Quentin Quencher / 04.02.2023 / 16:00 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Der Spinnentöter

Ich war in einer Küche gelandet, die schreiende junge Frau – sie war wohl nur wenig älter als ich – stand mit dem Rücken an der Tür, weit aufgerissene Augen starrten ziellos in den Raum, doch ihre zitternde Hand am ausgestreckten Arm deutete in Richtung Spülbecken.

Ein Schrei! Ich arbeitete an einer Fassade, das Mehrfamilienhaus war eingerüstet und einige Fenster standen offen. Aus einem war dieser markerschütternde Schrei zu hören, und da ich noch jung und mutig war, sprang ich durchs Fenster in die Wohnung, um nachzusehen, was dort geschieht und ob ich, ganz jugendlicher Held, der offensichtlich in Not befindlichen, schreienden Frau helfen, ja, sie retten kann.

Erste Orientierung: Ich war in einer Küche gelandet, die schreiende junge Frau – sie war wohl nur wenig älter als ich – stand mit dem Rücken an der Tür, weit aufgerissene Augen starrten ziellos in den Raum, doch ihre zitternde Hand am ausgestreckten Arm deutete in Richtung Spülbecken. „Da, dort, da“, kreischte sie in einer Tonlage, dass es ein Wunder war, dass keine Gläser zersprangen.

Kurz war ich verunsichert, wusste nicht, was ich zuerst tun sollte. Die Frau beruhigen oder die Ursache ihrer Furcht suchen? Denn auf den ersten Blick konnte ich an der Spüle nichts entdecken.

Wie lecker doch eigentlich Insekten sind

Also trat ich näher ran und da sah ich es: Eine dicke Spinne krabbelte gemächlich um den Abfluss herum. Ohne viel nachzudenken, zerdrückte ich dieses Tier mit dem Finger und spülte es den Ausguss hinunter. Als die Schreiende realisierte, dass die Spinne getötet und entsorgt ist, stammelte sie nur noch: „Danke, danke, ich habe so eine Angst vor Spinnen.“

Nach ihrem Namen habe ich nicht gefragt, nur wissen wollen, ob es ihr nun besser gehe. Sie bejahte und entschuldigte sich noch mehrmals, es war ihr offensichtlich peinlich. Also ließ ich sie wieder allein, kletterte aus dem Fenster zurück aufs Gerüst und erfreute mich noch an meiner Heldenhaftigkeit, fühlte mich ein wenig wie Siegfried, obwohl es doch nur eine Spinne war, die ich tötete, und kein Drache.

Das Fenster war von nun an immer geschlossen, ich sah die junge Frau nie wieder. Ich habe dieses Erlebnis, geschehen so circa 1980, eigentlich schon vergessen geglaubt, doch heute kam es mir wieder zu Bewusstsein, was wohl daran liegt, dass man ständig darüber lesen kann, wie lecker doch eigentlich Insekten sind. Was die junge Frau von damals wohl heute darüber denkt, wenn Insekten als leckere Speisealternative angepriesen werden?

Beitrag ebenfalls auf Glitzerwasser erschienen.

 

Nachtrag: Danke an Immo Sennewald, der mich darauf hinwies, dass Spinnen keine Insekten sind (hier).

Foto: Pixabay

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Magdalena Hofmeister / 04.02.2023

P.S.: Diesen Artikel hätte ich übrigens mit Sicherheit nicht gelesen, wenn statt des Spinnennetzes eine Spinne im Foto gewesen wäre. Da hätte ich ganz schnell panisch weggeklickt. Ansonsten, ganz oder fast ohne Ironie: Sie sind ein Held, Herr Quencher.

Magdalena Hofmeister / 04.02.2023

Spinne, Insekt oder nicht, wird bestimmt auch noch erlaubt, um sie zu zermahlen und unters Mehl zu vermengen. Ich war wohl nicht die Frau von damals, aber hätte es gut sein können, Nur dass ich, warum auch immer, tote und plattgemachte Spinne noch ekliger finde als lebendige. Weswegen mein mich regelmäßig zu rettender Göttergatte in solchen Fällen in verzweifelte Ratlosigkeit getrieben wird, durch kurz hintereinander ausgestoßene Schreie wie: “Spinne, Spinne, weg damit”, gefolgt von: “Bloss nicht töten! Iiih.” Das Zimmer wird nicht eher wieder betreten, bis klar Schiff gemacht wird, indem das Tier eingefangen in eine Dose (bloß kein durchsichtiges Glas!) hinausgetragen und in sicheren Abstand zur Wohnung freigelassen wird. Danach sind mir natürlich meine Ausraster immer hochnotpeinlich. Eine wirklich krankhafte Phobie, die mich sogar für Tage nervös macht, wenn wieder irgendeine Terrarienshow (wobei mir Schlangen wiederum piepegal sind) in der Stadt ist. Aber allein der Gedanke, meine Phobie mit einer Konfontationstherapie auskurieren zu wollen, versetzt mich schon in Schockstarre, wobei merkwürdiger Weise die Tiere mich bei Begegung in der freien Natur weniger hysterisch machen als in der Wohnung. Sollten die Viecher wirklich für die Lebensmittelindustrie und damit für Brot, Mehl und Nudeln freigegeben werden, werde ich wohl auf Hungerkünstler umlernen müssen.

Gerhard Schäfer / 04.02.2023

Sehr geehrter Herr Quencher: Wie ich ahne, spielen Sie auf die “DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2023/5 DER KOMMISSION vom 3. Januar 2023 zur Genehmigung des Inverkehrbringens von teilweise entfettetem Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille) als neuartiges Lebensmittel ...” an! Das Thema ist keinesfalls soooo lustig, möchte doch UvdL (EU, im Rahmen des GREEN DEALs) und im Auftrag des WEF unsere Landwirtschaft ruinieren, damit einige Großkonzerne etwas mehr Gewinn mit Insektenproteinen einfahren können. Abgesehen davon, daß hier neue Keime über diese Insekten in unsere Nahrung gelangen, an welche die Menschheit noch nicht angepasst ist, halte ich dieses Vorhaben für gefährlich! Auch können neue Nahrungsallergien entstehen! - Und,- was die EU noch gar nicht auf dem Radar hat: - Immer dann, wenn wir unseren “evolutionär abgesicherten Ernährungskorridor” verlassen, besteht das Risiko von Prionenkrankheiten. Was meinen Sie, warum Nahrungsmittel-Phobien evolutionär bei Menschen fest verankert sind? In diesem Sinne: Guten Appetit!

Marcel Seiler / 04.02.2023

Männer, Frauen, Insekten: Alles nur gesellschaftliche Konventionen, mit denen die Mächtigen ihre Interessen vernebeln wollen.

R. Lichti / 04.02.2023

Ist dieser Mord eventuell noch gar nicht verjährt? Eventuell könnte man eine Affekthandlung geltend machen, aber ich finde es leichtsinnig, so ein Geständnis unter Klarnamen zu veröffentlichen! Selbst die rassistische Ausgrenzung (“Spinnen sind keine Insekten!”) könnte heutzutage justiziabel sein.

Ludwig Luhmann / 04.02.2023

Wenn es um unser Essen geht, dann sollte man ausschließlich das Wort “Ungeziefer” verwenden, um den Leute vor Augen zu führen, wie sehr wir von den Politikern und anderen Menschenverachtern verachtet werden!

A. Ostrovsky / 04.02.2023

Aber, Herr Quencher, Spinnen sind doch keine Insekten.

S. Andersson / 04.02.2023

Ob Insekt oder nicht, die Geschichte kenne ich so oder so ähnlich. Herrlich… mein Kopf spielt gerade den Film ab: junge Frauen die ihren Männern die Krabbeltierchen in der Pfanne anbraten. Die Gesichter der Männer …. unbezahlbar. Schlagzeile: Plötzlich und unerwartet wurden Frauen aus dem Fenster geworfen…..

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