Hubert Geißler, Gastautor / 07.09.2020 / 12:00 / Foto: Pixabay / 34 / Seite ausdrucken

Der Tag, an dem mein Bruder die Bank beriet

Mein Schrauberbruder hat im Verlauf seines Schrauberlebens so eine Art pathologisches Vermögen angesammelt. Das Bett für die freien Tage stand bei meinen Eltern, das Bier und das Schnitzel bezahlte – wenigsten in den goldenen Jahren des vergangenen Jahrhunderts – die Auslöse, teilweise gab es einen Dienstwagen, und der Blaumann wurde auch gestellt. Wofür also Geld ausgeben? Mein Bruder hat einen ausgeprägten Spieltrieb, so würde ich das nennen, und fing schon früh an, sich für die Börse zu interessieren.

Natürlich wurde auch Lehrgeld bezahlt, aber es kam auch zu Glückstreffern, wie dem VW-Shortsqueeze seligen Gedenkens, wo die Aktie plötzlich gegen tausend Euro schoss. Mein Bruder hat rechtzeitig verkauft und umgerubelt. Wie jeder Spieler ist er ungewöhnlich gut über Trends und Kennziffern informiert und man kann sagen, er kennt die Analystenszene, weiß, wem da zu trauen ist und wer nur heiße Luft von sich bläst.

Langer Rede, kurzer Sinn: Fleiß, schwäbische Sparsamkeit und „fortune“, wie der Alte Fritz sagen würde, haben zu einer gewissen Kapitalansammlung geführt, immerhin so groß, dass das Interesse seine Hausbank geweckt wurde. Seitdem erhält er so alle halbe Jahre eine Einladung zu einem vertraulichen Beratungsgespräch mit seiner persönlichen Bankerin, oder „key account managerin“, wie man das heutzutage nennt. Wie er versichert, ist die durchaus eine kompetente junge Frau, mit der er sich gerne unterhält. Obwohl das Investionsvolumen, das infrage steht, nicht exorbitant ist und mein Bruder sich ohnehin auf eigene Intuition und Recherchen verlässt, dauerte das letzte Gespräch fast eineinhalb Stunden. Mein Bruder ist nicht beratungsresistent: Er kauft vor Corona auf Empfehlung der Analystin einen asiatischen Medizintechnikfonds. 

Er steht Elon Musk eher positiv gegenüber

Wenn es ums eigene Geld geht, klärt sich manche Position. Die Beraterin schlug Investitionen in Umwelttechnik vor. Vermutlich Windräder. Mein Bruder lehnte dankend ab. Dito Wasserstoff: „Zu geringer Wirkungsgrad, da sind ja sogar Elektroautos noch besser.“ Dazu die Anmerkung, dass die Analystin wohl von technischen Faktoren wie „Wirkungsgrad“ keine Ahnung hat.

Interessanterweise steht mein Bruder Elon Musk eher positiv gegenüber mit einem interessanten Argument. Das Entscheidende an Tesla wäre nicht das Elektroauto – von dem hält er nur begrenzt was (Zweitwagen für die Zahnarztgattin, wenn ein Diesel in der Garage steht) –, sondern doch das autonome Fahren. Für ihn ist es eine Frage der Zeit, bis der Güterfernverkehr auf diese Art läuft: „Keine Ruhezeiten, die Karre brummt 24 Stunden am Tag. Gibt eh keine Fahrer.“ „Und: „Autonom fahren kannst du auch mit einem Diesel!“

Vom Diesel hält er eigentlich viel, glaubt aber, dass die Grünen ihn kleinkriegen werden. Investiert ist er in ein deutsches Start-Up, das sich mit Datenübertragung per Laser beschäftigt. Überhaupt, wer hat´s gesagt: „China, China, China!“ Ich glaube, Kiesinger war’s. Gunnar Heinsohn auch. Mein Bruder befürchtet eine Tendenz zur Deindustrialisierung in Deutschland, aufgrund von Koboldeinwirkung. Oder einem Aufprallen der Energiewende an die Wand, wenn nicht gar „Licht aus“.

Deshalb ist seine Devise: Wegdiversifizieren vom DAX. Ein lustiges Detail: Der Erwerb von Gazprom-Aktien sichert die Heizkostenrechnung, und unlängst wurden BAT-Aktien (Zigaretten) gekauft: „Heit han I scho die Kippen fir a halbes Jahr rausgholt!“ (O-Ton). Man sieht hier fast den schwäbischen Hausmann am Wirken.

„Solang isch alles o.ke.“

Beim Beratungsgespräch hat die Bankerin wohl mehr mitgeschrieben als mein Bruder. „Gefragt, ob er für seine Beratung Geld verlangt hätte, als Orakel von…, verneinte er. „man muss die jungen Menschen unterstützen.“ Zur politischen und gesellschaftlich Information empfahl er „Achgut“. Mal sehen, ob’s fruchtet. Und: „Solang mir onser Grangcrüschorle honn, solang isch alles o.ke.“

Ganz nebenbei: Ein Thema, über das sich mein Bruder geradezu ereifern kann, ist die geplante Finanztransaktionssteuer. Das Konzept klingt erst mal gut. Der Hochfrequenzhandel soll unattraktiv gemacht, die Attraktivität stabiler Investments gesteigert werden. Die Erträge sollen Rentenempfängern zukommen, die Not leiden – und das sind nicht die wenigsten. 

Doch die konkrete Ausgestaltung der Abgabe hat mit der ursprünglichen Intension nicht mehr viel gemein. Betroffen sind hauptsächlich die Kleinsparer, die man einerseits in Aktienanlagen als Altersvorsorge lockt, andererseits steuerlich bestraft. Hochspekulative Anlagen wie Derivate und Intraday-Handel bleiben außen vor. Außereuropäische Börsen werden nicht erfasst und institutionelle Anleger ebenso, wie man hört. 

Also wieder der klassische Beschiss auf dem Rücken des „kleinen Mannes“, groß als Schröpfung des Kapitals angekündigt. 

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Leserpost

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Alexander Rostert / 07.09.2020

@F. Auerbacher: Ein Grand-Cru-Schorle :-)

Bernd Große-Lordemann / 07.09.2020

Der Ausdruck “Grangcrüschorle”  (Grand-Cru-Schorle?) für den empfundenen (noch)Zustand unserer Wirtschaft, der hat eijentlich wat rheinisches an sich! Aber die Empfehlung, sich aus dem Dax heraus zu diversifizieren, bekommt kurz vor der nächsten Wahl vermutlich “nachhaltig” Rückenwind!

Thomas Taterka / 07.09.2020

Herr Geissler! Recht lange Zeit in meinem Leben habe ich ” Bildung ” an Menschen verkauft, die sie nicht hatten und, meistens, dringend gebraucht haben. Darunter waren auch sehr viele Lehrerinnen und Lehrer. - Lassen Sie es mich so sagen: Niedliche Mädchen und aufgeweckte Jungs waren mir lieber. Eindeutig mehr Spaß, wenn auch häufig knapp bei Kasse. Manchmal habe ich Reclamausgaben verschenkt. Vorzugsweise Shakespeare, damit das Eisgeld reicht. ” Don’t take life too seriously, ‘cause you can’t get out of it alive. ” - Übrigens : 5,5 galt im Eiskunstlauf als ” sehr gut”. Als Versöhnungsgeste gegen das böse Blut biete ich eine symbolische Zigarette unter dem heiteren Dach von YouTube an : ” Hungaria ” mit Bireli Lagrene und Josho Stephan. Ist ja ein schöner Tag! Freundliche Grüsse.

Hubert Geißler / 07.09.2020

Grand-Cru-Schorle. Teurer Wein mit Wasser gemischt. ironsich gemeint. Das Gespräch hat eineinhalb Stunden gedauert. Mein Bruder wäre sicher auch früher gegangen, denke ich. Natürlich sind Bankberater Verkäufer, aber deshalb können sie ja doch an anderem interssiert sein. Der Dialekt ist ein Versuch, den des bairischen Schwaben zu lautieren. Bei Schwäbisch generell schwierig. A votre sante, Hubert Geißler

Karl Hans Bauer / 07.09.2020

Ich habe vor vier Jahren die Finanzierung meines Hauses neu geregelt, der junge genossenschaftliche Bankangestellte, Bänker oder Bankkaufleute sind doch etwas anderes, hat mir dann erklärt, dass ich mir mein Haus nach dem Eintritt in den Rentenstand nicht mehr leisten kann. Er wäre verpflichtet, mich nach der europäischen Verbraucherkreditlinie darauf hinzu weisen, dass das Darlehen vor diesem Zustand zu beenden sei. Ich habe die Finanzierung auch sehr schnell beendet, solche “Banken” braucht niemand, die können weg. Auf Europa kann ich auch verzichten, das ist Diskriminierung. P.S.: Bei Bankkaufleuten gibt es seit geraumer Zeit eine warme Ausnahme.

Gerhard Hotz / 07.09.2020

Der deutsche “kleine Mann” scheint bei der Geldanlage besonders ungeschickt zu sein, waren es doch vor allem Deutsche, die sich dubiose Schiffsfonds andrehen liessen, die dann reihenweise pleite gingen. “Stupid German Money” nennen die Amerikaner das.

Heinz Gerhard Schäfer / 07.09.2020

Wenn Anfang des nächsten Jahres die neue Besteuerung des Optionshandels in Deutschland greift, und sich dann noch dazu die Finanztransaktionssteuer gesellt, dann sollte das Kapital (und seine Leistungsträger) aus Deutschland komplett auswandern!

F. Auerbacher / 07.09.2020

Als geborener und überzeugter Schwabe dachte ich, ich verstehe den Dialekt, doch was ist ein “Grangcrüschorle”? Dem Ausdruck “honn” statt “henn"nach, klingt der Dialekt etwas nach “nördlich von Heilbronn”, also für mich ganz heimatlich. Aber wirklich, was ist ein “Grangcrüschorle”???

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