Dirk Maxeiner / 01.08.2021 / 06:15 / Foto: Imago / 109 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Wo ist Karlsruhe?

Wer ein kurzes Wort für „Bundesverfassungsgericht" sucht, sagt oft einfach „Karlsruhe". Wer „nach Karlsruhe geht", fährt ganz schweres juristisches Geschütz auf, gleichsam die dicke Bertha, die die Verhältnisse endgültig und final klärt.

Das höchste deutsche Gericht residiert im Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe, rund 115 Meter über dem Meeresspiegel, ganz korrekt gesagt 115 m ü. NN (Normalnull). Das Hauptgebäude entstand in den 1960er-Jahren und wird nach seinem Berliner Architekten „Baumgartenbau" genannt. „Mit der offenen Bauweise wollte er demokratische Transparenz ausdrücken", heißt es auf der Website des Gerichts. 

Ich bin neulich extra nach Karlsruhe gefahren, um durchzublicken im Baumgartenbau und vielleicht eine rote Robe zu erspähen. Hat aber nicht geklappt, vielleicht war ich zu früh oder zu spät. Der Laden kam mir vor wie ein Aquarium in der Mittagsruhe.

Während die Grundrechte der Bürger schneller abgeräumt werden, als Lewis Hamilton eine Runde um den Nürburgring drehen kann, sind Präsident Stephan Harbarth und die Seinen auf Tauchstation. So schrieb ich hier unlängst: „In Karlsruhe kann er sich nicht aufhalten, denn dort müssten ihm die Stapel auffallen, die sich inzwischen aus Verfassungsbeschwerden und sonstigen Begehren zur Causa Corona auftürmen. Wenn es so weitergeht, werden sie bald fossilieren und dem Matterhorn Konkurrenz machen." Und es geht so weiter. Inzwischen werden Demonstrationen nach Gutdünken verboten, aktuell soll deutschen Staatsbürgern sogar die Einreise in ihr Land ohne Coronatest verweigert werden.  

Hat Käptn Harbarth vor Schreck bei der Bundeswehr eine U-Boot-Klasse 212 ausgeliehen und lauscht am Boden des Spreekanals mit seinem Sonar den Signalen aus dem Berliner Kanzleramt? Oder hat er sich in Karlsruhe unter seinem Schreibtisch in Sicherheit gebracht, die Aktentasche auf dem Kopf aus Angst vor herabfallenden Gegenständen oder Muttis Zorn? Wann kommen die roten Roben wieder unterm Schreibtisch hervor? Oder sind sie da gar nicht mehr? Arbeiten sie inzwischen als Gärtner verkleidet im benachbarten Botanischen Garten oder haben Zuflucht in den Asservatenkammern des badischen Landesmuseums gefunden?

Das Verbleiben des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Corona kann sich inzwischen mit den großen Welträtseln messen, etwa dem Geheimnis des Bernsteinzimmers, der Lage des mystischen Inselreichs Atlantis jenseits der Säulen des Herakles oder Winnetous Schatz im Silbersee. Zwischendurch tauchen die roten Roben ja durchaus einmal auf wie ein Geisterschiff im Bermuda-Dreieck, etwa zu einem Abendessen bei der Kanzlerin. Wurde dort vielleicht ihr künftiges Wirken als Ghost-Squadron besprochen, als Force-Attrappe mit Kampfgeräuschen aus Lautsprechern und aufblasbaren Panzern?

Möglicherweise haben Harbarth und Gefolgschaft aber auch im Grünen Gewölbe in Dresden Zuflucht gefunden, dafür spricht zumindest ihr kürzlich gefälltes Klima-Urteil.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Marc Blenk / 01.08.2021

Lieber Herr Maxeiner, das Hauptproblem liegt darin, dass es in Deutschland an der wichtigsten Stelle keine Gewaltenteilung gibt. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werden von den Parteien bestellt wie die Margherita beim Pizzaservice. Da kann es gar keine Unabhängigkeit geben. Dieses Gericht ist ganz zwangsläufig der verlängerte Arm des Parteiensystems. Eine Zeitlang kann so etwas überdeckt werden durch ein paar Charakterköpfe, die es durchaus auch schon gab unter den Roben. Aber über kurz oder lang obsiegt der Wille der Parteien. Vor allem wenn sich kartellmäßige Strukturen durchgesetzt haben.

Achim Schramm / 01.08.2021

Große Zustimmung, lieber Herr Maxeiner. In diesem Zusammenhang fällt mir ein alter Spruch ein: wess’ Brot ich ess, dess’ Lied ich sing! Aber vielleicht will die alte fette Frau in Berlin auch nur vorbeugen?

Brian Ostroga / 01.08.2021

Das sich das Verfassungsgerichg wegduckt ist scjon tragisch, dabei bin ich so gespannt wie sie die Regierungslinie verteidigen werden. Vor den Gerichten sind leider nicht mehr alle gleich. Man denkt zwar sofort an “Querdenker”-Demo, aber ich fand die Verbotsbegründung der anderen Demo (mit 3500 gemeldeten Teilnehmer) viel aufschlussreicher und möchte sie hier wieder geben: Quelle ist rbb24.de “In der ersten Entscheidung zu der “Für Frieden, Freiheit, Wahrheit”-Demonstration teilte das Gericht mit, es teile es die Prognose der Polizei, wonach durch die angemeldete Versammlung eine unmittelbare Gefahr für das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bestehe. Eine solche unmittelbare Gefahr ergebe sich aus dem gesteigerten Risiko aufgrund der in Deutschland überwiegend verbreiteten Delta-Variante und ihrer möglichen Verbreitung durch die Versammlungsteilnehmer, so das Gericht in der Begründung der Entscheidung. Die durch die geplanten Versammlungen bereits innerhalb Berlins entstehende erhöhte Infektionsgefahr weite sich durch die Anreise der Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet noch aus.” Ich wusste nicht das der/die/das “CSD” eine rein Veranstaltung für Berliner war, nur so als Maßstab.

Steffen Huebner / 01.08.2021

@F. Hoffmann-  Um ihre Frage zu beantworten: Treffen zwischen den Verfassungsrichtern und der Bundesregierung gibt es seit 2012. Wurden von der bösen Stiefmutter eingeführt. Holen sich dort ihre Anweisungen im Rahmen eines warmen Buffet ab, ist anzunehmen.

Christoph Kaiser / 01.08.2021

@ Dr Stefan Lehnhoff : Eigentlich begrüsse ich keine fremde Gewissensqual. Sollte aber ohne selbige Ihre Feder stocken, freue ich mich schon über ein klein Wenig….;-)

G. Böhm / 01.08.2021

Nachtrag 3 - @ Ilona Grimm: Die Frage läßt sich mit Hinblick auf die weiter zurückliegende Vergangenheit vermutlich eindeutig mit ‘nein’ beantworten. Was die Gegenwart betrifft, mag es so sein, daß sie eine Reihe von Zuträgern hatte und hat, die ihr die Schwächen ihrer Vasallen und Lakaien freiwillig auf dem Silbertablett, in der Erhoffnung eines kleinen Vorteiles, serviert haben. Diese Infos für sich abzuschöpfen, dazu reicht ihre schmalspurige Intelligenz und Cleverneß allemal. Ihre Auftraggeber betreffend haben vor einigen Tagen zwei spitzfindige selten argumentierende (Mit-) Kommentatorinnen den rechten Daumen auf die sensible Stelle gelegt. Dieser Fingerzeig ist m. A, n. sehr wahrscheinlich; als Stasi würde ich diese Serviceagenturen allerdings nicht bezeichnen wollen. - Warum sollte es ‘89 sehr viel anders als ‘45 gewesen sein. Das, was die Stasi konnte, können andere eben auch. Die Stasi hat nicht jeden Feind gleich erschossen oder ins Gefängnis gebracht. Es war doch für diese ein großer Erfolg, wenn man aus einem ‘Feind’ einen ‘Freund’ machen konnte, d. h., die Leute wurden umgepolt. Daß dabei nicht jeder einzelne Versuch zu hundertprozentigen Erfolg führen muß, ist auch hinlänglich bekannt. MbG GB

Claudius Pappe / 01.08.2021

Karlsruhe, das Bielefeld des Südens…........................................ Das BV( erf)G ist ein Scheinriese….................................................. Eine Fata Morgana der Demokratie

Frances Johnson / 01.08.2021

@ Steffen Hübner: Da hab ich mich vertan, aber irgendwie passt es.

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