Der Sonntag dient ja bekanntlich der Ruhe und dem Gebet. Es wurde sogar eine eigene Art der Sonntags-Berichterstattung erfunden, sie nennt sich „Constructive Journalism“ oder auch „Konstruktiver Journalismus“. Auf Wikipedia wird das Sonntagsschreiben so definiert: „Konstruktiver Journalismus will über positive Entwicklungen berichten, um ein einseitiges negatives Weltbild bei den Lesern zu verhindern. Probleme sollen dabei nicht ignoriert, sondern um die Diskussion möglicher Lösungsansätze erweitert werden.“ Auf gut Deutsch: Konstruktiver Journalismus ist eine Fortsetzung des Sonntags-Gottesdienstes mit anderen Mitteln, inklusive Fürbitten und Aussichten auf einen Platz im Himmel oder im Bundes-Presseamt, was in Sachen Rente auf das Gleiche herauskommt. Kein Wunder, dass sich immer mehr Kollegen dieser Bewegung anschließen. Wenn Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm als Sonntagspredigt einen Kommentar aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der TAZ vorlesen kann, dann ist der Weg zum Constructive Journalism vollendet. Wir befinden uns auf der Zielgeraden.
Ich darf da mitreden, weil ich schon Anfang der 1980er Jahre für den Heinrich Bauer Verlag ein Magazin Namens „Chancen“ erfand, was nach kurzer Zeit allerdings nicht im Himmel sondern mit einer konstruktiven Pleite endete, warum ich jetzt hier rumtoben muss. Ich war meiner Zeit einfach zu weit voraus, Angela Merkel wurde erst 2005 zur First Gesundbeterin der Nation, danach wären die Chancen größer gewesen, heute sogar unbegrenzt. Schließlich buddelt her Constructiveness Lady Angela das Loch, in dem wir sitzen, immer schneller, weshalb wir bald am gegenüberliegenden Weltende Licht sehen werden.
Der Tunnel, der unter dem Kanzleramt beginnt und von dort durch den Erdkern gegraben wird, endet laut „Antipodes Map“ bei den Koordinaten 52° 31' 1.3 Süd und 166° 36' 40.1 West. Soweit die gute Nachricht. Und jetzt die schlechte: Das Grundstück liegt unter dem Meeresspiegel irgendwo im Pazifik zwischen Chile und Neuseeland. Aber wir haben ja den konstruktiven Journalismus. Und dessen Lösungsansatz lautet: Pack die Badehose ein.
Nach 1.145,53 Jahren schuldenfrei
Ich finde das ganz bestechend und habe deshalb ein ganz ähnliches Konzept entwickelt, in dem ich drei sehr unterschiedliche Probleme einer gemeinsamen integrativen Lösung zuführe und zwar auf rein wissenschaftlicher Basis. Da wäre zum einen die beginnende wirtschaftliche Krise der Automobilindustrie. Des Weiteren ist da die aus ethisch-moralischen Gründen dringend notwendige Hinwendung zur Elektromobilität, die beim deutschen Michel bislang aber lediglich in Form von Tretrollern ankommt. Und dann wäre da noch die Europäische Zentralbank, die den Einlagenzins mittlerweile ins negative gedreht hat. Motto: Wer Geld auf der Bank hat, muss dafür zahlen. Wer sich welches leiht, bekommt noch was oben drauf.
Und jetzt kommt meine Idee, wie wir diese drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Dazu muss man wissen: Die meisten Autohersteller haben, wie beispielsweise VW, eine eigene Bank. Diese Bank leiht sich nun bei der EZB 100.000 Euro mit minus 2 Prozent, das heißt, sie hat nach einem Jahr nur noch 98.000 Euro Schulden, irgendwann sind die Schulden dann gleichsam weggezaubert.
Das Geschäft kann sie aber nur unter der Bedingung machen, dass sie das Geld weiterverleiht. Also leiht sie einem VW-Kunden 100.000 Euro für den Kauf eines superschicken Elektromobils a la Tesla. Der EZB-Reibach wird geteilt, ein Prozent für die Bank, ein Prozent für den Kunden, im ersten Jahr also 1.000 Euro für die Bank und 1.000 Euro für den Kunden als Weltrettungsprämie. Mit den Negativzinsen, sprich der Weltrettungsprämie, zahlt der Kunde den Kredit ab, er ist gleichsam geschenkt mitsamt dem Auto. Man muss nur ein bisschen Geduld haben. Wenn dieser Zinsrechner (er funktioniert schon mit Negativzinsen) stimmt, ist der stolze Elektroautobesitzer nach 1145,53 Jahren schuldenfrei.
Der rechtschaffene Bankräuber wird auf EZB umgeschult
Jetzt möge man einwenden, das weder das Auto noch sein Besitzer diese Lebenserwartung haben. Aber wozu sollten sie? Die Summe zahlt sich ja gewissermaßen von selbst, die Anwesenheit des Käufers auf diesem irdischen Planeten ist dafür nicht erforderlich, die des Autos auch nicht. Und wenn das kaputt geht, kriegt er einfach ein Neues für geschenkt. Dann zahlen sich eben zwei Kredite von selbst. Oder zehn. Kommt nicht drauf an. What ever it takes.
Damit ist die Autoindustrie gerettet, die Verkehrswende geschafft und der Euro ein ewiger Hort der Stabilität. Lästige Solvenzprüfungen sind überflüssig, selbst der rechtschaffene Bankräuber wird auf EZB umgeschult. Ich habe jetzt drei ernsthafte Fragen an Fachleute, die ich am späten Samstagabend, an dem ich das hier schreibe, nicht mehr klären konnte: Spinne ich? Spinnt der Zinsrechner? Spinnt die EZB? Oder spinnen wir alle? Oder ist endlich ein neues Zeitalter ausgebrochen, in dem das Manna vom Himmel fällt? Für sachdienliche Hinweise bin ich wirklich dankbar. Denn ich möchte in der Tradition des Constructive Journalism möglichst schnell einen großen Tunnel zum ewigen Licht der Erkenntnis graben und ihnen erzählen, wie schön es ist, gemeinsam baden zu gehen.
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