Welches Auto würde der Osterhase fahren? Zunächst einmal, da bin ich mir ganz sicher: Ein gelbes. Schließlich ist das Gelbe vom Ei gelb. Und nicht nur das. Gelb ist auch die Sonne und der Optimismus, also des sonnigen Gemütes. Gelb scheint wie das Licht immer von oben zu kommen. Das meine ich räumlich, nicht politisch. Politisch steht Gelb für den Geschmack des Sauren. Zitronen sind gelb. Und damit sind wir schon fast bei der Marke, die der Osterhase bevorzugt.
Der ADAC verlieh viele Jahre lang die Auszeichnung „goldene Zitrone“ für die unzuverlässigsten Autos. Die Deutschen lachten sich schlapp über die ausländischen Konkurrenten aus Frankreich, Italien oder England, die so oft mit geöffneter Motorhaube am Rande der Autobahn strandeten. Inzwischen hat sich das ein bisschen geändert. Zitronen bauen wir jetzt selbst, sie haben einen Dieselmotor und sind astrein zuverlässig. Allerdings nur theoretisch, praktisch müssen sie draußen bleiben aus der Stadt. Die Pannenstatistik wird heutzutage von der deutschen Regierung angeführt und bedauerlicherweise gibt es noch nicht einmal Notrufsäulen.
Für den Osterhasen ist ein Diesel also nix, schließlich müssen gerade die Großstädte mit Ostereiern beliefert werden. Die dort residierende urbane Bohème glaubt an den Osterhasen (und meistens auch an den Weihnachtsmann) und möchte diese Tradition an ihre Nachkommenschaft weitergeben. Mit einem Löffel steckt der Osterhase ja stets im heidnischen Wunderglauben, weshalb er bestens mit einer Waldorf-Erziehung und der Vereinbarung zur Großen Koalition harmoniert.
Außerdem ist er ein sympathischer Geselle und womöglich Franzose. Das erste Mal schriftlich erwähnt wird er angeblich von dem deutschen Wissenschaftler Georg Franck von Franckenau in dem Text „De ovis paschalibus“, also „Über Ostereier“, aus dem Jahr 1682. Darin beschreibt er, wie sich Menschen im Elsass und angrenzenden Gebieten die Geschichte erzählen, dass ein Osterhase Eier in Gärten versteckt. Nun gut vielleicht ist der Osterhase auch nur ein Halbfranzose, die Deutschen und die Franzosen haben ja lange ums Elsass gestritten.
Der Hase fährt natürlich Ente
Auf jeden Fall ist der Osterhase ein Landei. Der Hase ist außerdem ein schnelles Tier, weshalb er es hinterm Steuer gemütlich mag. Der Osterhase fährt nämlich eine Ente, also einen Citroen 2CV, die meisten Franzosen sagen dazu „Deux Chevaux (zwei Pferde)“, die Kölner „Zitrönsche“, was tatsächlich ein wenig wie Zitrone klingt (die Marke bekam beispielsweise 1975 die goldene Zitrone). Der 2CV hat ein großes Stoffdach, das sich aufrollen lässt wie der lange Sisal-Läufer im Hausflur, weshalb der Hase seine Ohren nicht anlegen muss. Ähnliches wird nur vom im vorigen Jahrhundert verschiedenen Volkswagen 411 kolportiert, der im Volksmund „Nasenbär“ hieß und über zwei Löcher im Dach verfügte. Damit die Esel, die ihn fuhren, die Ohren durchstecken konnten, sagte man.
Die Konstrukteure des 2CV hatten den Osterhasen von Anfang an als Stammkunde im Auge. Der legendäre Citroën-Direktor Pierre-Jules Boulanger entdeckte auf einer Landpartie die eklatante Nicht-Motorisierung des französischen Bauernstandes und erteilte 1934 den Auftrag, einen minimalistischen Kleinwagen zu entwickeln. Die Anforderungen lauteten:
„Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter Benzin auf 100 km verbraucht. Außerdem soll es selbst schlechteste Wegstrecken bewältigen können und so einfach zu bedienen sein, dass selbst eine ungeübte Fahrerin problemlos mit ihm zurechtkommt. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht. Auf das Aussehen des Wagens kommt es dabei überhaupt nicht an.“
Das Endergebnis sah aus wie eine eingedrückte Wellblechgarage, unter die ein Scherzbold Räder montiert hatte. Der 2CV wurde nach dem Krieg im Jahre 1948 auf dem Pariser Salon präsentiert, ein wenig verschämt – so nach dem Motto: „Wenn es uns wieder besser geht, bauen wir dann ein richtiges Auto“. Mussten sie aber nicht. Die Kritiken waren vernichtend, aber der Erfolg durchschlagend.
Die Designer schlugen mit der Heckflosse zurück
Das Ding wurde Citroën aus der Hand gerissen, bald gab es sieben bis acht Jahre Lieferzeit, Landwirte und kleine Gewerbetreibende wurden aus volkswirtschaftlichen Gründen bevorzugt. Für die Designer der Branche war die Ente hingegen eine disruptive Erfahrung: Es geht auch ohne sie. Das konnten sie natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Sie schlugen zurück und erfanden die Heckflosse.
Der Vergleich des kleinen Citroën mit einer hässlichen Ente ist übrigen nicht ganz zutreffend, denn in puncto Erscheinung und Verhaltensweise erinnert das hochbeinige Ding eher an einen Vogel Strauß. Der 2CV ist zwar nicht ganz so schnell aber ähnlich geländegängig. Und wer wissen will, wie es sich anfühlt, so einen komischen Vogel zu reiten, der kann einfach mit einer Ente über den nächsten Acker brausen. Beide haben große Augen, aus denen dauerhaftes Erstaunen über sich und die Welt spricht.
Die Elastizität des Fahrwerks lässt die Ente ständig nicken, wanken und gieren, mitunter sogar im Stand (das fiel im vorigen Jahrhundert allerdings unter das Kapitel „widernatürliche Unzucht“). Die Ente bietet ein Gefühl von Geborgenheit, besonders wenn es regnet, der Wind pfeift und bläst und die Tropfen auf die Dachplane trommeln. Das Durchqueren einer Regenfront beschert Gefühle, wie in einem lauschigen Stoffzelt während eines Gewitters.
Ich bin zwar kein Osterhase, habe aber auch einige Zeit hinterm Steuer einer Ente verbracht. So eine Ente ist immer eine Fahrgemeinschaft. Und zwar gleich zweifach. Es gibt eine innere und eine äußere Fahrgemeinschaft. Die innere, weil man grundsätzlich Anhalter mitnehmen musste, sonst hätte man sein Image als menschenfreundlicher Bohème ruiniert. Die äußere Fahrgemeinschaft wurde mit Lastwagen gebildet. Der Höchstgeschwindigkeit früher Enten wurde bei etwa 90 km/h vom Luftwiderstand natürliche Grenzen gesetzt, was gerade so ausreichte, um sich im Windschatten etwa 100 km/h fahrender Lastwagen zu halten.
Mit den 68ern erhielt die Ente eine politische Botschaft
Ich erinnere mich an einen spanischen LKW, dem ich auf der Rhone-Autobahn von Lyon bis Montpellier in etwa 2 Metern Abstand folgte, was mir zu einer persönlichen Bestzeit auf dem Weg zu südlichen Gestaden verhalf. Ich musste aber höllisch aufpassen, um an Bergauf-Passagen nicht den Anschluss zu verlieren. Ich überlegte ernsthaft, ob nicht ein Anker ein sinnvolles Zubehör wäre, den man mit einem Tau durchs Rolldach über die hintere Stoßstange des LKW werfen könnte. Seitdem habe ich jedenfalls Regel Nr. 1 für hohe Autobahn-Durchschnitte verinnerlicht: Niemals anhalten.
Mit den 68ern wurde die Ente dann zum „Studentenauto“ und erhielt eine politsche Botschaft. Mit keinem Gerät ließ sich die Verachtung der bürgerlichen Konsumgesellschaft mit ihren Statussymbolen besser demonstrieren als mit dem kleinen Citroën. Ein alter Käfer taugte dazu zwar auch, aber der war KDF-mäßig vorbelastet. Die Passagiere der Ente umgab automatisch ein Flair von Baguette, Käse und Rotwein, obwohl es sich nicht selten um schwäbische Betriebswirtschaftsstudenten handelte, die heimlich von Maultaschen träumten. Heute sind sie längst in den Schoß der Firma Daimler-Benz und von Mutti Merkel zurückgekehrt.
Außerdem war der Citroën 2CV schon lange vor der Gründung der Partei ein grünes Vorzeigemobil. Das lag vor allem am geringen Verbrauch. Außerdem war die Ente komplett biologisch abbaubar, sogar während der Fahrt. Den meisten Besitzern ist sie unterm Hintern weggerostet. Grün ist auch die Geräuschkulisse. Im Leerlauf rumpelt der kleine Boxermotor sonor wie Claudia Roth im Gespräch mit dem Dalai Lama. Mit steigender Drehzahl klingt es dann nach Claudia Roth in einem Disput mit Akif Pirinçci. Die Getriebegeräusche wiederum erinnern an Renate Künast bei einer Debatte über Dioxineier. Frohe Ostern!