Johannes Eisleben / 11.12.2018 / 17:30 / Foto: Palickap / 47 / Seite ausdrucken

Der Todesschrei der abstürzenden SPD

Die SPD stürzt gerade ab, obwohl sie bei den nächsten Bundestagswahlen die 5-Prozent-Hürde wohl noch einmal schaffen wird. Ein Mensch, der von einer Klippe fällt, schreit einen verzweifelten Todesschrei. So schreit nun auch die verzweifelte SPD, der die Grünen, eine politische Sekte zur Verbreitung säkularer Heilslehren, den Rang als Volkspartei abgelaufen haben. Sie schreit nach einer Legalisierung der Werbung für Abtreibung, ihre Jugendorganisation fordert nun gar eine vollständige Legalisierung der Abtreibung und die Möglichkeit, bis zum 9. Schwangerschaftsmonat abzutreiben. Was hat das zu bedeuten und wie kommt man auf so etwas?

Die Abtreibung ist in Deutschland grundsätzlich illegal, laut §218a StGB in bestimmten Fällen aber straffrei, so dass seit der entsprechenden Gesetzgebung seit 1992 in Deutschland Millionen von Kindern legal abgetrieben wurden, allein im Jahr 2017 waren es 101.200. Die Abtreibung ist grundsätzlich strafbar, weil dadurch ein werdender Mensch getötet wird. Zwar ist ein Fötus vom Zeitpunkt der Zeugung an erst ab etwa der 28. Schwangerschaftswoche (Lungen funktionsfähig) ohne intensivmedizinische Maßnahmen als Frühgeburt mit guter Wahrscheinlichkeit überlebensfähig. Doch die Abtreibung widerspricht dem fünften Gebot “Du sollst nicht töten” und auch dem in Artikel 1 GG formulierten naturrechtlichen Grundsatz “Die Würde des Menschen ist unantastbar”.

Die Abtreibung eines sehr frühen Embryos – der sich noch nicht im Uterus implantiert hat – durch die Anwendung der “Pille für den Tag danach” (hochdosiertes Gestagen Levonorgestrel) oder durch den Einsatz eines Intrauterinpessars ist in ihrer Wirkung mit einem natürlichen Prozess in etwa vergleichbar, weil sich auch spontan viele Embryonen nicht implantieren und “abgehen”. Daher ist diese Art von Abtreibung straffrei. Allerdings ist die Abtreibung nach Beratung (§218a Abs. 4) sogar bis zur 22. Woche straffrei möglich. Zu diesem Zeitpunkt sind alle Organe des Fötus voll ausgebildet, bis zum eigenständigen Leben als Frühgeburt fehlen nur noch 6 Wochen. Ein solches Kind abzutreiben, bedeutet, mit Hilfe von Hormongaben eine Frühgeburt einzuleiten und das Kind zur Sicherheit mit Hilfe der Injektion einer kardioplegischen Kaliumchlorid-Lösung in die Nabelschnur durch Herzstillstand zu töten, damit es die Frühgeburt nicht überlebt. Verbleiben Teile der Leibesfrucht im Uterus, müssen diese danach noch operativ entfernt werden. Bis zur 14. Woche kann man das Kind auch einfach absaugen.

Selbstverwirklichung über alles

Die Jusos fordern nun eine Ausdehnung der straffreien Abtreibung bis in den 9. Monat. Die Vorgehensweise ist – wie oben geschildert – durch Einleitung einer Frühgeburt, allerdings wird der Geburtsvorgang für die Mutter immer extremer, und eine Tötung des überlebensfähigen Kindes ist unbedingt erforderlich.

Selbstverständlich darf es für Straftaten keine Werbung geben, daher verbietet dies §219a StGB. Die Forderung der SPD, den Paragraphen abzuschaffen, kommt daher einer Streichung von §218 sehr nahe, denn welchen Sinn macht es noch, einen Straftatbestand im StGB aufrecht zu erhalten, für den man werben darf? Man führe es sich vor Augen: Die SPD fordert wirklich, dass Werbung für einen Verstoß gegen das Gebot “Du sollst nicht töten”, einer der Säulen der menschlichen Vergesellschaftung, legalisiert wird. Und die Jusos fordern ernsthaft die Legalisierung der Kindstötung im 9. Monat.

In “Moral und Hypermoral” (1969) erläutert Arnold Gehlen, dass eine praktische Ethik sich stets aus verschiedenen Wertprinzipien zusammensetzt, die pluralistisch im Gleichgewicht zueinander stehen. Isaiah Berlin beschreibt die Gleichzeitigkeit sich teilweise widersprechender Werte wie Sicherheit, Gleichheit und Freiheit als Pluralismus (in “Two Concepts of Liberty”, 1958). Beide Denker betonen, das ethische Systeme und damit auch die Vergesellschaftung nicht funktionieren, wenn das Verhältnis der Werte aus den Fugen gerät.

Genau dies ist der SPD und den Jusos widerfahren. Denn in ihrem verzweifelten Schrei nach Aufmerksamkeit und Wählerstimmen setzen sie ganz und gar auf den Wert der Selbstverwirklichung, den sie mit der Vollendung ihres Emanzipationsprojekts gleichsetzen. Dabei verwechseln sie Selbstverwirklichung und Emanzipation mit einer Haltung, die man zutreffend als radikal-egoistisch-puristischen Sexualkonsum charakterisieren kann. Die Geschlechtspartner sollen die tiefste und schönste Form der Sexualität, die zweifellos bei der echten Kindszeugung erreicht wird, genießen, ohne die Verantwortung für den Akt der Zeugung neuen Lebens auf sich nehmen zu müssen: Genuss total ohne Verantwortung, das resultierende lebende Kind wird zum Wegwerfobjekt. Seine Biomasse kann zudem ökologisch einwandfrei entsorgt werden. Die SPD glaubt mehrheitlich, dass dies Wählern als Emanzipationsforderung plausibel erscheint und „fortschrittlich“ ist.

Dabei wird der Fundamentalsatz der Vergesellschaftung, das Tötungsverbot, einfach ignoriert. Diese Haltung ist ein sehr extremes Beispiel eines kollektiven Verlusts des pluralistischen Wertegleichgewichts. Dies ist Ausdruck einer tiefen Dekadenz und Übersättigung. Sie ist typisch für jenen Teil unserer Gesellschaft, der egoistische Individualrechte über alle anderen Werte setzt, bis hin zum Menschen als Biowegwerfmasse.

Foto: Palickap CC BY-SA 3.0, via Wikimedia

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Hans Bethe / 11.12.2018

Viele aktuelle Vorgänge in unserer Gesellschaft kann man nur noch durch abgrundtiefe Dekadenz erklären. Vielleicht muss das Land noch einmal kräftig “auf die Schnauze fallen”. Hans Bethe

Dieter Kief / 11.12.2018

Die Jusos zeigen deutliche Zeichen einer Wohlstandsverwahrlosung. Bernhard Schllink empfiehlt der SPD einen Denktank. Keine schlechte Idee, wie ich finde. Schlink sieht jedoch kommen, dass man die Probleme beim dafür notwendigen Umbau der Ebert-Stiftung mehr fürchtet als den nahenden Untergang selber. Es geht aber grad sowieso viel unter - auch Macron steht am Rand der Klippe. Wurde der nicht als Sozialdemokrat neuen Typs beworben?

Christoph Kaiser / 11.12.2018

Vielleicht sollte man diese politische Schnapp-Atmung als Offenbarungseid (oder wie R. Mausfeld sagen würde: “intellektuelle Selbstauskunft”) verstehen. Die SPD hat m.E. ihre Daseinsberechtigung nicht erst heuer verwirkt!

Matthias Böhnki / 11.12.2018

Lieber Herr Eisleben, 95% der gebürtigen Ossi-Frauen würden nach Lesen obiger Abhandlung den wahrscheinlich hoffnungslosen Versuch unternehmen, Ihnen mit einem Vorschlaghammer das Hirn munter durchzurütteln. Solch ein mittelalterlicher Text heute? Ich erspare mir darauf jegliche inhaltliche Entgegnung, außer: so einen Text kann nur ein Mann absondern; und: ich habe noch nie SPD gewählt, weil ich nie wußte, wozu es diese Partei braucht. Aber wenn obiger Punkt irgendwann mal der Knackpunkt einer Wahlentscheidung sein sollte, dann wird es das erste Kreuz bei den Roten. Abtreibung bis zum 9.Monat ist sicherlich völlig überzogen, aber grundsätzlich Strafbarkeit bei Abtreibung ist so etwas von vorgestern! Was schreiben Sie morgen? “Hexenverbrennung auch morgen noch notwendig”....... Als ob man mit dieser Merkel-Krampf-Knarrenhauer-Gedönserei nicht schon genug zu leiden hat…..................

Thomas Mende / 11.12.2018

Naja, kommt ja genug arbeitsfähiges erwünschtes Menschmaterial nach. Oder sehe ich da was falsch?

Karla Kuhn / 11.12.2018

Jugendorganisation, haben die schon mal richtig gearbeitet ??  “... bis zum 9. Schwangerschaftsmonat abzutreiben. ”  Ich weiß nicht, wie dieser unglaubliche Schwachsinn von Seiten der Justiz beurteilt wird, für mich ist das eine AUFFORDEREUNG zum MORD. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es einen Arzt gibt, der so einen Mord begehen würde !!  Ab sofort bin ich dafür, daß die Steuerzahler die Leute. die so etwas fordern nicht mehr alimentieren müssen. Überhaupt sollten Politiker nur noch nach dem Leistungsprinzip bezahlt werden.  Na ja, die SPD ist eh bald Geschichte.  STASI Methoden Im Kindergarten,  ABTREIBUNG bis zum NEUNTEN SchwangerschaftsMONAT, also Mord, sind nur zwei von IRREN Vorschlägen. Sind die krank im Gehirn, die so etwas in die Welt setzen ??  “Tiefe Dekadenz” , um es mit Westerwelles Worten zu sagen SPÄTRÖMISCHE Dekadenz.  Für mich ist das an Widerwärtigkeit kaum noch zu überbieten, ich schreibe kaum, weil in Deutschland anscheinend ALLES möglich geworden ist !  Hier wäre es die DRINGENDSTE Aufgabe von Steinmeier, Merkel, Karrenbauer und Nahles gegen diese UNGEHEUERLICHKEIT öffentlich vorzugehen und sich davon zu distanzieren !  WO bleibt der Aufschrei der Eckard Göring, die doch so rührig in kirchlichen Angelegenheiten tätig ist WO DER DER KIRCHE ??

Claudia Maack / 11.12.2018

Die nächste Konsequenz wäre, das Kind auch post natum abzutreiben, wenn’s die Mutter auf dem Weg zur Selbstentfaltung mit Geschrei und vollen Windeln behindert. Auch paternalistische Empfehlungen an junge Frauen bezüglich des Verhaltens in der Schwangerschaft (Rauchen, Trinken) sollten unterlassen werden. Sollten Alkohol und Nikotin beim Kind dennoch Spätfolgen zeitigen, wird es sicher auch hier einen SPD-Vorschlag geben.  Neun Monate sind schließlich nur eine von der Biologie willkürlich gesetzte Grenze - der muss man sich als fortschrittliche Volkspartei nicht unterordnen. Da geht noch was.

Gabriele Schulze / 11.12.2018

Ja, Verzweiflung bis zur kompletten Haltungslosigkeit - hysterisches Absuchen nach Themen, mit denen man noch was reißen kann - bis zur Preisgabe eines fundamentalen Konsenses. Erbärmlich!

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