Peter Grimm / 31.08.2022 / 14:00 / Foto: Raimond Spekking / 27 / Seite ausdrucken

Der Streit der Oppositionsdarsteller

Die SED-Nachfolgepartei steckt bekanntlich in einer Krise. Jetzt will sie mit Protesten gegen die Krisen-Politik der Bundesregierung punkten. Aber auf dem Weg in die neue Oppositionsrolle streiten sich die Genossen über ihr Verhältnis zu Russland.

Die SED-Nachfolgepartei steckt bekanntlich in einer Krise. Als Linkspopulisten konnten sich die Genossen scheinbar sichere Plätze in den meisten deutschen Parlamenten sichern. Der Sprung in den Westen schien geschafft, und trotz Populismus und der Vergangenheit als Diktaturpartei wurde Die Linke vom alten bundesdeutschen Parteienspektrum als zu den "demokratischen Parteien" gehörig gezählt und damit auch für koalitions- und regierungswürdig erklärt. Nicht nur dass die Linksaußen-Partei es geschafft hat, längst nicht mehr wie die AfD ausgegrenzt zu werden – sie regiert in manchen Ländern mit und stellt sogar einen Ministerpräsidenten.

Ihr Linkspopulismus klang allerdings immer weniger frisch, sondern eher fad und abgestanden. Es ist für eine linksideologische Partei aber auch nicht einfach, wenn inzwischen alle anderen an Regierungen beteiligten Parteien auch etliche linksideologische Schablonen nutzen, wenn sie versuchen, Inhalte zu simulieren. Da fällt es schwer, im Bund so richtig zu opponieren, wenn der eine eigene Ministerpräsident in wesentlichen Fragen im Prinzip auf Regierungskurs segelt. So hat er es in den letzten Jahren getan, was ja auch kein Wunder ist, denn ohne die – inzwischen vom Bundesverfassungsgericht gerügte – Intervention der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wäre der Genosse Ramelow seinerzeit wohl nicht in sein Thüringer Spitzenamt zurückgekehrt.

Die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl vor knapp einem Jahr schreckte die Linken dann endgültig auf. Der Wählerschwund war so stark, dass es nur aufgrund der drei errungenen Direktmandate überhaupt eine Bundestagsfraktion gibt. Ansonsten wäre die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Damit war klar, die Partei muss ihren Linkspopulismus wieder glaubhafter verkaufen und als Oppositionspartei attraktiver für interessierte Wählerschichten werden.

Die Zeitläufte schienen ihnen ja eigentlich in die Hände zu spielen. Steigende Inflation, Energiekrise, drohende unbezahlbare Heizkosten, vielleicht gar Gas- und Stromsperren, verdunkelte Städte – all das müsste eine Opposition ja beflügeln. Alle die, die gegen die Krisen-Politik der Bundesregierung protestieren wollen, aber die Nähe zur allenthalben verteufelten AfD scheuen, müsste man doch erreichen können. Zum Wiederentdecken der Oppositionsrolle gehörte nun auch die Anmeldung von Demonstrationen im Herbst. Insbesondere in den Kernländern der Partei, also ihrem früheren Staatsgebiet. Gerade dort wird ja ein reges Protestgeschehen im Herbst erwartet, schließlich demonstrierten da auch schon recht viele gegen die Grundrechtseinschränkungen der Corona-Politik.

Man müsse ein Protestangebot machen und dürfe den Protest nicht den Rechten überlassen, erklärten sich die Linkspopulisten, als sich ihre Freunde von der SPD beschwerten, dass die Linke ja wie die AfD auch am Protest gegen einen Auftritt des Bundeskanzlers beteiligt war. Manche führenden Genossen würden zwar gern von stärkeren Oppositionsauftritten politisch profitieren, fürchten aber gleichzeitig den Liebesentzug des sogenannten Mainstream. Und in dieser Gemengelage müssen sich die Linksparteimitglieder nun auch noch einer heiklen Frage stellen: Genosse, wie hältst Du es mit Moskau?

In Teilen der Partei gehört eine gewisse Nähe zum Kreml einfach zur ererbten SED-DNA. Andere lehnen zwar auch den aktuellen russischen Herrscher ab, wollen aber dennoch gern mehr Kriegsschuld bei den USA und dem Westen erkennen, als beim Aggressor. Manche, wie Gregor Gysi, finden es zwar richtig, wenn andere die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angreifer unterstützen, nur wir bitte nicht und einige Genossen wiederum stehen sogar für den Sanktionskurs.

Dummerweise lässt sich dieser Streitpunkt auch nicht auf den avisierten Protestkundgebungen umschiffen. Bei einigen Genossen steht die Öffnung der Pipeline Nord-Stream-2 auf dem Forderungskatalog sowie die Beendigung der Russland-Sanktionen. Für einige Linke ist das ganz praktisch, denn so lässt sich der Umstand übertünchen, dass diese Genossen in den letzten Jahren für die sogenannte Energiewende eingetreten sind. Andere Genossen erfreuen sich wiederum vielleicht mehr an der Renaissance von Kohle- und Atomstrom, was ihnen die Distanz zu Russland erleichtert.

Zum 5. September nun hat die Linke zu einer Montagsdemonstration nach Leipzig gerufen. Groß sollte sie werden und den Protest der Anderen, der Nicht-Linken möglichst überstrahlen. Dass es einige Aufrechte störte, mit welcher Leichtigkeit die SED-Erben ein Markenzeichen jener Revolution okkupierten, die ihrer Partei einst die Macht nahm, konnten die Genossen problemlos ignorieren. Dieses und andere Markenzeichen dieses Sturzes einer Diktatur wurden inzwischen leider schon so oft und von so vielen Seiten unangemessen benutzt bis missbraucht, dass es nur noch wenige aufregt und die wären wahrscheinlich ohnehin nicht für Die Linke zu gewinnen gewesen.

Doch nun haben sich die Genossen eine Posse besonderer Güte geleistet. Ein Star der Linkspopulisten, die Genossin Sahra Wagenknecht, sollte als Rednerin in Leipzig auftreten. Die Frau ist quasi überparteilich populär, um ihr zu lauschen wäre vielleicht auch manch ein AfD-Wähler zur linken Protestdemo gekommen. Um in der Protest-Konkurrenz besser abzuschneiden, war sie eine ideale Besetzung. Doch dann wurde Wagenknecht offenbar wieder ausgeladen, wie sie selbst es darstellt auf Betreiben des thüringischen Ministerpräsidenten Ramelow. Ob und welche Genossen nun die Ein- und dann die Ausladung betrieben haben, ist nach dem gegenwärtigen Stand der Medienberichte unklar.

Den Ausladern ist ihre Position offenbar zu prorussisch. Sie fordert lieber die Aufhebung der Russland-Sanktionen, als ein Ende der krisenverursachenden „Energiewende". Jene Genossen, die jede Position scheuen, die sie der Putin-Nähe verdächtig macht, wollen aber auch sicher nicht an der Energiewende rütteln, sondern verbinden ihren Protest lieber mit der Forderung nach mehr Umverteilung. Beide Seiten folgen aber auch der von allen anderen bislang regierungsbeteiligten Parteien gepflegten Erzählung, der Krieg und nicht die deutsche Energiepolitik trügen die Schuld an der Energiekrise. Da dürfte die Opposition dann am Ende vielleicht etwas schaumgebremst wirken. Die Protest-Konkurrenz von der AfD hat es da etwas leichter. Sie muss zwar auch mit internem Streit über die Position zur Russland-Politik kämpfen, aber in der Opposition zur Energiewende-Politik besteht immerhin weitgehende Einigkeit.

Vielleicht zeigen die Linken am 5. September, wie sich ihre unterschiedlichen Teile dennoch zur gemeinsamen Demonstration zusammenfinden. Dem protestbereiten Teil der Bevölkerung dürfte der Streit unter solchen Oppositionsdarstellern wahrscheinlich ziemlich egal sein. Sie werden die Orte zur Unmutsbekundung aufsuchen, die sie für praktikabel halten. Ob die sich dort engagierenden gegenwärtigen Parlamentsparteien dabei wirklich Boden gewinnen können, ist alles andere als sicher.

Foto: Raimond Spekking CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia

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Leserpost

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Dirk Jäckel / 31.08.2022

@K.-D. Grün “ebenfalls dabei ist, durch die fast unerklärliche und vor allem nicht faktisch zu begründende USA-Frömmigkeit” Ich weiß ja nicht, wie lange Sie hier schon lesen, aber der Blog war schon immer Pro-USA, das war sozusagen das Gründungs-Narrativ, wie man neudeutschschwafelig sagen würde. Wenn Sie damit ein ganz grundsätzliches Problem haben, wäre eine weitere Lektüre wohl nicht das Wahre (ich habe manchmal im Einzelnen damit ein Problem, aber nicht grundsätzlich).

Georg Andreas Crivitz / 31.08.2022

Im Bund regieren doch die Sozialisten bereits. Wie sollte denn da eine ebenfalls sozialistische Partei glaubhaft Opposition spielen können?

Sirius Bellt / 31.08.2022

Sahra Wagenknecht ist vielen im Politikbetrieb ein Dorn im Auge. Sie sticht aus der Herde, weil sich in ihr zuvieles vereint. Sie ist zu intelligent, zu integer, zu apart und gepflegt und hat ein tadelloses Benehmen. Außerdem spricht sie in einer Sprache die jeder versteht und ihre Analysen sind oft brillant. Zu gut, eben.

R.Camper / 31.08.2022

@Klaus-Dieter Grün So so, die “rechtspopulistische” AfD also. Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, warum nur die AfD immer mit einem Adjektiv versehen wird? Ich habe noch nie von den “mauermordendenden” Linken gehört, oder den “pädophilen” Grünen, oder der “nachlinksgerückten” CDU/CSU, oder von einer “arbeiterverräterischen” SPD. Nein, bei der Nennung der Altparteien gibt es kein Adjektiv, weder ein negativ noch ein positiv besetztes.  Sie haben es wahrscheinlich selber noch gar nicht bemerkt, höchste Zeit sich einen neuen Nachrichtensprecher zu suchen.

Dirk Jungnickel / 31.08.2022

Da bin ich seit langem wieder mal bei S. Schönfeld——und natürlich bei Th.Sarrazin ! Wenn ich nicht irre, dann waren in der   Geschichte Linke / Revoluzzer immer getrieben von Ideologien, die sie selbst erfanden oder nachbeteten. Und einer der beliebtesten im Michel - Deutschland ist ein gewisser Marx ( = Murks, Konrad Löw). Wirklich gelesen hat ihn kaum einer. (Ich habe mich mit den Auswirkungen in der “DDR” begnügt.) Wagenknecht dürfte eine Ausnahme sein, angefeuert vom Wiedervereinigungs - Gegner und Ehgesponst Lafontain.  Da ein Ideologie - Verbot nicht möglich wenn auch wünschenswert ist,  bleibt den denkenden Zeitnichtgenossen nur der permanente Anti - Ideologie - Kampf. Apropos Verbot : Der größte Wiedervereinigungs - Fehler war die Nicht - Enteignung und das Nichtverbot der Mauermörder - Partei !  Gut, dann wäre Wagenknecht eben in der SPD untergekrochen, wo sie wohl weniger Beachtung gefunden hätte…

RMPetersen / 31.08.2022

“Bei einigen Genossen steht die Öffnung der Pipeline Nord-Stream-2 auf dem Forderungskatalog sowie die Beendigung der Russland-Sanktionen. “ NS2 ist im Interesse Deutschlands, konkret: der deutschen Wirtschaft, insofern ist die Befürwortung durch die LINKEN überraschend. Und dass die Sanktionen den Deutschen am Meisten schaden, mehr als den Russen, ist mittlerweile eine Binsenweisheit. LINKE plötzlich deutsch-national? Dass die Nicht-Inbetriebnahme der NS2 und diese Sanktionen uns Deutschen schwer schaden, scheint mir für die Grünen und für die - heutige - SPD eher von Vorteil zu sein, denn den Klima- und Kolonialisten-Ablass bekommt man nur durch einen Absturz auf das Niveau Moldaviens oder afrikanischer Länder. (Oder, mehr noch: Sollen wir runter auf das Wohlstandsniveau der Ukraine vor dem Krieg? Nach Butto-Inlandsprodukt pro Kopf (BIP) lag 2020 dieser Vorkämpfer unsere Werte bei rd. 6.000 USD per cap., etwa bei Namibia.) Dass die SED-LINKE Russland als Vorbild nimmt, ist damit vergleichbar ein Wohlstandsdoroda: Mehr als 10.000 USD per cap. Irgednwas müssen die seit 2010 besser gemacht haben als die Ukraine. Dazu hoch kämen wir nur mit russ Gas: Von Russland lernen heisst ... nicht soweit abstürzen?

Peter Woller / 31.08.2022

PS: Vielleicht waren diese schwarz-weiß-roten Fahnenträger bei den Corona-Demos ja Provokateure der anderen Seite, um uns in ein schlechtes Nazi-Licht zu rücken? Hält der beste Mensch der Grünen neulich im BILD-Studio für unmöglich und ausgeschlossen? Ich nicht.

christian griffers / 31.08.2022

Dieses Parteiengetue ist doch immer lächerlicher, die Ampel und die CDU halten sich den Staat als Geisel, hier kommt kein Neuer rein, basta. So ein kleinlicher Artikel, und nur dass das klar ist: Wagenknecht wird nicht nur an den äusseren Rändern respektiert, und ansonsten? Was wollen die Schreiber hier auf der Seite eigentlich alle, wir gehen den Berg runter, es wird richtig schlimm und selbstverständlich sind diese selbstmörderischen Sanktionen daran schuld, wer die auch noch verschärfen will, um das Monster in moskau blablabla zum Lachen zu bringen, ist schlicht dumm. Wenn eine Politik nicht funktioniert muss man sie ändern, viel mehr sagt Wagenknecht auch nicht, sie geht allerdings davon aus, dass Putin berechenbar ist. Also: Entweder über die Regeirung schimpfen und gleichzeitig untergehen, oder auf die Regierung schimpfen und nicht untergehen. Die Achse hat sich für den ersten Weg entschieden. Schade

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