Dirk Maxeiner / 17.10.2021 / 06:00 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer – VWs zu Treibhäusern!

Aus dem Golf 8 wird der bahnbrechende Golf 9: Rückbank raus, Tomatenbeet und Möhrenkultur rein. Und noch ein Hochbeet aufs Dach mit Kartoffeln für die Suppe. Volkswagens Zukunft ist die Produktion mobiler Treibhäuser. Eine Rettungs-Initiative.

Wenn sich die Synapsen im menschlichen Gehirn einmal gut verstehen, dann kommen Sachen wie Einsteins Relativitätstheorie oder die Heisenbergsche Unschärferelation heraus. Der Romancier John Steinbeck nannte den Moment einen „induktiven Sprung": 

„Die Relativitätstheorie ist Einstein im Handumdrehen klar geworden. Das ist das größte Rätsel des menschlichen Geistes: der induktive Sprung. Alles fügt sich ineinander, Belanglosigkeiten rücken in einen Zusammenhang, aus Dissonanz wird Harmonie, und was vorher Unsinn erschien, wird von Sinn überwölbt.“ 

Wenn die Synapsen sich unglücklich verknoten, wird das Netz zum Speicher und das Kobalt zum Kobold. John Steinbeck hätte den Moment wohl so beschrieben:

„Nichts fügt sich ineinander, Belanglosigkeiten rücken in keinen Zusammenhang, aus Harmonie wird Dissonanz, und was vorher als Sinn erschien, wird von Unsinn überwölbt.“ 

Dies ist ziemlich genau der Moment, den wir gegenwärtig erleben. Steinbeck hätte es vielleicht als „induktive Bauchlandung" bezeichnet, als Sonntagsfahrer neige ich zu dem Begriff „Zündaussetzer". Als einen solchen möchte ich beispielsweise das Begehren des obersten Volkswagen-Pfadfinders Herbert Diess charakterisieren, nur noch elektrische Autos bauen zu wollen – und dies in einem Moment, wo insbesondere Deutschland keinen lichten Schimmer davon hat, wo der Strom in der nächsten Dunkelflaute herkommen soll. „Wir müssen Sonne und Wind zur Stromerzeugung nutzen. Bei der Elektromobilität kommen davon 75 Prozent im Auto an", sagt Diess. Oder sie kommen eben auch nicht an, sage ich, das nennt man in der Musik unplugged, also eine Gitarre ohne Strom oder einen Tesla im Schiebebetrieb. „Das Auto ist eine vorübergehende Erscheinung. Ich glaube an das Pferd," sagte Kaiser Wilhelm II – und das, obwohl er Herbert Dynamo-Diess nicht kannte.

Zum Glück vereinigten sich meine Synapsen gestern so harmonisch wie ein argentinisches Tango-Paar, und ich kann mit der finalen Rettungsvision für das deutsche Wendemuseum aufwarten. Infolge eines induktiven Sprunges ist es mir gelungen, Energiewende, Mobilitätswende, Agrarwende und Intelligenzwende mit den Synapsen von Herbert Diess zu versöhnen.

Fangen wir mit den Belanglosigkeiten an.

Erstens: Die „Kultur-und Kreativpilot*innen“ Deutschland „bauen ihr kooperatives Netzwerk mit dem neuen Namen „inotiv“ aus. Sie suchen unter anderem „Unternehmer*innenpersönlichkeiten, die Mut beweisen, Engagement zeigen und stets hinterfragen: Was kann ich noch besser machen? Es ist wichtig, der Branche Gesichter zu geben und deutlich zu machen, welche Innovationskraft unsere Mutmacher*innen, Weiterdenker*innen und Wegbereiter*innen besitzen.“ Und wer fällt mir da ein? Eben.

Zweitens: Vor unserer Tür steht eine große Birke und darunter der kleine Fiat-Panda meiner Frau. Der ist eigentlich rot, wird aber immer grüner, so ähnlich wie die SPD. Birkensaft, Blätter und Pollen lassen allmählich Moos auf dem Dach wachsen, was nicht nur gut aussieht, sondern auch vielen Kleinlebewesen Unterschlupf bietet.

Ein Tesla, der nicht fährt, ist also durchaus was wert

Drittens: Immer mehr Menschen denken über einen kleinen Garten nach, der sie in Notzeiten mit Kartoffeln und Tomaten versorgen könnte. Mini-Gewächshäuser für draußen und drinnen boomen. „Urban Gardening" ist so hip wie Gretas Bommelmütze. „Viele springen auf den Nachhaltigkeitszug mit auf. Im Vordergrund steht dabei die spaßige Bewirtschaftung der Gärten, die umweltschonende Produktion und ein bewusster Konsum der Erzeugnisse", heißt es auf einer Seite zum „Worklifestyle".

Viertens: CO2, traditioneller Luftdünger etwa in holländischen Gewächshäusern wird knapp, wie Dünger überhaupt.

Fünftens: Tesla verdient mehr mit den Summen aus dem CO2-Ablasshandel als mit seinen Autos. Ein Tesla, der nicht fährt, ist also durchaus was wert.

Und nun – Trommelwirbel – der induktive Sprung. Er erfolgte gestern auf dem Parkplatz von Aldi. Die Herbstsonne schien direkt in meinen betagten Volvo Kombi, und als ich die Vorräte verstaute, fuhr es mir durch den Kopf: „Mein Gott, das ist hier drin ja so warm wie im Treibhaus!"

Bingo! Sprung! Induktion! Zündung! Treibhaus! Die Rettung für Volkswagen! Als „Kultur- und Kreativpilot*innen, Mutmacher*innen, Weiterdenker*innen und Wegbereiter*innen" sage ich jetzt mal ganz inotiv: Die Zukunft gehört dem Treibhaus! Und zwar dem Volkswagen-Treibhaus. Der alte Chef hieß ja schon, nomen es omen, Winterkorn. Die große Transformation des Konzerns zum weltgrößten Treibhaus-Produzenten und führenden Urban-Gardening-Anbieter ist geradezu zwangsläufig – und vor allem problemlos mit den bisherigen Fertigungslinien vereinbar. Und sogar mit dem Positionspapier der neuen Ampelkoalition respektive Agrarkoalition, laut dem ab 2035 sollen nur noch „CO2“-neutrale“ Fahrzeuge zugelassen werden.

Aus dem Golf 8 wird deshalb der bahnbrechende Golf 9: Rückbank raus, Tomatenbeet und Möhrenkultur rein. Und noch ein Hochbeet aufs Dach mit Kartoffeln für die Suppe. Gedüngt mit feinstem CO2 aus dem Dieselabgas, Schlauch genügt. Der Golf 9 ist damit kein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor mehr, sondern erfüllt alle Kriterien eines mobilen Gewächshauses mit Onbord-Düngemittel-Produktion. Der Golf 9 darf  als Landmaschine mit grünem Kennzeichen zugelassen werden, die sind von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, da sie an bestimmte Einsatzzwecke gebunden sind, etwa für Pferdeanhänger oder für Fahr- beziehungsweise Stehzeuge in der Land- und Forstwirtschaft. 

Für jedes verkaufte Golf-Gewächshaus erhält Volkswagen darüber hinaus CO2-Ablassgutscheine, von denen sich tadellos leben lässt. Auch ein Volkswagen, der nicht fährt, ist plötzlich was wert. Unsere Städte ergrünen, die Menschen erfreuen sich an der spaßigen Bewirtschaftung der Rücksitzbank und des Dachgartens. Die Strasse des 17. Juni wird zur Kleingartenkolonie so ähnlich wie schon das Flugfeld Tempelhof zum Landplatz für Stockenten.

Die Radieschen aus dem Handschuhfach schmecken doch ganz anders als die aus dem Supermarkt, man muss sie nur achtsam kauen wie das Positionspapier der Ampelkoalition. Tiere und Pflanzen finden auf und unter dem Blech immer neue Nischen. An den Ampelanlagen entsteht ein reger Kleinhandel mehwertsteurerbefreit ganz nach dem Geschmack der FDP, bei dem Bananen gegen Bohnen getauscht werden. 

Und der größte Clou: Die internationale Automobilausstellung (IAA) wird mit der Bundes-Gartenschau zusammengelegt. Der oberste Wolfsburger Schichtführer Herbert Diess singt mit seiner Belegschaft zur Eröffnung das schöne Lied: "Im Morgenthau zu Berge, wir ziehen, fallera!" 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Pixabay

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Reinhold R. Schmidt / 17.10.2021

Lieber Herr Maxeiner, keine Sorge. VW baut natürlich, wie alle DEU Autokonzerne weiterhin Diesel- und Benzin-Autos, bloß nicht mehr in DEU. Hier kann man als Konzern halt mit staatlichen Subventionen mittlerweile mehr verdienen als mit schnöder Produktion (siehe die ganzen anderen Klimakrisengewinnler). In Asien, Afrika, Südamerika und Nordamerika kann man allerdings (außer in einigen Großstädten) mit E-Autos kein Geld verdienen (siehe z.B Tesla). In diese Regionen wird dann eben durch die Weltkonzerne die Produktion verlagert. Was aus den ganzen mittelständischen Zulieferfirmen und deren Arbeitsplätzen in DEU wird, ist denen doch völlig egal - Hauptsache der Konzerngewinn stimmt.

Milan Viethen / 17.10.2021

@Hr.Scharff, das wird kein Morgenthau-Plan . In Deutschland wird wenigstens die Endmontage fuer China und die USA erhalten bleiben . Die afghanischen und syrischen Facharbeiter werden dabei das Loreley-Lied singen . Sehen Sie doch nicht alles so schwarz . Gruss

Jan Häretikus / 17.10.2021

Solche Manager wie Diess erinnern mich in ihrer Geschmeidigkeit, sich der Obrigkeit und den Zeitgeist anzudienen an Wolfgang Biermann - nein, das ist nicht der Vater des Politbarden - sondern der Generaldirektor des VEB Carl Zeiss Jena (1975- 1989).

HaJo Wolf / 17.10.2021

Selbst meine Schulzeit (1959 Einschulung bis 1972 Abi) war noch weitaus “ertragreicher” als die Schule von heute. Deutschland hat, danke Frau Merkel und Handlanger, jeden Stellenwert in Europa und der Welt eingebüßt, es ist aus meiner Sich nicht mehr möglich, einen solchen Stellenwert jemals wieder zu erlangen. Recht deutlich zeigt sich das z.B. beim Sport: die Formel 1 wird 2022 auf 23 Rennen ausgeweitet (was man gut finden kann oder auch nicht), Deutschland ist leider nicht mehr dabei, trotz zweier verfügbarer Rennstrecken. Die Schulbildung eines Abiturienten von heute ist, wie mir ältere Lehrkräfte sagten, nicht mal einen Bruchteil meines Bildungsstandes beim Abi wert. Das ist nicht neu, das ist seit wenigstens 20 Jahren so, wie im Laufe meiner Berufstätigkeit zahlreiche großmäulige, großkotzige, nichtskönnende und lernunwillige Diplom-Nichtsnutze bewiesen. Wissenschaftlichen Unsinn, ideologisch komplett eingefärbt, nachplappern und auf Demos rausschreien, das können die Hüpger und Jammerer. Leistung zeigen? Fehlanzeige. Finis germaniae. Und ehrlich gesagt, nicht schad drum.

A. Ostrovsky / 17.10.2021

Das ist ja wie mit der Anschlussverwendung für Politiker. Die Kanzlerin würde sagen: “Da kann man sich vieles vorstellen”. Aber eigentlich passt nichts. Ein VW aus fünfter Hand, Raucherauto, da lassen doch die Scheiben gar kein Licht mehr durch. Das ist für Pflanzen suboptimal. Vielleicht Pilze. Oder mit Speziallampen?

Terence B. Pickens / 17.10.2021

Da ist mein 34 Jahre altes,  einst bei Herbert Diess’  Arbeitgeber gefertigtes “Maultier” für den täglichen Gebrauch auf der Iberischen Peninsula:  574.000 km auf der Uhr, gerannt mit dem 1. Benzinmotor, Garagentemperatur nie unter +10° C, rostfrei.  Kürzlich konsultierte ich meinen Teilelieferanten Toni aus al-Andalus für den Fall eines irreparablen Motorschadens. Toni zeigte auf ein Triebwerk, welches extrem neu aussah: “Wir extrahierten den Motor aus einem havarierten Leichenwagen,  4.000 km gelaufen”. — Nun aktiviere ich meine Kontakte in der Provinz Albacete, wo noch Gesundbeten & Teufelsaustreibung praktiziert werden, um einen renommierten Exorzisten zu finden, welcher dem Aggregat das sicherlich anhaftende böse Omen nehmen kann. Es könnte passieren, daß nach dem Motoreinbau sich hinter mir der “Steife”  erhebt, mir die eiskalten Hände um den Hals legt & grunzt: “Sohn einer liederlichen Mutter, Du wagst es mich in meiner Totenruhe zu stören . . .” Als Plan ‘B’ würde mir noch ein unter einer atmungsaktiven Abdeckung “schlafender”  ‘89er mit wenig km dienen, um gegen die aufziehende E-Auto-Schizophrenie gefeit zu sein.

Wolfgang Heinrich Scharff / 17.10.2021

Mag sein, dass ich altmodisch bin, aber der “Morgenthau-Plan”, dieser Plan, unser schönes deutsches Vaterland wegen eines verlorenen Krieges von der Landkarte auszuradieren, ist nichts, womit man Scherze treibt. Auch unsere schönen deutschen Volkslieder ( wie die Loreley oder das hierzitierte) sind über Scham und Spott erhaben.

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