Dirk Maxeiner / 01.12.2019 / 06:26 / Foto: Peulle / 47 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Verdammt, die Brücke ist fertig!

Der Sonntag, zumal der erste Advent, ist eigentlich ein schöner Tag, um das alltägliche Jammertal einmal unter sich liegen zu lassen und in lichte Höhen zu streben. Wobei das Tal, von dem hier zunächst die Rede sein wird, kein Jammertal ist, sondern die Mosel mit ihren wunderbaren Schleifen und Steilhängen. Der Kurs der Mosel zwischen Trier und Koblenz erinnert stark an die Politik Angela Merkels in den letzten zwölf Jahren, mal rechts, mal links, aber nie geradeaus. Bergauf fließt die Mosel allerdings noch nicht, diese hydrologische Variante beherrscht man nur in Berlin. Die verschärfte Form der Moselschleife nennt man dort Energiewende.

Ich nehme La Mosella ihr mäanderndes Wesen nicht übel, schließlich offeriert sie uns dadurch einige der besten Riesling-Lagen der Welt, die obendrein von der Klimaerwärmung profitieren. Immer, wenn ich von Süden kommend, mein Mütterchen in Wittlich besuche, muss ich die Mosel überqueren. Und dafür braucht man, sofern man nicht mit dem Lufttaxi unterwegs ist, eine Brücke. Am letzten Wochenende überraschte mich mein Navigationsgerät mit dem Vorschlag einer neuen, kürzeren Route, die mir 20 Minuten Zeitersparnis versprach. Und es zeigte mir eine Brücke, wo gar keine Brücke sein sollte. Ich war ein wenig beunruhigt. Ist mein Navi zu Correctiv übergelaufen und will mich in der Moselstaustufe bei Zeltingen versenken? 

Dann dämmerte es mir: Sollte etwa die berühmte Hochmoselbrücke eröffnet sein? Der Bau war vor etwa 10 Jahren beschlossen worden. Und ist jetzt schon fertig? Ein SWR-Bericht im Autoradio brachte Gewissheit: Die neue Brücke war tatsächlich einen Tag zuvor, am 21. November, für den Verkehr freigegeben worden. Die Schnellverbindung ist die zweithöchste Brücke in Deutschland und führt zwischen Ürzig und Zeltingen in 158 Metern Höhe vierspurig über die Mosel. Sie verbindet den Hunsrück und die Eifel und ist für zahlreiche lokale Pendler und für den Benelux-Fernverkehr Richtung Rhein-Main-Gebiet ein Segen, weil man sich nicht mehr ins Tal hinab und durch zahlreiche Ortschaften quälen muss.  

Für die Lebenserwartung der regionalen Jugend förderlich

Eine dieser Strecken, die vom Hunsrück hinab nach Bernkastel beziehungsweise von Bernkastel hinauf in den Hunsrück, ist mir seit langer Zeit bestens vertraut. Mein Lebenslauf war seinerzeit fest auf eine Karriere als künftiger Rallye-Weltmeister orientiert. Die Minuten, die ich mit meinem 34-PS-Käfer auf dem Hinweg bergauf in den Hunsrück schmählich verloren hatte, galt es auf dem Rückweg bergab wieder gutzumachen. Bei mir ging das zum Glück ohne Hals- und Beinbruch ab, bei anderen nicht. Die Hochmoselbrücke ist insofern für die Lebenserwartung der regionalen Jugend förderlich und schon rein deshalb eine gute Sache. 

Das Bauwerk wurde für deutsche Verhältnisse geradezu rasant und auch mit einer nach aktuellen Maßstäben milden Kostensteigerung abgeschlossen: Statt geplanten 130 Millionen sind rund 175 Millionen Euro in 30.000 Kubikmeter Beton und 4.000 Tonnen Stahl investiert worden. Das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen steht geradezu in einem erschreckend seriösen Verhältnis. Ein Schnäppchen also und obendrein ein durchaus ästhetisches: Die Hochmoselbrücke ist schön anzusehen. „Brücken gehören zur Baukunst, so wie Kathedralen", sagte einmal der Kölner Brückenarchitekt Gerd Lohmer. Und ein Kollege meinte: „Kein Brückenbauer verdient den Namen, solange er nicht von der Leidenschaft erfüllt ist, seine Werke schön zu bauen."

Jede Brücke ist eine weithin sichtbare Plastik. Sie muss auf die Umgebung Rücksicht nehmen und sich mit ihr in Harmonie befinden. Es macht einen großen Unterschied für den Baumeister, ob eine Brücke in der Stadt steht, sich in ebenem Gelände erhebt oder sich über ein Gebirgstal streckt. Die Schonung der Landschaft ist für die Brückenbauer schon seit langem ein ungeschriebenes Gesetz. 

"Zwanzig Minuten gegen zweitausend Jahre", klagte das FAZ-Feuilleton 2010 über das neue Projekt, "warum können Politiker nicht von irrwitzigen Plänen Abstand nehmen? Die beabsichtigte Hochbrücke bei Ürzig ist ein monströses Projekt. Sie wird die Kulturlandschaft des Moseltals zerstören". Die Touristen und Besucher sehen das zehn Jahre später wohl nicht ganz so, sondern blicken eher staunend nach oben. Dem Mosel-Riesling ist es sowieso egal. Wer mit den Leuten an der Mosel spricht, merkt sogar, dass viele stolz auf das neue Wahrzeichen sind – in Bezug auf Windräder habe ich so etwas nie gehört. Außerdem entwickeln die Menschen in der Region das politisch stabilisierende Gefühl: Es klappt doch noch was in diesem Lande.

Begeisterung klingt anders

Manuela Dreyer, die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsidentin, hielt bei der Eröffnung auch eine Rede. Sie lobte brav "neue Chancen für die Menschen, aber auch für unsere wirtschaftliche Entwicklung." Und entschuldigte sich zugleich dafür. Ihr sei bewusst, dass der Brückenbau für Kontroversen sorge, sie hoffe aber dennoch, dass auch die Skeptiker ihren "Frieden mit dieser Brücke machen". Begeisterung klingt dann doch ein bisschen anders. Warum kann sich in diesem Lande kaum jemand mehr uneingeschränkt freuen, wenn ein tolles Bauwerk, das das Leben der Menschen besser macht, seiner Bestimmung übergeben wird?

Zu seligen Zeiten des SPD-Verkehrsministers Georg Leber wäre das noch eine Steilvorlage für die Fortschrittspartei SPD gewesen. Oder für August Bebel, der, der Verbesserung der Lebensverhältnisse verpflichtet, beispielsweise Kraftwerke wegen ihrer „revolutionären Wirkung“ begrüßte. Sie trügen als „motorische Kraft, Licht und Heizquelle in ungemeinem Maße zur Verbesserung der Lebensbedingungen in der Gesellschaft“ bei. Das könnte im Prinzip auch heute noch der Sound einer zukunftsorientierten SPD sein, anstatt das Land und sich selbst im depressiven Klimanotstand zu versenken. 

Vielleicht hätte Manuela Dreyer sich ein wenig Anregung bei dem Dichter Ivo Andric holen sollen. Der schrieb über Brücken: „Sie sind wichtiger als Häuser, heiliger, weil gemeinsamer, als Kirchen. Allen gehörig und allen gegenüber gleich nützlich, immer sinnvoll errichtet an dem Orte, an dem die meisten menschlichen Bedürfnisse sich kreuzen; sie sind ausdauernder als andere Gebäude und dienen keinem heimlichen oder bösen Zweck".

Kurzum: Brücken bündeln die Energie in die richtige Richtung. So etwas fordert natürlich den Ehrgeiz derjenigen heraus, die sich die Bündelung der Energie ganz anders vorstellen. Die Eröffnung „dieses monströsen Straßenbauprojekts“ sei kein Grund zum Feiern, meint beispielsweise die grüne Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer aus Trier. Die Hochmoselbrücke zerstöre die einmalige Naturlandschaft im Moseltal.

Sagt die Vertreterin einer Partei, die Hunsrück und Eifel im ganz großen Stil mit Windrädern verunstaltet. Zum Vergleich: Ein Windrad benötigt etwa 1500 Kubikmeter Beton, 180 Tonnen Stahl und ist über 200 Meter hoch, in Rheinland-Pfalz gibt es rund 1.800 davon. Die Windrad-Betontomanie stellte in Rheinland-Pfalz um Größenordnungen mehr Beton und Stahl in die Landschaft als die Brücke, hilft den Menschen aber gar nichts, sondern macht lediglich den Strom teurer. Und auch die Natur kommt unter die Windräder, weil sie die Vögel schreddern. 

Die Brücke so Frau Rüffer weiter, sei schlecht fürs Klima und biete keine Antwort für die Mobilität in der Zukunft. Der "Gigant aus Beton" sei "ein Paradebeispiel für eine Verkehrspolitik von vorgestern." Da erhebt sich natürlich die Frage, wie Corinna Rüffer im Rahmen einer Verkehrspolitik von übermorgen die Mosel überqueren will. Mit Harry Potters fliegendem Drachen? Auf einem Regenbogen wandelnd? Mit einem Gondoliere, an Bord einer Bionade-Flasche? Alternativ biete ich eine Mitfahrgelegenheit in meinem alten VW-Käfer an. Vom Hunsrück hinab nach Bernkastel. Und dann üben wir zwei die grüne Verkehrswende: Bergab und ohne Bremsen. In Bestzeit.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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R.E.Rath / 01.12.2019

Ich bin 78 Jahre alt und habe daher in meinem Leben viele Lobpreisungen über moderne Nachkriegsbauten gehört und gelesen. Es waren alles Jahrhundertbauwerke - egal ob Häuser oder Brücken oder Flughäfen oder Autobahnen usw. Es handelte sich um Meisterwerke deutscher Ingenieurs- und Architektenkunst. Bei fast allen, die älter als 15 bis 20 Jahre sind, habe ich jeweils zumindest eine Grundsanierung miterleben dürfen. Gebäude, die schon bei meiner Geburt im Jahre 1941 vorhanden waren, waren in dem Maße nur durch Bombeneinwirkung zum Ende des Kriegs sanierungsbedürftig geworden. Fahren Sie einmal mit offenen Augen durch unsere Städte - Sie werden mir zustimmen. Ich wohne in Hamburg und freue mich immer wieder wenn ich die gut erhaltenen Gebäude aus der Vorkriegszeit sehe wie zum Beispiel das Chile-Haus, das Finanzamt in der Steinstraße - ehemals von Karstadt gebaut, die Rotsteinwohnhäuser in Ohlsdorf, die vielen alten Schulgebäude wie z.B. am Langenfort, Erdkampsweg, Rübenkamp und anderswo,, die alten S- und U-Bahnhöfe, den alten Elbtunnel und die vielen anderen öffentlichen und privaten Bauten. Mal sehen war das hier bejubelten Objekt seine erste Kernsanierung erfährt.

Wolfgang Kaufmann / 01.12.2019

@toni Keller – Solange es nur böse Deutsche sind, die hemmungslos konsumieren wollen, ist das bäh. Doch von Mündeln mit Kulleraugen, die der Supermama nach dem Munde lügen können, können wir nie genug kriegen. Sie kriegen Häuser und Autos und wir kriegen Arbeit und Notstandsgesetze, so wird jeder glücklich. – Die Damen wollen sich durch das Verscherbeln der Allmende den Himmel erkaufen, aber sie schaffen nur die Hölle auf Erden. Die GröKaZ führt uns geradewegs in einem Antifeminismus, wie ihn der GröFaZ schlimmer nicht hätte planen können.

Matthias Fetzer / 01.12.2019

“Da erhebt sich natürlich die Frage, wie Corinna Rüffer im Rahmen einer Verkehrspolitik von übermorgen die Mosel überqueren will. Mit Harry Potters fliegendem Drachen? Auf einem Regenbogen wandelnd?” Nein. Bald wird jeder ein fliegendes Doppel-Einhorn im Stall stehen haben.

Werner Geiselhart / 01.12.2019

Diese Brücke bringt durch die enorme Zeit- und Wegeverkürzung eine höhere Co2-Einsparung als 1.000 Windräder mit sich. Ganz einfache Rechnung: Bei 10.000 Fahrzeugen am Tag ergibt sich durch die eingesparten 20min und 100 km/h eine eingesparte Wegstrecke von 330.000 km pro Tag!, oder 120.000.000 km pro Jahr. Bei 10l/100km im Schnitt spart man also 12 Millionen Liter Kraftstoff pro Jahr ein, oder anders ausgedrückt, bei einem Flottenverbrauch von 150g/km ergibt das eine Emissionsverminderung von 18 Millionen kg CO2. Alle Windräder zusammen bringen es übrigens auf genau 0kg Einsparung.

Gert Köppe / 01.12.2019

Sehr gut kommt hier zum Vorschein, das Grüne alles Andere, aber keine Volksvertreter sind. Sie sind gemeingefährliche Dummschwätzer, die man besser “vom Hofe” jagen sollte. Nur die SPD findet deren Werdegang so gut, das sie dabei sind den gleichen Weg einzuschlagen. Beide Parteien spiegeln die bedauernswerte Zukunft wieder, welcher die Menschen in Deutschland ausgeliefert sein werden. So ziemlich der gesamte Rest der Welt wird, mit einem breiten Grinsen, an uns vorbei ziehen. Zurück bleibt ein zur Plünderung frei gegebenes Siedlungsgebiet mitten in Europa. Für vernunftbegabte Menschen höchstens ein “No-Go Area”. Feiern wir also den 1. Advent, so lange es ihn noch gibt.

toni Keller / 01.12.2019

Eigentlich sind die Grünen die wahren Reaktionäre, sie stehen, streng nach dem Duden, dafür ein zu Verhältnissen zurückzukehren die längst überwunden sind. Wir fahren dann alle maximal Fahrrad, solange bis irgendeiner drauf kommt, dass auch dafür böses Plastik und böses Metall verwendet wird, und es überhaupt im Neandertal auch kein Fahrrad gab, und die Fahrräder auch noch Straßen aus bösem Beton benötigen und dann wird auch das verboten! Was mir aber wirklich nicht in den Kopf will ist die objektive Schizophrenie des grünen Zukunftsentwurfes. Ihre Ideen funktionieren nur, wenn wir alle wieder zu einer dörflichen, maximal kleinstädtischen Lebensweise zurückkehren, dafür sind wir aber viel zu viele Leute hier in der BRD (oder ist es doch die DDR? wer weiß das schon?). Soweit so gut und ihr Beharren auf Abtreibung, sogar der Freigabe der Werbung dafür, bedeutet doch , dass sie wissen die Bevölkerung gehört reduziert um wieder zu leben wie unsere Urgroßelten. Aber warum sie dann gleichzeitig dafür sind, jeden, der auch mal so richtig konsumieren will (was ich durchaus nachvollziehen kann) hier einzubürgern, ja herzuholen, das kapiere ich nicht.

E Ekat / 01.12.2019

Herr Maxeiner, eine Brücke verhindert Rekuperation.  Annalena wird das erklären können. Die armen Grünen. Bald werden sie in der Regierungsverantwortung stehen und für die wirtschaftlichen Katastrophen einstehen müssen, die sie angezettelt haben.

Klaus-Dieter Zeidler / 01.12.2019

Die Grünen und Grüninnen haben recht. Weshalb wird in der Aera der Entmotorisierung mit einer kolossalen Autobahnbrücke die Landschaft in der Hochprovinz entartet? Ein Radschnellweg wäre sinnvoller gewesen, wo doch inzwischen sogar die Rentner und Rentnerinnen per E-Bike die Berge hochbrettern können.

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