Markus Vahlefeld / 02.09.2021 / 06:00 / Foto: pressefoto/rbb / 67 / Seite ausdrucken

Der stinkende Fisch – ein Sondervorgang

Eine für die Berliner Regierenden brisante Dokumentation über die Entfernung von Hubertus Knabe aus dem Amt als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen wurde kurzfristig aus dem rbb-Programm gekegelt – bis nach der Wahl. 

Sondervorgänge waren laut Lexikon der Stasi von 1960 bis 1976 Bezeichnungen "für registrierte Akten über einzelne Personen oder Personengruppen, für die das Ministerium für Staatssicherheit ein spezifisches operatives Interesse hatte.“ So stand es bis Dienstag auf der Homepage des Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb), die den Dokumentarfilm von Maurice Philip Remy "Sondervorgang MeToo – Protokoll einer Entlassung" bewarb, der die Entfernung von Dr. Hubertus Knabe als Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen aufarbeitet. Merkwürdigerweise trug nämlich genau die Akte von Hubertus Knabe den Namen "Sondervorgang", und sie war von niemand Geringerem erstellt worden als der Senatsverwaltung für Kultur unter Leitung von Klaus Lederer (Die Linke, ehemals SED).

Dass der Fisch vom Kopf her stinkt, hat sich als umgangssprachliche Beschreibung für politische Inkompetenz, die von höchster Stelle auf die niedrigeren Ebenen durchtröpfelt, durchgesetzt. Dass das Prinzip des stinkenden Fisches ebenfalls aus dem Zersetzungsjargon der Stasi stammt, ist weniger bekannt. Jemanden einen stinkenden Fisch anzubinden, bedeutete nichts anderes, als haltlose Unterstellungen "durchzustechen", die dann von willfährigen Haltungsjournalisten aufgegriffen werden. Egal wie haltlos und widerlegbar die Unterstellungen auch waren, mindestens der Gestank würde schon hängen bleiben.

Dieses Prinzip des stinkenden Fisches wurde beim Sondervorgang um Hubertus Knabe wie im stalinistischen Lehrbuch angewandt. Hauptakteure waren dabei der Berliner Kultursenator Klaus Lederer, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) sowie sechs Frauen, die gegen den Stellvertreter von Hubertus Knabe anonym sexistische Vorwürfe erhoben. Ziel war es, den ständigen Querulanten Knabe zu treffen, der die Harmonie des "demokratischen Blocks" störte, zu dem auch die Nachfolgepartei der SED gezählt werden will. In einem Land, in dem alle Kräfte geeint im "Kampf gegen rechts" gebraucht werden, gilt so einer wie Knabe als Zersetzer. Kompetenz als Historiker und Erfolg mit seiner Gedenkstätte konnten ihm zu keinem Zeitpunkt abgesprochen werden. Aber Kompetenz und Erfolg sind in der Merkelrepublik eben auch verdächtig.

Tausende teilweise als geheim eingestufte Unterlagen

Nun hat es also nach Hubertus Knabe auch den Filmemacher Maurice Philip Remy getroffen. Seine Kompetenz in Sachen Recherche und Dokumentation ist in der deutschen Medienlandschaft selten, wenn nicht einzigartig. Einen Namen machte er sich mit Filmen wie „Holokaust“ oder „Mythos Rommel“ und dem wie ein Krimi geschriebenem Buch „Der Fall Gurlitt“. Remy hat  "tausende teilweise als geheim und vertraulich eingestufte Unterlagen eingesehen und ausgewertet sowie in über 50 Interviews und Hintergrundgesprächen unter anderem mit Klaus Lederer sowie erstmalig nach ihrer Entlassung auch mit Hubertus Knabe und seinem Stellvertreter Helmuth Frauendorfer gesprochen". Eine spannende Dokumentation konnte man also erwarten.

Aber so, wie die Presseerklärung des rbb inzwischen gelöscht wurde, so wurde auch das bereits feststehende Ausstrahlungsdatum zum 1. September 2021 gelöscht. Die Ausstrahlung des Films werde, so die Erklärung des rbb-Pressesprechers Justus Demmer gestern, auf den 27. Oktober verschoben. Der Grund? Remy habe 2018 einen Spendenaufruf auf seinem privaten Facebook-Konto geteilt, der um Spenden für Knabes Gerichtskosten gegen das Land Berlin bat. "Nachdem uns der Autor dies bestätigt hat, halten wir es für unabdingbar, dass auch dieses Engagement im Film transparent wird."

Nun hat es etwas wirklich Lustiges, sich vorzustellen, dass vor jedem Sundermeyer-Restle-Reschke-Film das private Engagement "transparent gemacht" werden müsse, also vor jeder Dokumentation eine Dokumentation über den Dokumentierenden geschaltet würde, damit der Zuschauer "Transparenz" genösse. ARD und ZDF kämen aus lauter Dokumentationen über ihre eigenen Haltungsjournalisten gar nicht mehr zum Programmauftrag.

Vor allem aber: ein Film, der bereits im Programm angekündigt wurde, ist von der Redaktion begutachtet und abgenommen worden. Man kann also davon ausgehen, dass Remy inhaltlich gute und juristisch saubere Arbeit geleistet hat. Eine Art Warnhinweis wie bei Zigaretten – "Achtung! Der Autor des Films findet, Knabe sei Unrecht getan." – kann man, wenn man dem politischen Druck schon nachgeben will, vor den Film schalten und kostet im Studioschnitt keine zwei Minuten. Eine Verschiebung auf den 27. Oktober ist also noch nicht einmal sachlich darstellbar.

Die Begründung, ein vor drei Jahren geteilter (!) Spendenaufruf würde die Dokumentation über Hubertus Knabe in einem anderen Licht erscheinen lassen, darf man also getrost als vorgeschoben bezeichnen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass ein Klaus Lederer als Berliner Kultursenator und eine Monika Grütters als Kulturstaatsministern, die beide in dem Fall Knabe eine mehr als unrühmliche Rolle spielen, ein großes Interesse daran gehabt haben, die Ausstrahlung des Films vor der Bundestagswahl (und der gleichzeitigen Landtagswahl in Berlin) zu verhindern. Dass der rbb da einknickt, ist ein weiterer Beleg für Feigheit und die desaströse Verzahnung von Politik und staatlich kontrollierten Medien.

Man darf gespannt sein, wann endlich Brüssel ein Verfahren gegen Deutschland eröffnet wegen Verletzung der Medienfreiheit.

Foto: pressefoto/rbb

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

P. Wedder / 02.09.2021

Was wird eigentlich von der EU noch erwartet? Als Frau vdL ernannt wurde, obwohl sie auf keiner Wahl-Liste stand, habe ich immer auf Proteste aus anderen EU-Ländern gewartet und gehofft. Mitbekommen habe ich davon nichts. Ihre Ernennung war für mich die Offenbarungseid, was ist Demokratie in der EU wert ist. Nichts!

Zdenek Wagner / 02.09.2021

Stinkende, verkommene, links-rot-grüne Republik!!! Kein Fischkopf hat je derart penetrant nach Feigheit, Konformismus und Korruption gestunken, wie dieser Ekel-Staat!!! Meine Eltern sind mit uns Kindern 1969 nach Deutschland geflüchtet und wir wähnten uns im Paradies. Was war das für ein tolles Land - und was ist daraus geworden, in den letzten 15, 20 Jahren??? Es ist zum Heulen!

R. Matzen / 02.09.2021

Vor Jahren gab es eine Dokumentation über die Terrorfinanzierung im Nahen Osten, die auf ARTE gezeigt werden sollte und dann abgesetzt wurde. Sie wurde dann mit einem „Vorwort“ im WDR gezeigt. Ginge so etwas nicht hier auch? Zur Not auf dem Video-Kanal der BILD-Zeitung?

Sabine Schönfelder / 02.09.2021

„Man darf gespannt sein, wann endlich Brüssel ein Verfahren gegen Deutschland eröffnet wegen Verletzung der Medienfreiheit.“ Mit Verlaub, werter Autor, beginnen Sie direkt mit der ENT-Spannung, denn das wird niemals geschehen. Gerade weil der Polit-Medien-Industrie-Komplex an allen internationalen Stellen der Machtausübung ausgezeichnet vernetzt ist, klappt es so gut mit der ENT-Demokratisierung. Es ist gleich so, wie wenn Sie ein Klein-Mafiosi krankenhausreif prügelte, und Sie sich in Palermo bei seinem Boss beklagten. Etwas kultivierter läuft es vielleicht ab. Die Beschwerde wird freundlich entgegengenommen. Man wird sich ausreichend dafür bedanken und Ihnen versichern, daß im Rahmen der Transparenz und aus Gründen der Relevanz diese Anmahnung demokratischer Verhältnisse einer ´übergeordnetenˋ, nein, OBERSTEN Stelle „bei nächster Gelegenheit“ vorgelegt werden muß.......hahaha, in 8 Monaten und sorgt dort für ausgelassene Heiterkeit. Ein höfliches Anschreiben wird Sie anschließend darüber informieren, daß es VON DORT UMGEHEND in die ´Spezialabteilungˋ für diese spezielle Art von Beschwerden eingereicht wurde und Sie möglichst bald Antwort erhalten. Nachdem Jahre ins Land gingen und das Infektionsschutzgesetz bzw. ein adäquates im autokratischen Einparteienapparat passend umgestaltet wurde, erhalten Sie endlich die offizielle Replik: - Nach detailreicher und langwieriger Überprüfung auf ALLEN Ebenen der Demokratie konnten wir keine Beanstandungen feststellen. Alles regelkonform. Bitte setzen Sie sofort Ihre Maske auf und schicken Sie uns Ihre Impfbescheinigung. Mit freundlichen Grüßen Ihr Bundesverfassungsgericht.

Werner Arning / 02.09.2021

Die SED-Nachfolge-Partei soll doch demnächst möglichst mit in die Bundesregierung. Da sind jegliche Filme, die an die DDR, an die SED und an die Stasi erinnern, wenig hilfreich

Walter Neumann / 02.09.2021

Da können Sie lange warten, bis Brüssel einschreitet. Das machen die nur bei Ländern, wo es politisch opportun ist und weniger Probleme macht, wie Polen und Ungarn. Zudem: wer ist gleich nochmal EU-Chefin ? Eine Polin ? Eine Ungarin ?

Gudrun Meyer / 02.09.2021

“Brüssel” wird kein Verfahren eröffnen. So ganz anders ist es im medialen Betrieb anderer EU-Länder doch auch nicht. Selbst die Italiener, die von sich aus nicht auf Schuldkulte anbeißen, werden von woken Teilen “ihrer” Medien dazu gedrängt, es doch zu tun. Vielleicht hängt das unterschwellig mit dem genüsslichen Opferkult zusammen, mit dem Italiener nicht ohne Erfolg, und nicht ohne Hilfe durch Linksdeutsche, die ebenfalls opfertümeln, die Deutschen erpressen. Wie auch immer, ganz immun gegen Opfer- und Schuldkulte ist keine christliche oder unmittelbar nachchristliche Gesellschaft. Die üblichen Methoden der Zersetzung sind teils legal, teils nie so genau nachweisbar. Vermeintliche Widerstandskämpfer gegen “rechts” riskieren da nichts. Knabe hat sich mit etwas, das die mediale Nomenklatura als bösartigen, daher “rechts” genannten Opferkult empfindet, eben weil es um echte Opfer echter Staatsverbrechen geht, gegen die dominierende Strömung gestellt. In der Sichtweise dieser Strömung sind Linke nicht nur widerständig, oppositionell, kritisch etc., sondern auch und vor allem ewige Opfer.  Wenn sie jemandem einen faulen Fisch ans Hemd kleben, tun sie das in der Überzeugung, Opfer des tatsächlichen Opfers zu sein. Das aufgeblähte Selbstwertgefühl im größten Teil des linken Spektrums, die Unfähigkeit oder jedenfalls Unwilligkeit, um Gulag- und eben auch Mauertote zu trauern, das permanente Ausgießen von Moralin über jeden noch so vorsichtigen Widerspruch, die Ernennung nicht-woker Politiker zu Antisemiten, während man gleichzeitig sehr bösartige, antisemit. Szenen auf den Straßen als “erlebnisorientiertes” Verhalten hinnimmt, das alles sind nahezu direkte Folgen einer angeeigneten Opferstellung von Leuten wie Restle, Reschke und Hayali. Jemand wie Remy wird als gefährlicher Feind jeder Art von Gutdenk und damit als moralisch verkommen empfunden und an der ganzen Affäre wundert mich nur, dass der Film überhaupt jemals ausgestrahlt werden soll.

Sabine Schönfeld / 02.09.2021

Man sollte doch endlich in Betracht ziehen, den “Haltungsjournalismus” umzubenennen, denn auch das ist nur wieder ein Euphemismus. Passender wäre wohl “Anbiederungsjournalismus”, “Unterwerfungsjournalismus” oder “Feigheitsjournalismus”. Vor mir liegt gerade zufällig das Buch von Juan Moreno: “Tausend Zeilen Lüge - Das System Relotius und der deutsche Journalismus.” Wer als Journalist zum Nachteil anderer und besonders auch zum Schaden der gesamten Gesellschaft für den eigenen Vorteil lügt, dem fehlt (!) faktisch jegliche Haltung. Der hat sich so tief gebückt, tiefer geht es wohl kaum. Wie will man ohne jegliches Rückgrat anderen die Welt beschreiben? Wenn man sie nur aus so tiefer Perspektive sieht? “Die Welle” von Morton Rhue beschreibt sehr gut, wie im Totalitarismus die Mitläufer aus allen Ecken kriechen und systemtragend werden. Merkels DDR 2.0, die mittlerweile die BRD weitgehend ersetzt hat, hat in erschreckender Weise den gleichen Effekt. Dass man in der Merkel-DDR die Methoden der ursprünglichen DDR anwendet, um die Wahrheit über das eigene System zu verschleiern, ist in der Konsequenz nur logisch.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Markus Vahlefeld / 15.03.2022 / 06:00 / 140

Merkel, Trump, Putin – Die Systemverächter

Politik läuft durch die Zentrierung auf nur eine Person Gefahr, dass der Lebensentwurf des Herrschers zum Entwurf der gesamten Nation wird, und das ist nicht…/ mehr

Markus Vahlefeld / 26.02.2022 / 06:00 / 180

Reden wir über den Westen und Frau Merkels Salat

Den von CDU und SPD unter Merkel angerichteten Salat haben wir nun. Und das auch, weil wirklich alles getan wurde, um den so wenig kriegslüsternen…/ mehr

Markus Vahlefeld / 14.10.2021 / 06:00 / 202

Der Hund, auf den der deutsche Geist gekommen ist

Auch mit 92 hält Jürgen Habermas seine Stellung als Lordsiegelbewahrer der deutschen Staatsräson. Das Diskurssystem, das er etablierte, wird vom medialen Kollektiv beherrscht, Abweichler gecancelt.…/ mehr

Markus Vahlefeld / 19.08.2021 / 06:01 / 64

Der große Sprung durch die Hintertür

Das Virus machte es möglich: Ohne langwierige politische Debatten installierten die westlichen Politiker die Gentechnik einfach als gesellschaftliches Pflichtprogramm. Die Grünen vorne dran. Demokratien sind…/ mehr

Markus Vahlefeld / 12.08.2021 / 06:01 / 68

Das neue Neoliberal: Im Kielwasser der Moral schwimmen die Haie

Aufklärung, Wissenschaft und Fortschritt können in Diktatur umschlagen, das analysierten in ihrer Zeit in den USA während des Zweiten Weltkriegs schon Max Horkheimer und Theodor…/ mehr

Markus Vahlefeld / 04.05.2021 / 06:05 / 125

Willkommen im Überwachungs-Kapitalismus und Millionärs-Sozialismus

Was ist nur aus dem guten alten Kapitalismus der 1980er Jahre geworden, als man noch dem Glauben anhängen konnte, dass Gesellschaften, die die Gesetze von…/ mehr

Markus Vahlefeld / 23.03.2021 / 13:30 / 4

Bleiben Sie, wie Sie sind: normal

Cora Stephan gebührt großer Respekt. Sie hat die instinktsichere Fähigkeit, heiße Eisen früher anzupacken als andere. Bereits 2011, als der Merkel-Sog noch gar nicht seine…/ mehr

Markus Vahlefeld / 04.02.2021 / 06:10 / 164

Der Weltgeist ist vom Pferd gefallen

Vor gut einem Jahr kam auf der manchmal wirklich vorzüglichen Satireseite der-postillon.com ein kurzer Beitrag über den deutschen Verkehrsminister, der zuvor einige hundert Millionen Euro mit der…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com