Dirk Maxeiner / 17.01.2021 / 06:00 / Foto: Pixabay / 39 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Vom Juchtenkäfer lernen

„Das Glück gleicht dem Balle, es steigt zum Falle“, sagt ein altes deutsches Sprichwort. Der Engländer formuliert es kürzer, aber ebenfalls prägnant: „What goes up, must come down“. Ein Bestseller zum Thema Flugsicherheit hat den Titel „Runter kommen sie immer“. Nicht nur die Lufthansa und der deutsche Fußball haben in den letzten Jahren den Scheitelpunkt ihrer Flugbahn überschritten, das ganze Land präpariert sich für eine Notlandung – mit Ausnahme der Herrschaften im Cockpit. Runter kommen die nimmer. Aber wir. Und bedauerlicherweise geht’s runter schneller als rauf. 

Der Sonntagsfahrer „Schneller Schalten" vor 14 Tagen war unter anderem dem Thema gewidmet, dass elektrische Autos genauso schnell rückwärts fahren können wie vorwärts. Die deutsche Politik kann sogar noch schneller rückwärts fahren, dies allerdings ausschließlich. Die Pkw-Produktion in Deutschland, schrieb Henryk M. Broder in DIE WELT, sei „auf das niedrigste Niveau seit 45 Jahren gesunken“. Um die Aufbauleistung von 45 Jahren zu vernichten, brauchte die Nomenklatura am Steuer der Abrissbirne nur ein paar Jährchen. Pest und Colera, darunter die Grünen und die deutsche Umwelthilfe, leisteten ganze Arbeit, der Corona-Lockdown gab den letzten Rest. Die Leiche zuckt aber noch, deshalb soll die Wirtschaft jetzt am besten ganz heruntergefahren werden.

Machen wir also einen kleinen Sonntagsausflug und begeben uns auf einen rückwärtsgewandten Zeitstrahl. Im Jahre 1975 sind wir ja schon angelangt. Zumindest in Wolfsburg oder Stuttgart. Und weiter geht’s nach Tübingen. Wenn wir dessen Oberbürgermeister Boris Palmer glauben dürfen, befinden wir uns dort sogar schon im Jahre 1945. Die Innenstadt ist zwar äußerlich noch intakt, aber ungefähr so lebendig wie deutsche Städte in den Jahren der Verdunkelung. Die seien ohne Handel nicht wiederzuerkennen: „Wie leer und öde es dann aussieht, ist derzeit unmittelbar spürbar“, schrieb Palmer an den Bundes-Altmaier über die Folgen des Lockdown. Wenn es so weitergehe, sei man in Zukunft gezwungen, in die Schweiz zu reisen, wenn man lebendige Innenstädte sehen wolle. Genau wie 1945.

Virus einer neuen Parteigründung

Eigentlich wollte ich ab da nicht weiterreisen, aber in Berlin ist man sogar schon in den Zeiten davor. Mit Hilfe des „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurde dort das gefährliche Virus einer neuen Parteigründung verhindert. „Polizei sprengt Gründung von Corona-Partei in Kneipe“ berichtet t-online. Angeführt von Anwälten hätten Anhänger der "Querdenker"-Bewegung am Donnerstag in einer Berliner Kneipe eine Partei gründen wollen.

Der Vergleich des „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ mit dem „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ aus dem Jahre 1933 ist natürlich vollkommen unangemessen, abgesehen von der irreführenden Tatsache, dass im aktuellen Gesetz zwei Dutzendmal die Formulierung „ermächtigen“ auftaucht. In diesem Spiegel-Beitrag erklärt das Sturmgeschütz der Regierung sehr eindrucksvoll, warum solche Vergleiche „richtig bösartig“ sind. Gemäß des journalistischen Grundsatzes „Audiatur et altera pars“ hier der Link dazu. Er ist nicht nur sehr lesenswert, sondern erkärt den Sachverhalt auch in hübschen Vergleichen: „...dass der Gesetzgeber nicht jedes Detail in einem Gesetz regelt, sondern diese den zuständigen Ministerien oder Behörden überlässt, ist ebenfalls nichts Neues, sondern gesetzgeberischer Alltag: Auf Grundlage des Tierschutzgesetzes wurde etwa die Hennenhaltungsverordnung erlassen.“


Grundgesetz auf Muttis Schlachtplatte

Willkommen auf der Animal Farm. Wo wir gerade bei George Orwell sind: Angela Merkel sieht die Corona-Krise als größte Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg. Und deshalb hat sie jetzt auch einen „Wiederaufbaufonds“ aufgelegt. Damit sich der lohnt, will sie aber vorher noch schnell alles abbauen, es geht zügig voran und Muttis Schlachtplatte wird immer größer. Die Regierungszeit von Angela Merkel dürfte als größte Wiederabbau-Leistung aller Zeiten in die Geschichte dieses Landes eingehen. Krieg ist Frieden. Wiederabbau ist  Wiederaufbau. Die Maske ist Freiheit. Hilfe, Mutti hat die Verfassung geschrumpft und die Ruine bewahrt man am besten als Unesco-Weltkulturerbe in herzlicher Erinnerung.

Ansonsten bleibt nur noch das Vertrauen auf Richtlinien der EU. Ich denke dabei insbesondere an die „Fauna-Flora-Habitatrichtlinie“ der Europäischen Gemeinschaft (FFH-Richtlinie, 92/43/EWG)“ Sie ist seit dem 5. Juni 1992 in Kraft und liegt seit dem 01.01.2007 in konsolidierter Fassung vor. Ziel ist die Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume. 

Diesem weisen Regelungswerk verdankt unter anderem der Juchtenkäfer sein Fortleben, schützt es doch „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“. In den Anhängen II, IV und V der FFH-Richtlinie werden Arten von gemeinschaftlichem Interesse mit Bezugsraum Europäische Union aufgeführt. Gemäß Art. 1 der Richtlinie sind dies:

  • bedrohte Arten
  • potenziell bedrohte Arten,
  • seltene Arten sowie
  • endemische Arten.

Weiter heißt es: „Arten des Anhangs II, die europaweit besonders stark gefährdet sind, werden dabei als prioritär  gekennzeichnet. Dies hat unter anderem besonders strenge Schutzvorschriften im Falle von Eingriffen in zu deren Schutz ausgewiesenen Gebieten zur Folge“. Deutsche Innenstädte fallen eindeutig unter diese Schutzvorschriften. Bedrohte Spezies wie Ladenbesitzer, Friseure, Kneipiers, Künstler, Musiker, Schauspieler, Massagesalons, Bordelle, Selbstständige und Freiberufler stehen somit unter dem prioritären Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtline. Wegen zweier vom Juchtenkäfer bewohnter Bäume wurde in Stuttgart der Bau des neuen Hauptbahnhofes um Jahre verzögert. Was für den Lebensraum von Feldhamster und Würfelnatter gilt, ist selbstverständlich auch auf den Lebensraum des endemischen deutschen Mittelstandes anzuwenden. Vom Juchtenkäfer lernen, heißt siegen lernen.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Thomas Schmidt / 17.01.2021

Bedrohte Spezies wie Kneipiers, Künstler, Musiker, Schauspieler, (einige) Freiberufler haben allerdings vor Corona nie ein Problem damit gehabt, dass die Gesellschaft perfekt weiter funktionieren würde, wenn es sie nicht gäbe, und sie trotzdem tlw viel mehr Geld verdienen als Bauer, Handwerker, Pfleger, etc. Ein Jazzmusiker spielt 1000 Akkorde vor 5 Leuten, ein Rockmusiker 5 Akkorde vor 1000 Leuten, aber beide sind nur Dienstleister die sich eine Gesellschaft erstmal leisten können muss, es muss überschüssiges Geld dasein. Ein Bauer hingegen ernährt 100 Leute, und ohne ihn ist alles nichts, sogar das überschüssige Geld, wenn es nichts kaufen kann. Und niemand verbietet Musikern und Künstlern ihr Geld als Erntehelfer zu verdienen.

Sam Lowry / 17.01.2021

Der einzige Lichtblick sonntags. Ich sage jedoch vor dem Flug immer: “Oben geblieben ist noch keiner.” Danke.

Karsten Dörre / 17.01.2021

In meinem Landkreis ist Ausgangssperre von 20 Uhr bis 6 Uhr für Menschen aller Art. Nun besorge ich mir ein Käferkostüm und in meinem Ausweis steht Willi, Freund von Biene Maja und Lars dem Eisbären. Danke, Dirk Maxeiner!

Rolf Rüdiger / 17.01.2021

Warum ist die deutsche Wirtschaftsleistung so toll? Warum verachtet das Land andere Kulturen und erhebt wiederum andere in den Status von Übermenschen? Warum geißelt sich Deutschland so gerne? Warum haben in Deutschland Liberale keine Chance? Warum gab’s in Deutschland ein Genocid, obwohl die Menschen gütmütig und kaum fremdenfeidlich sind? Und warum ist die deutsche Geschichte so schrecklich voller Diktatoren und warum ist Merkel heute noch an der Macht? Weil Deutschland das Land der Knechte ist!

Peter Gentner / 17.01.2021

Auch wenn das natürlich auch völlig unverhältnismäßig ist: Das “Schornsteinfegergesetz” (heißt heute anders, regelt aber grundsätzlich noch dasselbe) stammt ebenfalls aus dem dritten Recih und wurde unter Himmler ratifiziert umd sollte jederzeit Zugang zum privaten Wohnraum ermöglichen…. klappt bis heute. Für das “Tierschutzgesetz”, dass Hitler veranlasst hatte und das in seinen Grundstufen heute ebenfalls noch gilt, trifft das auch zu. Die Erwähnung ist total verachtenswert und verhöhnt die Opfer des Nationalsozialismus….......

Dirk Jungnickel / 17.01.2021

Sollte demnächts die Himmlische zur Juchtenkäferin mutieren, wäre mein Sonntag doppelt gerettet. Danke, Dirk Maxeiner !

Günter Schaumburg / 17.01.2021

Der Juchtenkäfer und der Feldhamster. Probleme von 85% der schon länger hier Lebenden. Im Osten besinnt man sich derweil auf alte sozialistische Tugenden: Einwohner des Örtchens Waltersdorf im Zittauer Gebirge huldigten ihrem Sachsenkönig Kretschmer, so wie sie einst old Erich in den Enddarm krochen. Beim Schneeschippen vor seinem Wuchenendhäusle befragten ihn ca. 30 kritische Bürger zu den Corona-Segnungen. Er stand Rede und Antwort, redete hin und wieder im Mainstreamdeutsch, und hielt 20 min die Stellung, bis es ihm zu bunt wurde - er sah im Tuch, welches sich eine Frau um Mund und Nase gewickelt hatte, die Fahne der Reichsbürger. “Mit Nazis rede ich nicht,” waren seine Worte und wandte such abrupt ab von denen, die sein nicht schlechtes Monatssalair mitfinanzieren. Und die alten sozialistischen Un- abänderlichen nahmen flugs Stellung, verurteilten das Verhalten der 30 und bekundeten ihre Treue und Verbundenheit zur sächsischen Führung und ihren klugen Maßnahmen. Die Sachsen können nicht nur Revolution, nein, sie pflegen auch die Tradition. Und Erich ist zufrieden.

Richard Kaufmann / 17.01.2021

Hätte die EU-Richtlinie auch rückwirkend Geltung, würde auch der Neanderthaler noch leben, und die Mutation zum homo sapiens hätte verhindert werden können.

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