Mein Schrauberbruder hat im Verlauf seines Schrauberlebens so eine Art pathologisches Vermögen angesammelt. Das Bett für die freien Tage stand bei meinen Eltern, das Bier und das Schnitzel bezahlte – wenigsten in den goldenen Jahren des vergangenen Jahrhunderts – die Auslöse, teilweise gab es einen Dienstwagen, und der Blaumann wurde auch gestellt. Wofür also Geld ausgeben? Mein Bruder hat einen ausgeprägten Spieltrieb, so würde ich das nennen, und fing schon früh an, sich für die Börse zu interessieren.
Natürlich wurde auch Lehrgeld bezahlt, aber es kam auch zu Glückstreffern, wie dem VW-Shortsqueeze seligen Gedenkens, wo die Aktie plötzlich gegen tausend Euro schoss. Mein Bruder hat rechtzeitig verkauft und umgerubelt. Wie jeder Spieler ist er ungewöhnlich gut über Trends und Kennziffern informiert und man kann sagen, er kennt die Analystenszene, weiß, wem da zu trauen ist und wer nur heiße Luft von sich bläst.
Langer Rede, kurzer Sinn: Fleiß, schwäbische Sparsamkeit und „fortune“, wie der Alte Fritz sagen würde, haben zu einer gewissen Kapitalansammlung geführt, immerhin so groß, dass das Interesse seine Hausbank geweckt wurde. Seitdem erhält er so alle halbe Jahre eine Einladung zu einem vertraulichen Beratungsgespräch mit seiner persönlichen Bankerin, oder „key account managerin“, wie man das heutzutage nennt. Wie er versichert, ist die durchaus eine kompetente junge Frau, mit der er sich gerne unterhält. Obwohl das Investionsvolumen, das infrage steht, nicht exorbitant ist und mein Bruder sich ohnehin auf eigene Intuition und Recherchen verlässt, dauerte das letzte Gespräch fast eineinhalb Stunden. Mein Bruder ist nicht beratungsresistent: Er kauft vor Corona auf Empfehlung der Analystin einen asiatischen Medizintechnikfonds.
Er steht Elon Musk eher positiv gegenüber
Wenn es ums eigene Geld geht, klärt sich manche Position. Die Beraterin schlug Investitionen in Umwelttechnik vor. Vermutlich Windräder. Mein Bruder lehnte dankend ab. Dito Wasserstoff: „Zu geringer Wirkungsgrad, da sind ja sogar Elektroautos noch besser.“ Dazu die Anmerkung, dass die Analystin wohl von technischen Faktoren wie „Wirkungsgrad“ keine Ahnung hat.
Interessanterweise steht mein Bruder Elon Musk eher positiv gegenüber mit einem interessanten Argument. Das Entscheidende an Tesla wäre nicht das Elektroauto – von dem hält er nur begrenzt was (Zweitwagen für die Zahnarztgattin, wenn ein Diesel in der Garage steht) –, sondern doch das autonome Fahren. Für ihn ist es eine Frage der Zeit, bis der Güterfernverkehr auf diese Art läuft: „Keine Ruhezeiten, die Karre brummt 24 Stunden am Tag. Gibt eh keine Fahrer.“ „Und: „Autonom fahren kannst du auch mit einem Diesel!“
Vom Diesel hält er eigentlich viel, glaubt aber, dass die Grünen ihn kleinkriegen werden. Investiert ist er in ein deutsches Start-Up, das sich mit Datenübertragung per Laser beschäftigt. Überhaupt, wer hat´s gesagt: „China, China, China!“ Ich glaube, Kiesinger war’s. Gunnar Heinsohn auch. Mein Bruder befürchtet eine Tendenz zur Deindustrialisierung in Deutschland, aufgrund von Koboldeinwirkung. Oder einem Aufprallen der Energiewende an die Wand, wenn nicht gar „Licht aus“.
Deshalb ist seine Devise: Wegdiversifizieren vom DAX. Ein lustiges Detail: Der Erwerb von Gazprom-Aktien sichert die Heizkostenrechnung, und unlängst wurden BAT-Aktien (Zigaretten) gekauft: „Heit han I scho die Kippen fir a halbes Jahr rausgholt!“ (O-Ton). Man sieht hier fast den schwäbischen Hausmann am Wirken.
„Solang isch alles o.ke.“
Beim Beratungsgespräch hat die Bankerin wohl mehr mitgeschrieben als mein Bruder. „Gefragt, ob er für seine Beratung Geld verlangt hätte, als Orakel von…, verneinte er. „man muss die jungen Menschen unterstützen.“ Zur politischen und gesellschaftlich Information empfahl er „Achgut“. Mal sehen, ob’s fruchtet. Und: „Solang mir onser Grangcrüschorle honn, solang isch alles o.ke.“
Ganz nebenbei: Ein Thema, über das sich mein Bruder geradezu ereifern kann, ist die geplante Finanztransaktionssteuer. Das Konzept klingt erst mal gut. Der Hochfrequenzhandel soll unattraktiv gemacht, die Attraktivität stabiler Investments gesteigert werden. Die Erträge sollen Rentenempfängern zukommen, die Not leiden – und das sind nicht die wenigsten.
Doch die konkrete Ausgestaltung der Abgabe hat mit der ursprünglichen Intension nicht mehr viel gemein. Betroffen sind hauptsächlich die Kleinsparer, die man einerseits in Aktienanlagen als Altersvorsorge lockt, andererseits steuerlich bestraft. Hochspekulative Anlagen wie Derivate und Intraday-Handel bleiben außen vor. Außereuropäische Börsen werden nicht erfasst und institutionelle Anleger ebenso, wie man hört.
Also wieder der klassische Beschiss auf dem Rücken des „kleinen Mannes“, groß als Schröpfung des Kapitals angekündigt.