Joachim Nikolaus Steinhöfel / 26.07.2024 / 09:00 / Foto: Achgut.com / 51 / Seite ausdrucken

Der Staat gegen Julian Reichelt

Wie die Bundesregierung einen unbequemen Journalisten mundtot machen möchte und sich dabei immer wieder blamiert.

Im April dieses Jahres konnte man eigentlich überall davon lesendass die Bundesregierung eine mehr als deutliche Belehrung des Bundesverfassungsgerichts darüber hatte zur Kenntnis nehmen müssen, was Presse- und Meinungsfreiheit in unserem Rechtsstaat bedeuten. Eine Belehrung, die mehr als nötig war. Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze hatte auf Geheiß ihres Staatssekretärs Jochen Flasbarth einen leicht erregbaren Berliner Anwalt engagiert. Ihr auf den ersten Blick aussichtsloses Vorhaben war es, Julian Reichelt eine Meinungsäußerung (etwa: Deutschland zahlt Entwicklungshilfe an die Taliban) verbieten zu lassen. Daran, dass u.a. das ZDF und die WELT noch deutlicher als Reichelt dieselbe Behauptung aufstellten, nahm die Bundesregierung keinen Anstoß. Schulze hat 20.000 Euro für ihre externe „Rechtsberatung“ ausgegeben, berichtete der „Tagesspiegel“, dem wir im Übrigen auch die schöne Überschrift zum Thema verdanken: „Wenn die Regierung sagt, was richtig ist“.

Ein juristisches Fachportal mit Hang zum Gendern attestierte dem Landgericht Berlin zunächst noch selbstbewusst „Realitätsverlust“, weil die Pressekammer, genau wie später das Bundesverfassungsgericht, zugunsten von Reichelt entschieden hatte. Sollten Sie auf den Gedanken verfallen sein, wenn man es hinterher besser weiß, ließe sich gut tönen („auf den ersten Blick aussichtsloses Vorhaben“), dann stimmt das. Aber wir haben auch vorher schon getönt, denn genau 53 Minuten nach Zugang von Schulzes Abmahnung war unsere Klage gegen die BRD eingereicht. Man brauchte also keinen Experten, dem man 20.000 Mücken zahlt, sondern inklusive Verfassen der Klageschrift nicht einmal einen Stundensatz. In diesem Verfahren hat die Bundesrepublik die Klage anerkannt.

Selbst Angehörige bildungsferner Schichten würden sich sagen, sowas mache ich nicht noch einmal, das hat weh getan. Aber dann gibt es da noch Ferda Ataman, die nicht nur Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung ist, sondern auch noch Diversity-Beraterin. Mein Freund Hamed Abdel-Samad hat in der Jüdischen Allgemeinen sehr schön dokumentiert, „Warum Ferda Ataman als Beauftragte ungeeignet ist“.

„Funktionsfähigkeit der Antidiskriminierungsstelle nachhaltig und gravierend beeinträchtigt“

Wir wissen nicht, ob Frau Ataman die eindeutige Entscheidung aus Karlsruhe nicht gelesen oder nicht verstanden hat oder ob sie dachte „die gilt ja bestimmt nicht für Diversity-Berater*innen“.

NIUS berichtete zuerst über den Fall einer Transfrau mit Penis, die von einem Frauen-Fitnessstudio in Erlangen abgewiesen wurde, weil die Betreiberin keinen biologischen Mann als Mitglied aufnehmen wollte. Die betroffene Person wandte sich an die Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, Ferda Ataman. In einem Schreiben vom 16.05.2024 schlägt Ataman der Betreiberin des Fitnessstudios vor, der "Frau (Name geschwärzt) eine angemessene Entschädigung in Höhe von 1000 Euro für die erlittene Persönlichkeitsverletzung" zu zahlen.

In der nachfolgenden Berichterstattung von NIUS heißt es u.a. „Regierung will 1000 Euro Bußgeld für Frauen-Fitnessstudio, …“ und „Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen“.

Ataman wollte NIUS diese Passagen gerichtlich untersagen lassen, weil diese „die Arbeit und die Funktionsfähigkeit der Antidiskriminierungsstelle nachhaltig und gravierend beeinträchtigen“ würden. Das Anliegen blieb in beiden Instanzen, beim Landgericht Berlin und beim Kammergericht, erfolglos. Das Kammergericht führte u.a. aus: „Der Staat hat grundsätzlich auch scharfe und polemische Kritik auszuhalten… Zu fragen ist, ob die jeweilige streitgegenständliche Äußerung geeignet ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die Arbeit der betroffenen Behörde und deren Funktionsfähigkeit zu gefährden… So liegt es im Fall nicht einmal ansatzweise.“

„Ein völlig gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit“

Ataman wollte eine, so das Gericht (Beschluss vom 15.07.2024, 10 W 56/24) „rechtmäßige Meinungsäußerung“ verbieten lassen. Damit ist sie nun gescheitert.

Weiter heißt es in dem Beschluss, das „Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist.“

NIUS hat in Zusammenhang mit diesem Fall bei Erhalt der Abmahnungen bereits am 02.06.2024 negative Feststellungsklage vor dem Landgericht Hamburg erhoben, um feststellen zu lassen, dass der Anspruch nicht besteht. Wegen von der Behörde von Frau Ataman verweigerter Antworten auf Presseanfragen wurden in zwei Fällen vor dem Verwaltungsgericht Berlin Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht.

Dass die Bundesregierung nach ihrer Niederlage vor dem Verfassungsgericht gegen Julian Reichelt im April erneut gegen NIUS vorgeht, dokumentiert ein völlig gestörtes Verhältnis zur Pressefreiheit. Die umstrittene Antidiskriminierungsbeauftragte Ataman wird schmerzhaft lernen müssen, was Meinungsfreiheit bedeutet. Machtkritik gehört zum freiheitlichen Staat, und daran wird auch diese Bundesregierung nichts ändern.

NIUS-Chefredakteur Julian Reichelt: „Die Meinungs- und Pressefreiheit ist für unseren demokratischen Rechtsstaat von fundamentaler Bedeutung. Für diese Bundesregierung gilt das offenbar nur eingeschränkt. Erneut muss man sich gerichtlich belehren lassen, dass man ‚rechtmäßige Meinungsäußerungen‘ nicht verbieten lassen kann. Dass unsere Berichterstattung die Machthaber so sehr stört, zeigt, dass wir mit unserer Arbeit sehr viel richtig machen.“

PS und PPS und PPPS

PS: Pflegt das jemand in den Wikipedia-Eintrag von Frau Ataman ein, bitte?

PPS und unvollständig: NIUS hat wegen verweigerter Presseauskünfte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung u.a. gegen das Außenministerium, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, das Innenministerium von Frau Faeser und weitere Ministerien sowie zwei solche Anträge gegen das Haus von Frau Ataman eingereicht.

Vor Gericht habe sowohl das Ministerium von Frau Baerbock als auch das Haus von Claudia Roth die Auskünfte erteilt und die Kostentragung anerkannt. Die Verfahren gegen Frau Ataman und Nancy Faesers Innenministerium laufen noch.

Presseanfragen an sämtliche Ministerien und Beauftragte der Bundesregierung, ob und wenn ja wie oft und wegen welcher Aussage man seit Amtsantritt der Ampel gegen Journalisten oder Medien vor Gericht gegangen sei, wurden nur von Frau Ataman nicht freiwillig (sondern erst vor dem Verwaltungsgericht) beantwortet. Die Bundesregierung ging seit Amtsantritt insgesamt zweimal gegen journalistische Inhalte vor. Gegen wen, wissen Sie nach Lektüre dieses Textes. Ein einziges Mal ging die Regierung auch anwaltlich gegen einen Journalisten vor, ohne dass es vor Gericht ging. Das war Frau Faeser, die aber nicht verraten möchte, gegen wen und wegen welcher Äußerung. Da NIUS das aber gerne wissen möchte, liegt die Sache jetzt dem Verwaltungsgericht Berlin zur Entscheidung vor.

PPPS: Hier ein Bericht der WELT zum Thema.

 

*Die Überschrift  "Der Staat gegen Julian Reichelt" ist eine glatte Raubkopie aus der FAZ.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Joachim Steinhöfel.com. Von Steinhöfel erschien kürzlich der Spiegel-Bestseller "Die digitale Bevormundung: Wie Facebook, X (Twitter) und Google uns vorschreiben wollen, was wir denken, schreiben und sagen dürfen.“

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Sabine Heinrich / 26.07.2024

Ich melde mich hier nur kurz, weil ich feststellen musste, dass ich weder AUF1, noch Reitschuster erreichen kann. Error - das “Zauberwort”. Wer von Ihnen erlebt(e) Ähnliches? Über Antworten würde ich mich sehr freuen!

Ulla Schneider / 26.07.2024

Zuguterletzt, denkt dran liebe Foristen, der Topf von ‘Meinungsfreiheit im Netz’ muss auch voll werden. Viele haben nicht die “Knete” um sich gegen solche “Babyschreier” zu wehren. Wenn schon ” nehmt das Recht weg, was bleibt dann übrig als nur eine Räuberbande” näher kommt, brauchen wir taffe Ritter!  So einer ist Steinhöfel. Dafür großen Dank mit Musketierdiener!

Dr. R. Möller / 26.07.2024

Schon aufgefallen ? Alles weibliche Minister - keine Flintenweiber aber Quotenfrauen! Weiß nicht was schlimmer ist.

Sam Lowry / 26.07.2024

Dieser linksextreme Staat gegen ALLE kritischen Denker! Unfassbar…

Karsten Mahncke / 26.07.2024

Immer schön zu lesen, wie Vorzeigedemokraten mit „ihrer Demokratie“ an der Demokratie scheitern.

Ute Maria Laufs / 26.07.2024

“Selbst Angehörige bildungsferner Schichten würden sich sagen, sowas mache ich nicht noch einmal, das hat weh getan. ” Warum so voller Dünkel? Die letzten vier Jahre haben eindeutig gezeigt, dass Bildung nicht unbedingt mit Intellekt und Charakter einhergeht. Frau Ataman wird die Rechnung doch auch nicht bezahlen. Woher soll der Lerneffekt denn kommen? Mich erinnert die Szenerie an ein schreiendes Kind an der Kasse. Da kann mehr sehr genau beobachten, welche Eltern einen Umgang mit der Situation haben oder eben nicht. Wenn man von Elternteilen aufgezogen wurde, die emotional abwesend waren oder ihren eigenen Mangel am Kind kompensieren, dann erzeugt man ein solches Verhalten. Zeige mir dein Verhalten und ich beschreibe dein Elternhaus/ deine Sozialisation. Wenn es zukünftig ganz schlecht läuft, wird sich Frau Ataman auf X wortreich bei hateaid für die Hilfe bedanken, die ihr zuteil wurde.

Lutz Herrmann / 26.07.2024

Frau Ataman hat einen großen Unterhaltungswert. In etwa so wie der Weißclown im Zirkus. Mit dem teilt sie nicht nur die Augenbrauen, sondern auch das aufgeblasene Gehabe.

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