Georg Etscheit / 13.02.2021 / 16:00 / Foto: Imago / 34 / Seite ausdrucken

Der streitbare Wetterprophet

Jörg Kachelmann ist immer noch Deutschlands bekanntester Wetterfrosch, er ist ein Stehaufmännchen und ein guter Geschäftsmann. In den 1990er Jahren revolutionierte er mit seiner Meteomedia AG mit Sitz im Schweizer Kanton Appenzell die Wetterberichterstattung, die bis dato vom Deutschen Wetterdienst (DWD) verwaltet worden war. Mit flockigen bis reißerischen Kommentaren zu aktuellen Wetterphänomenen machte er den täglichen Wetterbericht zur Show. Jetzt zählte nicht mehr der Doktortitel, mit dem noch eine Dr. Carla Wege beim ZDF für amtlich lizenzierte Glaubwürdigkeit gesorgt hatten, es zählten blonde Haare und lange Beine. Dass Kachelmann Meteorologie nur im Nebenfach studiert und sein Geografie-Studium an der Universität Zürich nicht einmal zu Ende geführt hatte, fiel dabei weniger ins Gewicht als sein Volontariat bei einer Schweizer Boulevardzeitung. Mit prägnant formulierten Wetter-Geschichten, so wusste er schon früh, lässt sich maximale Aufmerksamkeit erreichen.

Kachelmann machte sich mit einem eigenen Netz von Wetterstationen zumindest teilweise vom Deutschen Wetterdienst (DWD) unabhängig. Mit ihm wurde Orte wie Morgenröthe-Rautenkranz im sächsischen Vogtland oder der Funtensee im Berchtesgadener Land bundesweit bekannt, wo wegen spezieller geografischer Verhältnisse im Winter besonders niedrige Temperaturen gemessen werden. Wetterextreme, das wusste Kachelmann, sind ein zuverlässiger Aufreger und sorgen für Auflage, hohe Einschaltquoten und Klickraten. Wenn der eloquente Wuschelkopf irgendwo eine neue Wetterstation eröffnete, war dies immer ein großes Ereignis für die Lokalpresse. Und ein weiterer Baustein seiner Strategie, das, was gemessen und veröffentlicht wird, ein Stück weit selbst bestimmen zu können.

Dann wurde Kachelmann Opfer einer missgünstigen Geliebten, die ihn wegen angeblicher Vergewaltigung angezeigt und vor Gericht gebracht hatte. Nach einem Aufsehen erregenden Prozess, der wegen einer oft maßlosen Berichterstattung in die Pressegeschichte einging, wurde Kachelmann im Mai 2011 freigesprochen. Im Laufe des Verfahrens hatte er sich zum Teil gezwungenermaßen aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und trennte sich später auch von seinen Anteilen an der Meteomedia AG, die 2013 an einen britischen Wetterdienstleister verkauft wurde.

Heute gibt Kachelmann den abgeklärten Erklärbär und Medienkritiker

Schrittweise kämpft sich Kachelmann zurück ins Geschäft – ihm gelang berechtigterweise, was anderen Opfern von unberechtigten Vorwürfen sexueller Übergriff möglicherweise nicht gelingt – die umfassende Rehabilitierung. Mittlerweile ist seine Stimme wieder auf regionalen Radiostationen zu hören, er moderiert wieder die MDR-Talkshow „Riverboat“, schreibt Kommentare in Zeitungen und betreibt den Internetwetterdienst kachelmannwetter.com mit einem bis zum Jahr 1781 zurückreichenden Messwerte-Archiv. Es macht Spaß, einmal die Höchsttemperaturen am eigenen Geburtstag durchzuklicken. Dabei wird man merken, dass das Wetter vor allem immer eines war: wechselhaft.

Als gebranntes Kind gibt Kachelmann heute den abgeklärten Erklärbär und Medienkritiker. Regelmäßig zieht er auf Twitter gegen in seinen Augen reißerische Wetterberichte und entsprechende Medienmeldungen zu Felde, spricht gerne von „Vollpfostenmeteorologie, gepaart mit Vollpfostenjournalismus“. Kollegen, die schon im Oktober wissen wollen, wie das Wetter zu Weihnachten wird, oder eine mehrtägige Hitzewelle zur Dürrekatastrophe hochjubeln, nennt er „Klickschlampen“. „Sie schreiben andauernd Weltuntergänge und Russlandpeitschen herbei, weil ihnen nur noch wichtig ist, dass es gut klickt.“ Auch jetzt wieder will Kachelmann von einer Schnee- und Kältekatastrophe nichts wissen und legt sich medienwirksam mit dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf an, „Man weiß nie, was schrecklicher und skrupelloser ist, alle die Rechtswürstchen, die eine winterliche Wetterlage als Argument gegen die Klimakrise sehen oder der verzweifelt unwissenschaftliche @rahmstorf, der eine gewöhnliche Winter-Wetterlage nun auch dem Klimawandel zuordnet.“ 

Doch eines sollte man dabei nicht vergessen: Er selbst war es, der hierzulande aus der Wetterberichterstattung ein florierendes Geschäft machte, mit zahllosen „Wetterdienstleistern“, die sich gegenseitig hochschaukeln und jedes meteorologische Phänomen, das über Nieselregen hinausgeht, zum Weltuntergang stilisieren. Er selbst hat seriöse „Wetterfrösche“ wie Carla Wege, Uwe Wesp, Wolfgang Thüne und Gunther Tiersch alt aussehen lassen und dafür gesorgt, dass auch Staatsmeteorologen heute gerne mal auf die Pauke hauen, um überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Allzu weit sollte sich Jörg Kachelmann also nicht aus dem Fenster lehnen.

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Peter Sticherling / 13.02.2021

Eigentlich gab es vor Kachelmann überhaupt kein Wetter. Und nach Kachelmann auch nicht. Vor ihm hat’s nur geregnet und geschneit oder der Wind blies und die Sonne schien. Nach ihm gab´s und gibt´s nur Katastrophen, Hitzewellen ,Überschwemmungen oder Kältechaos. Alles verursacht durch CO2 mit der Folge von Klimaerwärmung als der alleinigen Ursache. K Schuld sind immer die Deutschen und die haben deshalb die Pflicht das Klima zu retten.

Holger Kammel / 13.02.2021

Mir waren Kachelmanns Wetterberichte am Anfang auch zu sehr auf Show gemacht. Spätestens seit seiner Vorhersage einer Extremwetterlage, die der deutsche Wetterdienst glatt verpennt hatte, mußte man ihn ernst nehmen. Der Prozeß, basierend auf einer offensichtlich falschen Anschuldigung, nachweislich über Wochen vorbereitet, warf ein Schlaglicht auf die deutsche Justiz und das Rechtsverständnis unserer Feministinnen. Der Falschbeschuldigerin geschah nichts. Die gehässigen “Gerichtsberichte” Alice Schwarzers in der Bildzeitung waren ein Tiefpunkt des Journalismus und ein Lehrstück über “hate speech”. Schwarzer, der Bundesfurie, noch irgendein positives Merkmal abzugewinnen, war anschließend nicht mehr möglich. Ich wünsche Kachelmann alles Gute für seinen weiteren Weg.

Klaus Hoffmann / 13.02.2021

Ein Glück, das es den streitbaren Herrn Kachelmann gibt der den Märchenonkels vom PIK Contra gibt. Ich kann mich noch gut erinnern, vor 70 Jahren gab es regelmäßig einen 1. Mai an dem ich keinen grünen Zweig aus Opas Garten an mein Roller knüppern konnte weil es auch im April noch so saukalt war, das keine Knospe aufgegangen war. Sogar ein paar feuchte Schneeflocken sind mir im Gedächtnis geblieben. Im Dezember war mir aufgefallen, das die große Grünfläche vorm Büro urplötzlich mit hunderten Maulwurfshügeln verziert war. Die Tierchen waren außergewöhnlich aktiv. Ein Recherche ergab, sie legen Wurmvorräte an wenn sie vermuten das mit längerem Bodenfrost bis in größere Tiefe zu rechnen ist. Dann legen sie sich darunter eine Höhle an. Nun kam ich auf die Idee Kachelmanns Temperaturaufzeichnungen grafisch auszuwerten und ein Gedankenblitz sagte mir, “es könnte wieder mal so einen richtigen Spätwinter geben” , der Schwabezyklus plus Halezyklus ? plus x, das wäre was. Also hab ich frech rausposaunt, das ich mir dieses Jahr zu meinem Geburtstag im Februar bei Petrus Wetter wie in meiner Kindheit wünsche, und für die FFF Hüpfer habe ich zu ihrem Weltklimatag im März auch noch eine Ladung Hagel bestellt. Nun ja, auf meine Mail haben sie natürlich nicht reagiert, aber wenn sie dann abends halb erfroren zu Hause sind - - - Der erste Teil meines Wunsches ist ja schon erfüllt. Gott erhört immer die Gebete braver Atheisten.

Rudolf George / 13.02.2021

Kachelmann hat meine Sympathien. Der Vorwurf, dass er mit dazu beigetragen hat, dass die Wetterberichterstattung nicht mehr gar zu seriös ist, weil er Elemente des Boulevardjournalismus integriert hat, kann auch zur Unterstreichung seiner Kritik angeführt werden: er weiß wovon er spricht und wie das Geschäft organisiert ist. Sensationalisierung ist sicher ein mehrschneidiges Schwert, es macht aber einen Unterschied, ob man die Berichterstattung zum Zwecke der Unterhaltung lediglich aufwürzen will, oder man ideologische Propaganda zum Zwecke des Gesellschaftsumbaus betreibt.

Peter Petronius / 13.02.2021

Nicht die Geliebte, es war eine allseits bekannte Feministin und Männerhasserin, die in Kooperation mit einer GROßBUCHSTABEN Zeitung Herrn Kachelmann ge- und vernichtet hat. Herr Kachelmann wurde Opfer von MeToo, das es damals noch nicht gab. Daß Herr Kachelmann, dem sein Lebenswerk vernichtet und genommen wurde, nun das macht, was wir alle versuchen, das ist ihm nicht zu verdenken, denn wir alle versuchen zu überleben. Im Übrigen ist es scheißegal, ob Herr Kachelmann ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen hat - der Herausgeber eines beliebten liberalen Internetblogs hat sein Studium auch abgebrochen - nicht der akademische Titel, sondern der Output zählt, Herr Etscheit!

RMPetersen / 13.02.2021

Ob Studium abgeschlossen oder nicht: Der Mann ist einfach unterhaltsam. Da man ohnehin über das Wetter der nächsten Wochen nichts verlässliches sagen kann, ist mir die flockige Kachelart lieber als der drög-moralisierende Sven Glückspilz von der ARD. Als Meteorologe wabert der in höheren Dimensionen: “Sven Plöger spricht Klartext: Wie können wir den Klimawandel soweit begrenzen, dass er uns als Menschheit nicht überfordert?” Widerlich, dieses “wir” und “uns”. Bei der DDR galt das jedenfalls noch ausschliesslich dem eigenen Land; die ARD-Festangestellten wollen “uns” die ganze Menschheit retten lassen. Auf die sozialisische Regierungsschleimerei des “wir” und “uns” seitens der Personen, die von unseren Zwangsabgaben leben, kann man als mündiger Bürger verzichten. Da ist mir der tüchtige Unternehmer Kachelmann lieber.

Peer Doerrer / 13.02.2021

Meine drei Mädels sahen früher nie einen Wetterbericht , ja bis Kachelmann auf dem Bildschirm erschien und mit unverwechselbaren Charme langweilige Wetterphänomene recht unterhaltsam unter die Zuschauer brachte .  Und dieser Mann , der sich vor Liebesbriefe und Heiratsanträge nicht retten konnte ,wurde dann mit Hilfe der Medien fertig gemacht . Um das Thema abzuschließen : ich wünsche ihm alles Glück und viel Erfolg ! Das Zitat ist von Winston Churchill , könnte aber von Kachelmann kommen : “Gib niemals auf! Nie! Nie! Nie!”.

Ulrich Jäger / 13.02.2021

Was mit Kachelmann kam, war ein lockerer Ton beim Wettervortrag. Da wurde auch zwischendurch die “gefühlte Temperatur” erklärt und wenn es “pieselte”, wußte jeder, dass von schwachem Nieselregen die Rede war. Was er nie gemacht hat und heute zu Recht verurteilt ist diese Katastrophenvorhersage, mit dem jeder schwache Wind als Vorbote des unmittelbaren Weltklimauntergangs dem geneigten Zuschauer rübergebracht wird. Das kann man ihm nun wirklich nicht zum Vorwurf machen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 22.03.2024 / 06:15 / 124

Ricarda Lang als Dampfwalze – eine Klatsche aus der bayerischen Provinz

Das „Königlich Bayrische Amtsgericht“ war seinerzeit eine launige ZDF-Fernsehserie. Gestern gab es eine Fortsetzung mit der Grünen-Spitze – humorlos und beleidigt. Der vorgebliche Übeltäter war…/ mehr

Georg Etscheit / 09.03.2024 / 06:15 / 111

Der heimatlose Stammkunde

Der Niedergang der Fachgeschäfte zwingt den Kunden, von Pontius zu Pilatus zu laufen oder selbst zu suchen und dann im Internet zu bestellen. Unlängst hat in…/ mehr

Georg Etscheit / 02.03.2024 / 14:00 / 11

Hauptsache Alarm – Jetzt läuft der Gardasee über 

Der Gardasee kann es den Medien einfach nicht recht machen, entweder es ist eine ausgetrocknete Mondlandschaft oder vom Überlaufen bedroht. Eines aber bleibt konstant: Er…/ mehr

Georg Etscheit / 24.02.2024 / 14:00 / 4

Die Schattenseiten des „sanften“ Wintertourismus

In den niedrigen Lagen Oberbayerns stirbt der Skitourismus aus. Wegen immer weniger Schnee zieht die Ski-Karavane einfach daran vorbei. Doch hat sich die Zahl der…/ mehr

Georg Etscheit / 23.02.2024 / 14:00 / 18

Na bitte: Covid-Aufarbeitung in Ärztefachblatt

"Der Allgemeinarzt" ist mit einer Auflage von 51.000 eines der ärztlichen Journale mit der größten Reichweite. Jetzt hat das Blatt den Mut, einem Kritiker der…/ mehr

Georg Etscheit / 18.02.2024 / 12:00 / 24

Cancel Cuisine: Cem und das Tierwohl

Cem Özdemir plant eine „Tierwohlabgabe“ auf bestimmte tierische Produkte. Eine neue Etappe auf dem Weg ins Veggie-Paradies. Langsam wird es ermüdend, immer wieder auf die…/ mehr

Georg Etscheit / 11.02.2024 / 13:00 / 16

Cancel Cuisine: Saures Lüngerl

Jenseits von Leber und Nierchen sind Innereien in unserer Küche schon lange aus der Mode gekommen. Leider, muss man sagen, denn da entgeht uns was.…/ mehr

Georg Etscheit / 04.02.2024 / 10:00 / 64

Cancel Cuisine: Der Discounter – Schmelztiegel der Nation 

Bisher mied der Autor Discounter wie Aldi, Lidl oder Penny, doch räumt er nun ein, einen Sinneswandel durchgemacht zu haben. Habe ich mich verhört? Hat…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com