Der „Stern”: Untergang mit Ansage

Wenn ein Stern verglüht, sprühen die Funken. Strahlend zeigt der Himmelskörper noch einmal, welche Kraft in ihm steckt. Ist er aber bereits erloschen, fallen bloß noch Trümmer zu Boden, so wie jetzt eben beim Niedergang des „Stern“. Zuerst hinter vorgehaltener Hand und dann nur in einem kurzen Beitrag der Süddeutschen kam ans Licht, dass das Hamburger Wochenmagazin seine Wirtschafts- und Politikredaktion in Hamburg auflöst, das Hauptstadtbüro in Berlin dichtmacht. Einige Kollegen sollen in den Räumen der ebenfalls zu Gruner+Jahr gehörenden Wirtschaftszeitschrift „Capital“ Unterschlupf finden.  

Na und, mag man jetzt sagen, ist doch vernünftig, spart Kosten, Heizung, Strom, Miete, wenn alles aus einer Hand kommt. Außerdem, was spielt es schon für eine Rolle, wie und wo ein Käseblatt von wem zusammengeschustert wird.

Nur ist der „Stern“ eben kein Käseblatt, sondern ein Journal mit großer Geschichte, zurückreichend bis 1948. Im Juli dieses Jahres, dem Gründungsmonat der Bunderepublik, erhielt Henri Nannen (1913-1996), die Lizenz für sein Blatt aus den Händen der britischen Militärregierung.

Das Titelblatt der ersten Ausgabe zeigte die junge Hildegard Knef im Heu. Ein Raketenstart in den neuen deutschen Medienhimmel. Schnell besaß das Blatt einen Ruf wie Donnerhall, weit über die Grenzen hinaus. Im Stern begegneten die Deutschen der Welt, während die Welt in ihm auf ein demokratisch erwachendes, weltoffenes und liberales Deutschland traf, auf eines, das ernsthaft und sexy zugleich sein konnte. Kein Gedanke mehr an die Prüderie eines „Tausendjährigen Reichs“, das bereits nach zwölf Jahren den Löffel abgeben musste.  

Nur die Besten waren gut genug

Zwar hatte auch Nannen braune Spritzer auf seiner weißen Weste. Etliche Landserhefte, reine Kriegspropaganda, stammten aus seiner Feder, an Leni Riefenstahls „Olympiafilm“, einem ästhetischen Meisterwerk, ebenso berüchtigt wie berühmt, hatte er als Sprecher mitgewirkt. Ebenso wie sein großer Konkurrent, der Spiegel-Mann Rudolf Augstein, nutzte er dann aber auch die Chance der Niederlage, um die Besten der Besten für sein Magazin zu gewinnen, Fotografen wie Stefan Moses, Robert Lebeck oder Wilfried Bauer.

Zu den Schreibern zählten herausragende Denker und exzellente Rechercheure, kluge Köpfe wie Sebastian Haffner; Erich Kuby, Juergen Serke, Kai Hermann („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“), Heiko Gebhardt oder Heinrich Jaenecke, Enkel des einstigen Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Die großen Bild-Text-Reportagen wurden schnell zum Markenzeichen der Illustrierten. Sie verbanden Deutschland und die Welt, Gegenwart und Vergangenheit. 

Anders als das Darmstädter Echo oder das Trostberger Tagblatt wurde das Heft nicht bloß in den Tiefen der Provinz gelesen, bei den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen. Vieles, was da erschien, brachte Politik und Gesellschaft in Bewegung. Wer weiß, was aus Alice Schwarzer geworden wäre, wäre ihr 1971 nicht der Sprung auf die Titelseite des „Stern“ gelungen. Mit einer Geschichte, in der sie 374 Frauen versammelte, die sich unter der Überschrift „Wir haben abgetrieben“ zum Schwangerschaftsabbruch bekannten, gelang der Feministin der Durchbruch. Sie machte Furore, wurde dank „Stern“ so bekannt, dass sie bald schon ihre eigene „Emma“ herausbringen konnte. 

Die verbrannten Dichter

Politik, Wirtschaft, Kultur und Frauen, Sex und Geschichte sind auf den Seiten des „Stern“ gut miteinander ausgekommen. Nannen liebte das Leben. Mit seinem Blatt schrieb er bisweilen Geschichte. Das mag nicht sein Ehrgeiz gewesen sein. Es ergab sich aus sich aus dem Mut und der Leidenschaft des geborenen Herausgebers. So auch, als 1976 Jürgen Serkes Serie über „Die verbrannten Dichter“ erschien.

Bis in die letzten Winkel der Welt war der Stern-Mann gereist, um dem Schicksal von Autorinnen und Autoren nachzuspüren, die während des Dritten Reiches ins Exil gehen mussten, um ihr Leben zu retten. Manche von ihnen waren hierzulande bereits völlig vergessen. Das reizte den Reporter. Mit seinen Recherchen rückte die Emigration überhaupt erst wieder ins öffentliche Interesse. In der Folge entwickelte sich überhaupt erst die Forschung zur deutschen Exilliteratur. Das später verlegte Buch ist unterdessen selbst in die Literaturgeschichte eingegangen. 

Was im „Stern“ stand, bewegte die Gemüter. Die verkaufte Auflage lag damals, um 1980, nahe der zwei-Millionen-Grenze. Heute verzeichnet die Statistik 320.000 gedruckte Hefte, von denen kaum 200.000 verkauft werden, sagen Kenner der Branche. Nicht einmal die Konkurrenz mag sich darüber vor Schadenfreude auf die Schenkel schlagen. Ist dieser Verfall des einstmals so großen Journals doch zugleich ein Symptom für die deutsche Medienkrise überhaupt. Sicher gibt es da Besonderheiten. Fraglos hat sich der „Stern“ die Wassersuppe auch selbst eingebrockt, als er 1983 die gefälschten Tagebücher Adolf Hitlers mit großem Brimborium veröffentlichte. 

Wer die Kritik scheut, wird vergessen

Doch das ist es nicht allein. Das spektakuläre Versagen besaß ja durchaus noch eine gewisse Faszination für die Leser. Tödlicher wirkte die Langeweile, die das Blatt nachher verbreitete. Wer immer nur schwanzwedelnd um die Beine der Mächtigen streicht, hat dann auch nur zu berichten, was ebenso aus erster Hand zu erfahren ist, aus dem Mund des Regierungssprechers Steffen Seibert oder von Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Für die Leser erübrigt sich der Kauf des Magazins, wie es sich für den Verlag nicht länger rentiert, den Stern mit einer eigener Politik- und Wirtschaftsredaktion und einem Hauptstadt-Büro auszustatten. Wer die Kritik scheut, wird vergessen.

Wer sich lieber andient, als dass er angreift, serviert eine schale Suppe noch im Abgang. Wenn schon Untergang, dann doch lieber mit Pauken und Trompeten, als das erbärmliche Siechtum, mit dem das einstige Aushängeschild des deutschen Nachkriegsjournalismus jetzt vor die Hunde geht. Angesichts seiner Geschichte hätte der Stern Besseres verdient – ein Verglühen, bei dem noch einmal die Funken sprühen, ein Aufleuchten des verflossenen Glamours. Das Ende würde dann weniger verbittern. Lächelnd könnten wir zum Abschied leise Servus sagen. 

Foto: Boston Traveller/ Harry Trask/AP via Wikimedia Commons

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Wolfgang Richter / 24.01.2021

@ Dr. Stefan Lehnhoff - Für Ihr Buch wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Nur was die Behauptung angeht “Corona -Größter Betrug aller Zeiten” dürften Sie trefflich streiten mit den “Weltklimarettern”,  denn was den monetären Vorteil von CO2-Zertifikaten für die entsprechend Privilegierten angeht, dürfen Sie dort einige “Kokurrenz” haben. Und die diversen Öko- und neuerdings “Luftsteuern” (Co2) dürften bezüglich der zu erreichenden betrügerischern Gewinnmarge national und international zumindest derzeit noch einigen Vorsprung haben. Zu den möglichen Gewinnmargen von C02-Zertifikaten könnten Sie ja mal u.a. bei einem der Helden der Klima-Hüpf-Kids, Mr. Al Gore, nachfragen, zu dem ich irgendwo einmal gelesen habe, daß er als einer der “Mit-Erfinder” quasi so eine Art “Patent-Gebühr” bekommen soll, es bei jedem der weltweit gehandelten “C02-Luftbuchungen” auch auf seinem Konto klingelt, während er auf seinem See-Grundstück an der Pazifikküste am Cocktail nuckelt und er den Meeresanstieg beobachtet, von dem er sein dort erworbenes Millionen wertiges Anwesen offenbar genauso wenig gefährdet sieht, wie sein Kumpel Obama am dem Pendant am Atlantik. Richtig ist sicher, daß der panikgläubige angeblich mündige Bürger sich widerstandslos für das eine wie das andere Thema gnadenlos abzocken läßt, teilweise vor Wonne noch nach “Mehr davon” verlangt. Dann ist es aber laut Definition von “Betrug” kein solcher mehr, denn wer die Selbstinformation ausblendet / verweigert und quasi mit vollen Einverständnis zahlt, kann sich kaum als “betrogen” fühlen. Wenn wer zu viel Knete hat, dann muß die halt in den Wirtschaftskreislauf.

Steve Acker / 23.01.2021

Hab beim Friseur gelegentlcih reingeschaut. Öde, linke Regierungspropaganda. Werde ihm nicht nachweinen.

Ruth Rudolph / 23.01.2021

@Eberhardt Feldhahn Bevor das geschieht, dass dieses Käseblatt untergeht, wird doch sicher Frau Merkel noch ein Scherflein aus dem Steuersäckel für es übrig haben. Untertäigkeit und A…..kriecherei muss schließlich belohnt werden.

Jochen Schmitt / 23.01.2021

Schön, daß der stern stirbt. Die Sonne scheint. Das Herz lacht.

Rolf Lindner / 23.01.2021

Wie die alternativen Medien zeigen, gibt es genug Stoff, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wer mit dem Mainstream treibt ist bekanntlich ein toter Fisch.

Dr Stefan Lehnhoff / 23.01.2021

In ein paar Tagen ist mein Buch Corona- der größte Betrug aller Zeiten - fertig, Der Stern kann es gern abdrucken, zur Abwechslung ist weder Autor noch Inhalt gefälscht.

Gudrun Dietzel / 23.01.2021

@Dr. Mephisto von Rehmstack, nein, sie wissen eben nicht, daß sie an ihrer eigenen Verelendung schreiben. Das intellektuelle und auch das handwerkliche Niveau im Journalismus ist in den letzten 20 Jahren spürbar in den Minusbereich gerutscht. Das ist meiner Meinung und meiner Beobachtung nach das Ausschlaggebende. Dazu kommen krankhafte, einem Journalisten unwürdige Haltungsschäden und ein vollkommenes Verkennen der Aufgabe eines Journalisten. Wenn Volontäre und Jungredakteure von Chefredakteuren angehalten werden, es mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen, können Sie sich ausmalen, wohin das führt.

Fritz Fuchs / 23.01.2021

@ Frances Johnson:  >>Elbehochwasser in Hamburg<<  1962 gab es an der deutschen Nordseeküste eine überaus gefährliche Sturmflut. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen arbeiteten schon Soldaten und Rettungskräfte,  Feuerwehr und THW auf den Deichen, als Schmidt noch im Schlaf lag bzw. gar nichts Böses ahnte. Die Flutwelle gelangte erst wesentlich später nach Hamburg, das von der Küste knapp 100 km weit entfernt ist. Es war vor allem das Wasser der Nordsee, das mit der Tide nach Hamburg hinaufgedrückt wurde. Da die Hamburger ihre Deiche hatten verludern lassen, passierte genau das, was sich einige Jahrzehnte später an der Oder - vor allem auf polnischer Seite - aus gleichem Grunde wiederholte: Die verluderten Deiche brachen und Menschen kamen zu Tode. Helmut Schmidt, der sich als Macher hervorzutun versuchte (er fühlte sich wohl zu Höherem berufen als als Provinzpolitiker im Stadtstadt versauern zu müssen), ohne dass es zur Gefahrenabwehr seiner bedurft hätte - die Profis in dem Geschäft waren die Männer von THW und Feuerwehr - soll nach Angaben aus diesen Kreisen durchaus störend gewirkt haben. Schmidt wurde von der lokalpatriotischen BILD über den grünen Klee gelobt und zum großen Zampano aufgebaut.  Nur so am Rande: Ich war 1962 in HH Soldat und weiß daher, dass Schmidt nicht einmal in Hamburg einen sonderlich hohen Bekanntheitsgrad hatte, ehe sich BILD seiner annahm. (Schmidt, der als Rechter galt und mit dem in der SPD erforderlichen Stallgeruch nicht behaftet und daher den Linken in seiner Partei stets ein Dorm im Auge war, hätte ohne die massive überregionale Schützenhilfe der BILD wohl kaum den Sprung nach Bonn geschafft.)

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