Ein altes Auto macht unabhängig und äußerst gelassen. Ich fahre ganz gerne Gebrauchtwagen an der Schwelle zum Klassiker, so wie mein alter Volvo. Das leicht vergilbte hat doch auch seinen Charme. Eine abgebrochene Antenne und diverse tiefe Kratzer auf der Haube verdanken wir Berliner Vandalen, die das für einen revolutionären Akt halten. Ich ziehe bei so etwas nicht einmal die Augenbrauen hoch. In die abgebrochene Antenne habe ich einen alten Metall-Kleiderbügel gesteckt. Der Empfang ist jetzt besser als vorher. Das ist meine Art die Arschkarte zu zeigen. Mein Volvo und ich tragen solche Sachen stolz wie Trophäen. Jungs ihr könnt uns nicht schrecken: Wenn ihr die Kiste anzündet, rufe ich garantiert nicht die Feuerwehr. Irgendwie spüren selbst diese Deppen, dass sie mich nicht ärgern können und suchen sich seit geraumer Zeit andere Opfer.
Ein altes Auto, das nicht viel wert ist, entspannt das Gemüt ungemein. Und es hat seine eigene Ästhetik, die allerdings nicht jeder versteht, aber da bin ich selbstgenügsam. Genau wie mein Volvo: Der kriegt Wasser, Öl und die Reparaturen, die er unbedingt braucht. Mehr nicht. Differential und Hinterachse mahlen vernehmlich – und zwar schon seit 100.000 Kilometern. Kein Grund zu wirklicher Beunruhigung. Auch einige rostverdächtige Stellen rühre ich gar nicht erst an, weil ich weiß: Wenn ich da anfange zu kratzen, dann artet das womöglich in eine Generalsanierung aus. Also lasse ich es.
Das ist übrigens eine Einstellung, die auch in anderen Lebensbereichen von Vorteil sein kann. Zum Beispiel im Umgang mit einem alten Haus. Allerdings habe ich das erst gemerkt, als es zu spät war. Vor einiger Zeit habe ich einen Bungalow gekauft, der aus den 60er-Jahren stammt und einst die Mütterberatung der Stadt Augsburg beherbergte. Den wollte auch keiner so recht haben, weil er so gar nicht dem Ideal des postmodernen Nullenergie-Wohn-Sarges entspricht. Also hab ich zugeschlagen. Alles funktionierte noch ganz gut und war original 1962. Glasbausteine, wunderbare Glastüren mit Messingbeschlägen, Linoleumböden, Walmdach mit Biberschwanz-Dachziegeln.
Doch das 50 Jahre alte Dach musste isoliert werden, zumindest ein bisschen. Was aber mit der alten Eindeckung zu Feuchtigkeits-Problemen geführt hätte. Ende vom Lied: Neues Dach. Der ursprünglich ebenfalls als kleinerer Eingriff gedachte Einbau einer neuen Heizung und neuer Sanitäranlagen wuchs sich genauso aus. Das geflügelte Wort der Handwerker lautete stets: „Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ Motto: Wenn schon die Wände aufgehauen sind, dann macht eine neue Elektrik den Braten auch nicht mehr fett. Und so weiter und so fort.
Inzwischen darf ich behaupten: Nur noch die Außenmauern blieben stehen. Wie andere Leute auf die schiefe Bahn geraten, so schlidderte ich von leichten kosmetischen Reparaturen in eine Generalsanierung. Alte Autos und alte Häuser haben wirklich viel gemeinsam, allerdings muss man beim Haus den Rechnungsbeträgen jeweils ein bis zwei Nullen hinzufügen. Haussanierer werden nach kurzer Zeit vollkommen immun gegen fünfstellige Beträge und ein dauergestresstes Girokonto.
Noch nie kamen mir reizvolle Altwagen deshalb so preiswert vor wie im Moment. Die Relationen verschieben sich. Ich bin zwar pleite, aber in Sachen Auto-Leidenschaft ertappe ich mich dabei, leichtsinnig zu werden. Was man da für 3.000 Euro schon alles kriegt! Praktisch geschenkt. Wie heißt es doch so schön: „Darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an.“