Michael Ludwig, Gastautor / 07.11.2020 / 06:15 / Foto: Pixabay / 88 / Seite ausdrucken

Der Tod der Selbstständigen

Von Michael Ludwig.

Corona ist nicht mein Lieblingsthema. Es zehrt an meinen Nerven, es zehrt an meinem Wohlstand und es zehrt in vielerlei Hinsicht an meiner Zukunft. Nero soll Rom angezündet haben, doch selbst diese Legende, die unter „Neros Wahn“ abgetan wird, kann an Dekadenz und Wahn nicht mit unserem Berliner Adel der Großen Koalition mithalten. Corona ist zu einem moralischen Gift mutiert, dessen Wirkung sich darin äußert, Heldenmut zu beweisen. Nach 75 Jahren Frieden sind deutsche Politiker friedensmüde geworden. Nun soll bis zum letzten Mann Leben gerettet werden, koste es, was es wolle, ohne Rücksicht auf Verluste. Churchills Speech ist Schnee von gestern, die Zeit der GroKo-Politiker ist gekommen. Doch es muss auch über die „forgotten sons“, über die Gefallenen gesprochen werden, die in die Schlacht gegen Corona unter der Führung der heldenhaften Politiker gezogen sind (und ziehen müssen), die nur allzuoft von den Geschichtsbüchern vergessen werden. Das möchte ich hiermit erledigen.

Was macht der maßnahmenbetroffene Unternehmer, der über 50 Jahre alt ist und seiner Rente entgegensteuert? Lässt er sein Unternehmen pleite gehen, verlieren seine Angestellten ihre Arbeit. Die können in ihrer Branche keinen Fuß mehr fassen, da die ganze Branche brachliegt. Der Grad der Qualifikation bestimmt in der Regel, welchen Lohn jemand auf dem Markt erzielen kann. Doch sind Qualifikationen in Deutschland meist nur in der eigenen Branche anwendbar. Der Grund liegt oftmals in der Spezialisierung der Branchen. Ergo wird der arbeitslose Arbeitnehmer entweder keinen Job finden oder einen Job, den er nie wollte beziehungsweise in welchem er weniger Lohn erzielen kann. Das wirkt sich beispielsweise auf seine Rente aus. Hat er nun auch noch drei Kinder und einen Hund, bleibt am Ende des Gehalts noch zu viel Monat übrig.

Selbst Singlehaushalte sind mit weniger Geld schon schwer genug zu bewältigen. Wie es das Schicksal will, geben Haushaltsgeräte den Geist auf oder das Auto muss in die Werkstatt. Doch ohne Auto kommt der Mensch nicht oder nur schwer zu seinem neuen Arbeitsplatz. Stürme, Unwetter und Aktivisten bringen die Bahn zum Stillstand. Bei der dritten Verspätung in der Probezeit ist auch dieser Job weg. Was dann? Reichen 60 bis 67 Prozent des letzten Nettos beim Arbeitslosengeld? Kann dieser Mensch noch schlafen? Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat diese Situation? Verfällt der Mensch womöglich in den Alkoholismus oder stürzt in Depressionen?

Tolles Szenario, oder?

Was ist mit dem Ü50-Unternehmer, der sein Unternehmen retten will? Die Staatshilfen reichen hinten und vorne nicht, wenn man keine AG ist. Er muss sich entscheiden: Schließt er nun sein Lebenswerk, sein Familienunternehmen? Ist er der, der in vierter Generation das Unternehmen schließen muss? Vor dem Abendessen schaut er mit Tränen in den Augen hinauf auf das Bild seiner Großeltern, das auf dem Kaminsims im Wohnzimmer, das schon zwei Kriege überlebt hat, steht. Er spricht zu ihnen: „Ich möchte nicht der sein, der unser Familienunternehmen verliert, der den alteingesessenen Familiensitz verkaufen muss. Vater sagte einst zu mir, dass ich nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt bin, dass ich alles verlieren werde, das über Generationen aufgebaut wurde. Ich habe viel Schweiß und Blut investiert, ich hatte zwei Infarkte und 2017 konnte ich den größten Umsatz unserer Unternehmensgeschichte einfahren. Drei Jahre später bekommt Vater recht. Obwohl er sich doch geirrt hatte. Meine liebe Frau, meine lieben Kinder, sie wissen nicht, wie schlecht es um uns steht. Oma, Opa, was soll ich tun?“

Beim Abendessen bekommt er nichts runter außer den Cognac vom Aldi. Am nächsten Morgen beschließt er, zur Bank zu gehen und einen Kredit aufzunehmen. Es ist wirtschaftlicher Selbstmord. Die Bank möchte ihm aufgrund seiner Selbstständigkeit keinen Kredit gewähren. Die Bank verlangt Sicherheiten, das Haus, das Auto. „120.000, mehr nicht“, heißt es. Er denkt sich: „Ich brauche allein 60.000, um die Schulden bei meinen Zulieferern zu bezahlen!“ Er steigt in seinen Wagen, dreht den Zündschlüssel, das Auto startet und es gibt einen lauten Schlag. Die Nockenwelle ist gebrochen, und die Kolben zertrümmern die Ventile. „Scheiße!“, ruft er, greift sich krampfhaft an die linke Brust, atmet schwer. Nach fünf Minuten wird er blass, seine Augen verlieren das Licht. Der rechte Arm rutscht von seiner Brust in seinen Schoß. Gegen 14 Uhr erhält seine Frau einen Anruf von der Polizei. Sie bricht zusammen. Am Abend wird sie ihren Kindern erklären müssen, wo Papa ist.

Tolles Szenario, oder? Es ist nur ausgedacht, doch ich befürchte, dass darin mehr Realität steckt, als uns lieb ist. Es muss nicht immer gleich so enden, doch egal, wie es endet, viele Millionen Menschen sind in diesem Land, auf Deutsch gesagt, am Arsch. Beim vergangenen Lockdown wurden Soziolog*InnenX befragt, wie sich das ständige Aufeinanderhängen sozial auswirkt. Back to the 50s wurde prognostiziert. Jedwede Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ginge nun verloren. Doch wo sind die Politikwissenschaftler und Soziologen, die sich sonst nie zu schade sind, den sozialen Untergang vorherzusagen, in der Coronazeit?

Doch nun kam der Hochmut in unsere Regierungen 

Ein durchschnittlicher Ü50-Selbstständiger besitzt für seine Altersvorsorge beispielsweise Lebensversicherungen, die inzwischen die versprochene Summe nicht mehr auszahlen können. Sein angelegtes Geld verliert an Wert, und wenn er das Pech eines langen Rentenlebens hat, wird das Geld vermutlich nicht reichen. Selbst die freiwillige Einzahlung in die gesetzliche Rentenversicherung wird nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Das alles wohlgemerkt ohne Corona, sondern durch übliche falsche Politik, wie wir sie seit Jahren erleben. Nun kam aber Corona, und mit Corona kamen Maßnahmen. Ich hatte vollstes Verständnis für die Maßnahmen, habe sie dennoch stets kritisch hinterfragt. Bis zum Sommer hatte ich sogar noch ein gewisses Vertrauen in Politiker wie Jens Spahn. Doch nun kam der Hochmut in unsere Regierungen. Und dieser kommt bekanntlich vor dem Fall.

Der durchschnittliche Ü50-Unternehmer muss entweder pleite gehen oder Kredite aufnehmen, die das kompensieren müssen, was der Staat versprochen hatte. Doch wenn man nur noch zwischen fünf und 15 Jahre zu arbeiten hat, kann man sechsstellige Kreditsummen als Normalsterblicher niemals zurückzahlen. Entweder ist man gezwungen, noch länger zu arbeiten oder die Rente geht dafür drauf. Und es ist nicht gesagt, dass das Unternehmen nicht doch noch pleite geht.

Verlieren diese Menschen ihre Rente, werden sie in die Armut rutschen. Sie haben oft keine gesetzlichen Rentenansprüche. Ihre Altersvorsorge wurde durch falsche Politik und überzogene Maßnahmen zunichte gemacht. Privatinsolvenzen auf Arbeitgeber- sowie auf Arbeitnehmerseite werden steigen. Arbeitnehmer werden weniger verdienen als vor der Krise, da ihre Arbeitgeber aus dem Markt ausscheiden. Armut wird sich in Teilen der Gesellschaft breitmachen, die niemals davon betroffen gewesen sein dürften. Denn diese Teile sind genau jene, die den Sozialstaat am Leben halten. Die Kaufkraft wird sinken und sich damit auch auf die Konjunktur auswirken.

Muss das alles wirklich so düster ablaufen? Ich weiß es nicht, das kann keiner wissen. Vielleicht haben wir mehr Glück als Verstand, doch es warten weitere Schläge auf uns. Eurokrise, Finanzkrise, Vertreibung der Automobil- und Schwerindustrie, Kohleausstieg, ein deutschlandweit versäumtes Schul- und Lehrjahr. Während die Normalsterblichen, die auch von den „Intellektuellen“ vergessen werden oder unzureichend dargestellt werden, ihrem sozialen Tod entgegengehen, feilen Merkel, Lauterbach und Co. erfolglos an ihrem nachgeahmten Churchill-Heldentum. Die GroKo in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf.

 

Michael Ludwig (23), gelernter KFZ-Mechatroniker, studiert Politikwissenschaften und Soziologie.

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Karlheinz Patek / 07.11.2020

Der arme Hr. Ludwig macht es schon richtig. Mechatroniker braucht in 10 Jahren kein Mensch mehr, den troniker vielleicht, den Mecha ganz sicher nicht mehr. Also was tun? Geschwätzwissenschaften können die Lösung sein. Es wird sich schon eine steuerfinanzierte Anstellung irgendwo finden wo sie dann mit ihrem erweiterten Tellerrand (@Bernd Weber, haha) den noch verbliebenen Mechatronikern und Anderen die wahren Gesellschaftsprobleme in irgendwelchen Talkshows erklären können. Nur, an der Haltung muss noch gearbeitet werden. Hoffentlich wirft man ihnen nicht eines Tages vor dass sie , “jaaa, sie haben doch damals bei ACHGUT diesen Artikel verfasst, wie stehen sie denn heute dazu…?” Also Vorsicht, in so einem Revoluzzerblatt zu schreiben kann Reibung verursachen.

Hans-Peter Dollhopf / 07.11.2020

Herr Lindner, Sie schreiben: “Wacht auf Verdammte dieser Erde, die stets man euch[noch! nicht: euch] zum Hungern zwingt. Es zwingt die Verdammten dieser Erde in Wirklichkeit keiner zum Hungern.” Der ursprüngliche Text der “Internationale” wurde 1871 in Paris geschrieben. Wie auch Sie vielleicht mitbekommen haben, hat sich in Westeuropa seither einiges entwickelt. Da Sie Ihre Kritik daran aus heutigen Maßstäben ableiten, denke ich, dass Ihnen einfach die zeithistorischen Informationen im Zusammenhang mit der Entstehung fehlen. Kann das sein?

Roland Müller / 07.11.2020

Bei der Groko in ihrem Lauf müsste der Ochse den Esel aufhalten oder umgekehrt.

Boris Kotchoubey / 07.11.2020

Wenn man schon Soziologie und Politikwissenschaft studiert, dann hilft das Studium der Politik Stalins. DIESER ist das große (wenn auch geheime) Vorbild. Nicht sein Terror von Ende der 1930er Jahre, sondern seine geniale Politik vom Ende 1920er - Anfang 1930er: Eine planmäßige, vorsätzliche Zerstörung der eigenen, damals florierenden Wirtschaft, das gewaltsame Treiben der Bevölkerung von einem europäischen Wohlstand in eine afrikanische Hungernot - und dies in weniger als 5 Jahren! 8 bis 12 Millionen Menschen verhungern, dafür erreicht man/fru eine ABSOLUTE Macht! Das Ziel heiligt die Mittel.

Charles Bûler / 07.11.2020

Klarer Blick auf das, was die Menschen wirklich bewegt, wenn sie das Staatsfernsehen ausschalten

Hans-Peter Dollhopf / 07.11.2020

Herr Hollkott, Sie schreiben: “Guter Artikel - und dann diese Enttäuschung.  Ein gelernter Mechatroniker studiert jetzt Soziologie und Politikwissenschaften.” Haben Sie auch überlegt, ob der Artikel vielleicht deshalb gut ist, WEIL der gelernte Mechatroniker Soziologie und Politikwissenschaften studiert? Immer nachdenken, Herr Hollkott.

Hans-Peter Dollhopf / 07.11.2020

Die Gleichgültigkeit der Masse von vor einem halben Jahr noch freier Menschen gegenüber ihrer aktuell stattfindenden Unterwerfung zeigt, dass sie die rechtsstaatliche Demokratie nie begriffen haben, obwohl manchen vielleicht sogar ein paar Schulstunden darüber in ihren jungen Jahren gegönnt worden waren. Der wahre Souverän scheint politisch vollkommen degeneriert zu sein. Herr Ludwig nun studiert Politologie und Soziologie. Zu meiner Zeit wurde die Politikwissenschaft noch von Professoren des Kalibers eines Peter Graf von Kielmansegg gelehrt. Wenn man bei solchen Lehrern nach der Vorlesung im Seminar sitzt, eine Hausarbeit schreibt und dann vortragen muss, lernt man nicht nur Politikwissenschaft.  Es gibt hier ein paar Leserbriefe, die sich sehr altklug über diese Wissenschaften und ihre Betreiber auslassen, welche doch in Wirklichkeit vermögen, einem konkret beibringen, wie das zu beurteilen ist, was die herrschende Politik gerade veranstaltet. Wie gesagt, die Masse erkennt es offensichtlich nicht. Ich empfinde darum einige Leserbriefe hier, ich will nicht beleidigend gegen sie werden, wie sie gegenüber dem Autor,  und sage darum nur: merkwürdig!

Werner Arning / 07.11.2020

Neulich hörte ich von einer Krankenschwester, dass man immer mehr Betten für Patienten nach erfolglosen Selbsttötungsversuchen zur Verfügung stellen müsse, wohingegen die für Corona-Patienten reservierten Betten zumeist frei seien. Könnte dieses einen Trend darstellen?

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