Liebe Marei Bestet, noch treffender hätten Sie das “juste milieu” nicht beschreiben können. Ich kenne gleich mehrere “Tadellose” in meinem Bekanntenkreis, die allerdings in hilfloses Geschwurbel à la Merkel verfallen, wenn man sie bittet, doch den einen oder anderen “Flüchtling”, für den sie sich verbal so sehr erwärmen, in Ihrem komfortablen Haus aufzunehmen. Es gibt halt nichts Gutes, außer man tut es, wie Erich Kästner einst so ironisch bemerkte. Danke für Ihren wunderbaren Beitrag auf der Achse. Und bitte mehr davon.
Wie der Tadellose entstehen würde, hat Enzensberger schon 1994 beschrieben: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37) Dabei spielt es heute keine Rolle, ob wir von SPD-, Grünen- oder auch CDU-Wählern reden, alle schnullern an den guten Dingen, während die anderen bald nicht mehr den Honig produzieren werden, in den sie ihren süßen Schnuller tunken. Die Partei-Sozialarbeiter holen die Menschen regelmäßig ab, um ihnen immer etwas weniger von dem zurückzugeben, was diese dem Staat verdient haben. Perfekte, auf Abhängigkeit zielende Propaganda-Therapien werden täglich abgeschossen, eine perfekte Sucht-Beziehung.
Liebe Frau Bestek, nur nicht verzweifeln! Als Kölnerin verfügen Sie doch bestimmt über türkische Freunde, die Ihrem Tadellosen gern, wie bei Asterix und der Tour de France, ein paar Feigen aus regionalem Anbau (Nippes), vegan und bio, verpassen würden. Was glauben Sie, wie schnell dessen Unerreichbarkeit und Unantastbarkeit sich in Luft auflösten?
Das Gleiche wie Sie erlebte ich auch schon mehrfach. Bekanntschaften gingen in die Brüche und in Teilen der eigenen Familie hängt wegen meiner “falschen Ansichten” der Haussegen schief. Es ist schwer geworden, die eigene Meinung zu vertreten. Ich tue es trotzdem. Sage jedem ins Gesicht, was ich denke. Punkt!!!! Natürlich stößt das auf große Ablehnung. Es gibt Streitereien bis zum geht nicht mehr. Aber am schlimmsten empfinde ich das, was Sie beschreiben. Es gehört viel Stärke dazu, zu verkraften, als Nazi beschimpft zu werden, nur weil man eine andere Meinung vertritt als der Mainstream. Es tut unheimlich weh, so ungerecht behandelt zu werden! Das sollte man auf Dauer nicht mit sich machen lassen. Ich glaube, und das ist sehr einfach gesagt, hier sollte einfach mehr Selbstbewußtsein ins Spiel kommen. Wenn mich jetzt einer wegen meiner “eigenen” sozusagen abweichenden Meinung als Nazi tituliert, dann sage ich ihm, er kann sagen über mich, was er will, solange ich tief im Innersten weiß, daß ich keiner bin. Ich kann mich dann immer noch im Spiegel anschauen und bin stolz auf mich!!!
Streichen Sie ihn aus Ihrem Bekanntenkreis. Er ist als hochgradiger Narziß nicht erreichbar.
Danke für diese so treffende Analyse. Eine besondere Spezialität dieser Tadellosigkeit ist die unumstößliche Kombination von Ahnungslosigkeit und moralischer Überlegenheit. Das ist eine wahrhaft toxische Mischung.
Und: die Welt ist auch groß und schön und überall gibt es tapfere, wirklich liebe Menschen, die Sie kennen könnten. Vertun Sie nicht Ihre Zeit.Reue ist das schlimmste aller Gefühle, wenn man älter wird. Glauben Sie mir!
Ich schaue in meine Kristallkugel und sehe einen Artikel: “Was ist so schlimm daran, ein Gutmensch zu sein?” wird er heißen. Oh, geirrt, es war nicht meine Kristallkugel, es war mein Rückspiegel. Können wir endlich mal mit diesen Besinnungsaufsätzen aufhören, dieser Baum wird so stark bepinkelt, dass seine Blätter schon abfaulen.
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