hat, die Datenlage für diese Basis ihrer Überzeugung zu googlen.  Eine Gymnasiallehrerin sollte dazu in der Lage sein. 

Patrick Kühnel / 13.03.2019

Frei nach Boileau-Despreaux: Keine Dummheit ist so groß, als dass sich nicht ein noch Dümmerer findet, dem sie als Weisheit taugt…

Peer Munk / 13.03.2019

Die Idee “ich schreib mal nen Buch mit krassen Thesen, damit finde ich vielleicht Beachtung, auch wenn es Müll ist” funktioniert offenbar nach wie vor.

H.Roth / 13.03.2019

Richtig! Die eigenen Kinder sind der primäre Grund, für die Zukunft zu kämpfen! Für WEN will die Autorin des Buches denn die Welt retten? Oder glaubt sie etwa den hinduistischen Märchen von Reinkarnation? Feminismus definiere ich schon lange als: weiblicher, intoleranter, herrschsüchtiger Egoismus. Auch hier wird wieder der Mann in seiner Vaterschaft ausgeklammert. Als ob Familienplanung nur eine Entscheidungssache der Frau ist ( Mein Bauch gehört mir, etc.)! Das ist doch weit entfernt von Gleichberechtigung. Mit ihren Aussagen versucht die Autorin sicher zu provozieren, Aufmerksamkeit zu erlangen und ihre Kinderlosigkeit als moralische Überlegenheit zu demonstrieren. Das Bedürfnis, es “besser gemacht zu haben” als alle anderen, steckt tief im Menschen drin. Ich würde das Buch als Schwachsinn abtun, wüßte ich nicht um die aktuelle Salonfähigkeit von Schwachsinn. Besonders die Wirkung auf junge Menschen darf man nicht unterschätzen. Heißt es jetzt noch “Fridays for Future” könnte es schon bald “No Kids for Future” heißen. Und wenn die Jusos jetzt schon die Legalisierung der Abtreibung bis kurz vor der Geburt fordern, dann möchte man sich gar nicht ausmalen, was auf diesem giftigen Boden noch gedeihen wird. Den “Kinderfreien” wird das wohl auch eher gleichgültig sein. MIR NICHT!

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