Dass sich ein zunächst vermeintlich fremdenfeindlich oder auch rassistisch motivierter Anschlag später als Tat einer psychisch schwer gestörten Person herausstellt, die unter dem Einfluss von krankhaften Wahnideen gehandelt hat, ließ sich vor gut einem Jahr in Bottrop beobachten. Auch damals glaubten Medien und Politiker, sofort genau zu wissen, was die Motive des Mannes waren, der in der Silvesternacht mit seinem Auto gezielt in Gruppen von Migranten hineingefahren ist. Mittlerweile hat das Gericht beim Täter aufgrund einer schweren psychischen Störung eine Schuldunfähigkeit festgestellt und die unbefristete Unterbringung in einer forensisch-psychiatrischen Einrichtung beschlossen.
So würde ein Gericht auch im Falle des Täters von Hanau, Tobias R., urteilen. Nur wird es nicht zu einem Prozess kommen, da der Attentäter sich selbst gerichtet hat. Aber dass es hier sich wiederum um einen Täter handelt, der unter dem Einfluss von wahnhaftem Erleben – oder wie es formal heißt: einer krankhaften seelischen Störung – stand und deswegen unfähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, sollte zumindest dem psychiatrisch etwas Vorgebildeten bereits nach kurzer Lektüre des wirren Manifests des Täters klar sein. Da gibt es auch aus der Ferne kein Vertun.
Und dementsprechend ist es schlicht Unsinn, zu behaupten, der Täter habe aus fremdenfeindlichen Motiven gehandelt oder – wie der Generalbundesanwalt meint – habe eine „zutiefst rassistische Gesinnung“. Welche Gesinnung der Täter tatsächlich hatte, muss gegenwärtig offen bleiben. Denn dazu muss in Erfahrung gebracht werden, wie dessen Einstellungen und Überzeugungen zu Zeiten waren, wo Denken, Fühlen und Handeln noch nicht unter dem Einfluss seiner krankhaften seelischen Störung standen. Das Manifest des Täters ist deshalb völlig ungeeignet, um auch nur halbwegs sichere Informationen über die „eigentliche“ – die nicht krankhaft bedingte – Gesinnung zu erlangen. Die bisher bekannten Einlassungen von Mitgliedern seines Sportschützenvereins ergeben keine Hinweise auf eine fremdenfeindliche Gesinnung. Aber diese Frage kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufgrund der mageren Quellenlage noch nicht abschließend beantwortet werden.
Was die Psychiatrie als Denkzerfahrenheit bezeichnet
Das gesamte, nach verschiedenen Medien insgesamt 24 Seiten umfassende und bereits im November 2019 vorliegende Manifest des Attentäters stand mir beim Schreiben dieses Artikels nicht zu Verfügung, aber verschiedene Auszüge. Welche psychiatrischen Symptome lassen sich daraus ableiten? Ganz vorrangig ein Wahn, also eine Veränderung des Erlebens und Denkens, die sich als Fehlbeurteilung der Realität äußert und an der – auch wenn sie im völligen Widerspruch zur Realität steht – festgehalten wird. Inhaltlich handelte es sich beim Täter um einen Verfolgungswahn, in dem auch Größenideen anklingen: Ein nicht genau benannter Geheimdienst überwache ihn, aber nicht nur ihn. Er sei allerdings etwas Besonderes, einige bezeichneten ihn als „Genie“, denn als Einziger habe er die Überwachung bemerkt.
Es wird dann noch angedeutet, dass diese fremde Macht in Form von (halluzinierten) Stimmen mit ihm kommuniziere. Diese „Schattenregierung“ habe ihn und sein Umfeld beeinflusst durch Gedanken-Kontrolle und Telepathie. Wieder klingen Größenideen an, wenn geäußert wird, dass er auch für die Terroranschläge vom 11. September verantwortlich sei, wobei man ihm entsprechende Träume „eingespielt“ habe. In diesem Stil geht es endlos weiter. Deutlich wird dabei vor allem auch das, was die Psychiatrie als Denkzerfahrenheit bezeichnet: Das Denken und Sprechen verliert für den Zuhörer seinen verständlichen Zusammenhang.
Besonders deutlich wird das an den Stellen, in denen es um seine „Abneigung“ gegen bestimmte Völker geht, die Vernichtung großer Teile der Weltbevölkerung und, dass er sich eine „Halbierung“ der deutschen Bevölkerung „vorstellen“ könne. Darüber hinaus klingt in wirrer Form auch an, die Erde vor ihrer Entstehung mittels einer „Zeitschleife“ vernichten zu wollen, um das spätere „Millionenfache Leid“ zu vermeiden. Aber zu dieser Rettung sei nur ein Teil der Menschheit befähigt, der andere Teil müsse vorher eliminiert werden.
Es bleibt eine furchtbare Tat
Eine solche Symptomatik wie beim Attentäter kann grundsätzlich durch verschiedene Erkrankungen des Gehirns verursacht werden. Am wahrscheinlichsten handelt es sich hier jedoch um Symptome im Rahmen einer Schizophrenie. Ob diese – meist chronisch verlaufende – Erkrankung sich tatsächlich erst in den letzten Monaten entwickelt oder schon über Jahre in stark abgeschwächter Form bestanden hat, muss beim jetzigen Informationsstand offen bleiben.
Auch wenn der Täter von Hanau aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen, bleibt es eine furchtbare Tat. Wenn Mainstream-Politiker und -Medien sowie neuerdings auch der Generalbundesanwalt diese Tat als Ausdruck einer rassistischen oder fremdenfeindlichen Gesinnung bezeichnen, dann folgen sie bloß ihren niederen politischen Instinkten und ihrem Kalkül – wie es sich in den letzten Jahren eben so eingeschliffen hat.
Tatsächlich aber lässt die Tat einer Person, die unter dem Einfluss eines wirren Verfolgungswahns, einhergehend mit einem hochgradigen Realitätsverlust, überhaupt keine Rückschlüsse über dessen eigentliche Gesinnung zu. Die Art des Wahnthemas wird natürlich beeinflusst durch die beherrschenden gesellschaftspolitischen Themen: Früher ging es mehr um Religion, im Kalten Krieg dann um CIA, KGB und Stasi. Aber ansonsten folgt das wahnhafte Erleben den eigenen Gesetzen der zugrunde liegenden Krankheit. Das beim Täter in seinem Manifest vordergründig aufscheinende fremdenfeindliche Motiv kann natürlich auch in gesunden Tagen bei ihm vorhanden gewesen sein, aber ebenso auch das genaue Gegenteil oder alles, was dazwischen liegt.
Früher war das auch allen klar, allerdings waren die vorherrschenden Wahnthemen zu Zeiten des Kalten Krieges auch politisch nicht so brisant, wie es manchmal heute der Fall ist. So erinnere ich mich an einen schizophrenen Patienten, der sich im Rahmen eines Krankheitsschubes vom KGB kontrolliert und abgehört wähnte. Auch sein treuer Dackel, an dem er sehr hing, wurde schließlich in das Wahnsystem mit einbezogen, leider in der Rolle als KGB-Spitzel, was dem Hund dann das Leben kostete. Aber niemand wäre damals auf die Idee gekommen, ihn deshalb für einen notorischen Tierquäler zu halten oder gar die sowjetische Regierung für den Tod des Dackels verantwortlich zu machen.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.
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Gauland und Meuthen haben den Sachverhalt doch gestern ganz treffend analysiert, so als erstes Statement.
@Peter Michel, das Schreiben eines Kommentars von mir zum Artikel von Prof. Dr. Meins und Ihrer Stellungnahme dazu, hat sich fast erürbrigt. Insofern gilt Ihnen beiden meine besondere Hochachtung. Sehr gut geschrieben und kommentiert. In den gesamten Kontext des Geschehens von Hanau scheint mir insbesondere noch wichtig, dass der Täter längere Zeit vorher Kontakte mit der örtlichen Staatsanwaltschaft, der Polizei und der Generalbundesanwaltschaft gehabt haben soll. So hat es den Eindruck, dass die Behörden hier vollends versagt haben könnten. Wir dürfen gespannt sein, was da noch alles offenbar werden wird. Völlig erschrocken hat mich heute Morgen ein Kommentar in der hiesigen Zeitung mit der Überschrift: Hanau und die AFD. In einer brutalen Art und Weise schlägt der Kommentator auf die AfD als Hauptschuldige auf dieses Verbrechen ein und erwähnt in keiner Weise die geistige Verwirrung des Täters Tobias R. Das nennt sich objektiver Journalismus. Ich überlege ernsthaft die Zeitung abzubestellen. Hier wird getäuscht, gelogen und bewusst Lücken gelassen. Wie im klassischen Mainstream der bundesdeutschen Medien.
@getraude Wenz: ja, Frau Wenz, die Meldung war noch gar nicht richtig raus, da ahnte man schon Was kommt. Die Büchse der Pandora ( Horst Seehofer) wurde geöffnet und lässt sich von diesen regierenden nicht mehr Schliessen. Nur eins steht fest, mit verbaler Gewalt/brandmarken und ohne gefragt worden zu sein, lässt sich eine Gesellschaft wie unsere nicht einfach mit absolut Kulturfremden Menschen ueberfluten! Das hat Konsequenzen!! Die altparteien haben noch nie ein so jämmerliches Bild abgegeben wie zur Zeit, das Machtgefälle ist am rutschen! Da die Afd den finger in ihre wunden legt, gleichzeitig Durch selbst erzeugte afd-Stigmatisierung (illegale migration- islamisierung) die regierung Nicht mehr handlungsfähig ist, wird die Afd zur nazipartei erklärt und zum staatsfeind Nr.1!! Nur die stille Mehrheit der Mitte ist nicht dumm, die Rechnung wird nicht aufgehen! Gestern habe ich die Eröffnung samt Redner der Berlinale gelauscht: es sind immer dieselben die da in ersten reihen sitzen und ohne Mainstreams -gerechtes politisches Bekenntniss geht gar nichts mehr. Zum fremdschaemen!! Wer afd waehlt ist ausgestossen, ein rechter nazi, geistesgestört! Ich Frage mich, wie gauland, meuthen ectr. Das auf Dauer aushalten. Die afd macht den regierenden eine riesenangst, aber nicht aus den gründen, die sie täglich durch den aether jagen
Jedes Opfer ist ein Opfer zuviel. Leider ist bei deutschen Opfern Ruhe im Karton der Regierenden. Da überschlägt sich niemand in Trauerreden und in Schuldzuweisungen. Ich weiß nicht, was ich von dieser Amok(?)-Tat halten soll. Ein total psychisch Gestörter erhält einen Waffenschein. Wo sind die Hintergründe. Wer hat mit geholfen, diese Tat zu inszenieren? Wo ist die Spur des Geldes? Wer hat das Manifest geschrieben? Bei n-tv hieß es erst, wir haben das Video und das - da war es nur ein Bekennerschreiben - aber wir veröffentlichen es nicht und plötzlich, ist ein 24-seitiges Manifest da und das Video wird ist auch öffentlich im Netz. Es ist außerdem sehr hilfreich, wenn der Amokläufer sich erschossen hat, aber warum noch (oder nur) seine Mutter, wo doch der Vater auch noch in der Wohnung war? Es ist eine Bluttat geschehen pünktlich zu Landeswahlen und vergessen wir nicht, dass nächstes Jahr Bundestagswahlen sind. Wie auf Kommando, wird der AfD eine Mittäterschaft unterstellt. Ich denke, dass wir nicht die letzte Bluttat erleben werden. Die AfD muss ausgeschaltet werden, wie auch immer und die Wähler müssen abgehalten werden, die AfD zu wählen. Wenn das heißt, dass ich ein Verschwörungstheoretiker bin - dann gern. Es ist schon zuviel in Deutschland passiert.
Ich möchte zu meinem Kommentar noch hinzufügen, dass man angesichts der verheerenden Zustände in der Politik und Gesellschaft dieses Landes durchaus an Leib und Seele krank werden kann. Der Übergang von gesund zu krank ist fließend. Selbst wenn der Attentäter keine geistige Störung gehabt und seine verbrecherische, abscheuliche Tat "nur" aufgrund von Fremdenfeindlichkeit verübt hätte, würde ich der AfD natürlich(!!!) keine Mitschuld geben. Nicht sie ist die Ursache für mögliche Fremdenfeindlichkeit, sondern wie in meinem Kommentar herausgestellt, die unsägliche Massenimmigration, die "Mutter aller Probleme"!!! Je mehr Toleranz man für das Untolerierbare fordert, je mehr bunte Vielfalt gepriesen und Fremdenfreundlichkeit bis zur Verächtlichmachung alles Deutschen von den Deutschen gefordert wird und damit auch natürlichste Regungen (Wunsch nach verlässlicher Geborgenheit, nach vertrauten Menschen und Strukturen, nach Heimat usw.) regelrecht diffamiert und als "rechts" hingestellt werden, desto mehr wird sich bei dem nicht indoktrinierten Teil der Bevölkerung Widerstand, ja Wut und Zorn regen. Hoffen wir's!
Nur mal ne Idee, und wenn es wirklich möglich sein sollte labile Personen zu beeinflussen wenn man dann einfach mal überlegt wem nützt es. Die Abläufe und Personen bei solchen Taten sind auch immer ähnlich, war nur mal ein Gedanke.
Nach dem ganzen Unsinn, der in den Talkshows des "Öffentlich Rechtlichen" bzw. der selbsternannten "Qualitätsmedien" verbreitet wird, ist der Beitrag von Prof. Meins ein einsamer Höhepunkt sachlicher, unvoreingenommener Analyse. Danke.