Der Souverän lässt sich nicht einsperren

Von Milosz Matuschek

„Bitte bleiben Sie zu Hause“ – das war letzten Herbst die Bitte der Bundesregierung an die Bevölkerung. Aus der Bitte ist seit letzter Woche ein Befehl geworden. Nun heißt es: „Niemand verlässt den Raum!“ Man kann sich derzeit nur verwundert die Augen reiben darüber, was gerade passiert. Denn wenn man die neue Regelung mal eindampft, bedeutet sie nichts weiter als: Wenn mehr als 0,1% der Bevölkerung bei einem Test auf das Virus positiv anschlägt, sollen auch die restlichen 99,9% der Bevölkerung zwischen 22 und 5 Uhr das Haus nicht mehr verlassen dürfen. 

Eingesperrt in der eigenen Wohnung. Corona-Knast in den eigenen vier Wänden. Strafandrohung bei Verlassen der Wohnung. Geht’s noch? Während in den Nachbarländern gelockert wird, operiert die Bundesregierung mit dem Holzhammer autoritärer Regime. Ausgangssperren atmen den modrigen Hauch der Diktatur. Wer zu diesem Mittel greift, misstraut dem Bürger und hat deshalb selbst maximales Misstrauen verdient.

Grundrechte sind keine Speisekarte, aus der man erfährt, was gerade im Angebot ist, nach dem Motto: „Ich jogge nicht nach 24 Uhr, also ist es mir egal.“ Die Bewegungsfreiheit, allgemeine Handlungsfreiheit oder mobile Freizügigkeit sind basale Grundrechte, für deren Einschränkung es gewichtige Gründe braucht. Ist denn das Virus besonders nachtaktiv? Finden nachts große Menschenaufläufe statt, die Pandemietreiber sind? Nichts von alledem.

Pandemie der willkürlichen Panik-Politik

Es macht keinen Sinn, Menschen zur normalen Schlafenszeit am Betreten der Straße oder sogar ihres Gartens zu hindern, nur um sie dann morgens in vollen Bahnen und Bussen zu ihren Großraumbüros zu karren, wo sie sich seltsamerweise aber auch nicht in Massen mit Corona anstecken. Wie man es dreht und wendet: Es ergibt keinen Sinn. Angela Merkel hat recht: Wir sind in einer „neuen Pandemie“. Aber nicht wegen irgendeiner Mutante. Wir sind in einer Pandemie der willkürlichen Panik-Politik. 

Klingt nach schwurbeliger Polemik? Wenn der Staat Entscheidungen trifft und Maßnahmen verhängt, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder wenn sachliche Gründe schlicht fehlen, nennt der Jurist das nun mal so, weil es das ja ist: „Willkür“. Was also will diese Bundesregierung? Den Geduldsfaden der Bevölkerung testen? Ausprobieren, wie weit Menschen bereit sind, auch sinnfreie Maßnahmen gehorsam zu befolgen?

Die Exekutive bewegt sich gerade auf dem dünnsten Eis, das es gibt. Sie ist dabei, in einem politischen Dauerexzess das Restvertrauen der Bevölkerung zu verspielen. Willkürliche Regelungen müssen nicht befolgt werden. Es ist zudem zu erwarten, dass Gerichte diese Maßnahmen schnellstmöglich kippen.

Der Staat ist an Recht und Gesetz gebunden

Je einschneidender staatliche Maßnahmen sind, desto höher ist die Begründungsdichte. Der Staat handelt nicht im luftleeren Raum, sondern ist an Recht und Gesetz gebunden. Handelt der Staat willkürlich, bewegt er sich außerhalb der Rechtsordnung und verletzt neben den genannten Grundrechten auch noch das Rechtsstaatsprinzip aus Artikel 20 des Grundgesetzes, einer ehernen, unveränderlichen Norm. Diesem Prinzip entspringt unter anderem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der sich wie ein Leitfaden durch die gesamte Rechtsordnung zieht.

Staatliche Maßnahmen müssen nicht nur evidenzbasiert, klar und und nachvollziehbar sein. Sie müssen, wenn sie in Grundrechte eingreifen, einen legitimen Zweck verfolgen und diesbezüglich geeignet, erforderlich und in Abwägung mit den eingeschränkten Grundrechten ausbalanciert sein. So lernt es der Jurist im ersten Semester in der Staatsrechtsvorlesung. 

Vor 40 Jahren verhängte das kommunistisch regierte Polen den Kriegszustand „zum Schutz der Bevölkerung“, Ausgangssperren inklusive. Meine Eltern verließen damals mit meinem Bruder und mir das Land. In der Rückschau waren diese Maßnahmen der Anfang vom Ende der kommunistischen Herrschaft in Europa. Vielleicht sollte die Bundesregierung anfangen, ihre Maßnahmen vom Ende her zu denken? Der Bürger als demokratischer Souverän lässt sich nicht einfach aus fadenscheinigen Gründen einsperren.

Zuerst erschienen in der Berliner Zeitung. Mehr von Milosz Matuschek auf dem Blog Freischwebende Intelligenz.

Foto: Milosz Matuschek/Twitter

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Leserpost

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Friedrich Richter / 01.05.2021

Der Souverän lässt sich nicht einsperren.  Der Souverän ist sich auch seiner Rolle, seiner Rechte und seiner Verantwortung seinem Land (und auch der Zukunft seines Landes) gegenüber bewusst. Andernfalls ist er eben kein Souverän und kann nicht beanspruchen, als solcher behandelt zu werden.

Sepp Kneip / 01.05.2021

“Es ist zudem zu erwarten, dass Gerichte diese Maßnahmen schnellstmöglich kippen.” Welche Gerichte? Die wurden doch mit dem zweiten Ermächtigungsgesetz ausgeschaltet. Und das Bundesverfassungsgericht ist mit einem Vasallen der Diktatorin besetzt. Die Diktatur ist perfekt. Helfen könnte hier nur noch ein Volksaufstand. Aber der Souverän ist nicht souverän genug. um einen solchen zu proben. Im Gegenteil, der Souverän wurde von seinen Vertretern im Parlament verraten, indem diese beide Ermächtigungsgesetze durchgewunken haben. Der deutsche Michel geht lieber mit fliegenden Fahnen unter, statt sich zur Wehr zu setzen. Merkel pfeift schon seit Langem, nach guter Diktatoren-Art, auf Recht und Gesetz. Ihr Gesetz ist der Auftrag der globalistischen Milliardärs-“Eliten”, Deutschland an die Wand zu fahren. Und den erfüllt sie mit sadistischer Freude.

Rolf Kalb / 01.05.2021

“Der Bürger als demokratischer Souverän lässt sich nicht einfach aus fadenscheinigen Gründen einsperren.” Da muss man sagen, leider schon. Die Panik-Propaganda des polit-medialen Kartells macht es möglich. Oder sehen Sie die Wähler reihenweise zur AfD umschwenken? Dies wäre die einzig rationale Konsequenz. Wurde aber propagandistisch diffamiert und somit für den deutschen Michel ausgeschlossen. Ganz nach dem Motto, ich bin doch kein Nazi. Da lasse ich mich lieber mit Nazi-Methoden gängeln…

Kay Ströhmer / 01.05.2021

Ich bin gegen einen Schauprozess nach Vorbild der Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher. Kann man anders sehen, ist mir aber zu aufwendig.

Joerg Haerter / 01.05.2021

Evidenz interessiert die Regierigen nicht, die Entscheidungen sind auch nicht medizinischer Natur sondern politischer, Originalton Merkel. Spätestens beim Fahnenweitwurf Merkels des von Gröhe überreichten Nationalsymbols sollte jeder aufgewacht sein und ahnen, was uns blüht. Aber man schlief weiter. Jetzt ist angerichtet, und die Suppe muss das Volk auslöffeln, geliefert wie bestellt. Auf Mahner und Warner hört man in der Regel nicht, im Gegenteil, der Überbringer der schlechten Botschaft wird einen Kopf kürzer gemacht, nun, wenn es gefällt…

A. Ostrovsky / 01.05.2021

Wer seine Muttersprache verleugnet, lässt alles mit sich machen. Das alte Prinzip der Römer, die Kinder der Vasallenfürsten nach Rom zu entführen, um sie als Geisel gegen eventuelle Bewaffnete Interessenvertretungen der Vasallen einzusetzen, ist Barbarei. Aber diese Barbarei ist Gewohnheit seit Anbeginn menschlicher Kultur. Die rücksichtslosesten Kidnapper bauen ihre barbarische Macht zum Imperium aus und haben damit die Begründung, warum sie allen ihren Vasallen ihre Sprache aufzwingen können, auch denen, wo sie nicht die Kinder mit Gewalt in die Hauptstadt des Imperiums verschleppt haben. Die Propaganda des Imperiums lässt die Vasallen, die Tributpflichtigen, glauben, sie wären minderwertig, schon ihrer unkultivierten Sprache wegen. Und wenn ein Vertreter der untersten Gesellschaftsschicht des Vasallenstammes zu Höherem strebt, wird er zuerst versuchen die Sprache des Imperiums nachzuahmen, oft klingt es schrecklich, aber der Vasall glaubt dadurch, seine Minderwertigkeit zu überwinden. Die Untersten der Vasallen, die ihre eigenen Sprache nur unkultiviert sprechen, glauben sie müssten sich durch Begriffe des Imperiums aufwerten. Und so wie sie in ihrer eigenen Sprache unfähig sind, kompliziertere Sachverhalte auszudrücken, wird es in der Fremdsprache nur noch primitiver. Wozu schreibe ich das? Es sind die Untersten, die Tagediebe, die Halunken, die im Auftrage der Herrscher ihre eigene Kultur, ihre eigene Identität verleugnen, weil sie überhaupt keine haben. Die lassen sich bereitwillig einen Chef vorsetzen, der in Wahrheit ihr Feind ist, der die Landessprache nicht beherrscht und durch NICHTS dazu befähigt ist, Chef zu spielen.  Der Souverän, wenn er überhaupt noch lebt, ist machtlos gegen die grenzenlose Ignoranz der Fremden und die eigenen Dummköpfe. Er muss sich ergeben, weil er nicht kämpfen will.

Jutta Berg-Schlosser / 01.05.2021

Zu Ihrem letzten Satz: ” Der Bürger als demokratischer Souverän lässt sich nicht einfach aus fadenscheinigen Gründen einsperren.” Leider eben doch - und das ist für mich die erschütterndste Erkenntnis in dieser sogenannten Pandemie.

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