Dirk Maxeiner / 12.01.2025 / 06:00 / Foto: Montage achgut.com / 61 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Sondermodell Lauterbach

Das Auto soll dank „Viralparametern“ zu einer überwachten Intensivstation für seine Insassen werden. Getreu dem Motto: Gesund ist nur, wer nicht ausreichend untersucht wurde. Bisher sollten Autos nur arm machen, jetzt sollen sie auch krank machen.

Seit einem halben Jahr darf der Autofahrer nur noch Neuwagen erwerben, die das vollbetreute Fahren ermöglichen. Dafür wurde eine wunderbar euphemistische Sprachregelung gefunden. Sogenannte „Assistenzsysteme“ zeichnen praktisch jeder seiner Bewegungen auf. Polizei, Staatsanwaltschaft und Uschi von der Leyen sitzen auf der Rücksitzbank, weshalb ich vorschlagen möchte, hiermit auch Handschellen und geschlossene Anstalten in die Reihe fortschrittlicher „Assistenzsysteme“ aufzunehmen. 

Übrigens: Auch wenn Ihr Nachbar wissen möchte, was Sie so treiben und zufällig beim Chaos-Computerclub arbeitet, kann er tiefen Einblick in ihr Seelenleben nehmen. „Wir wissen, wo dein Auto steht“, schreibt der Spiegel, denn die Bewegungsdaten von 800.000 E-Autos der Marke VW standen ungeschützt im Internet, „sichtbar war, wer wann zuhause parkt, beim BND oder vor dem Bordell“. Die Achse wird die Daten jetzt auch auswerten und eine neue Serie starten: „Wir wissen, wo der Spiegel parkt“.

Diejenigen, die im Auto auch noch den sprachgesteuerten elektronischen Assistenten „Siri“ von Apple nutzen, stehen ebenfalls unter verschärfter Beobachtung. Denn nach Amazon Alexa und Google Home steht nun auch Apple Siri im Verdacht, illegal mitgeschnittene Gespräche zu analysieren und auszuwerten. Sie sollten beispielsweise keine Drogendeals anbahnen und vor allem keinen Sex – welcher Art auch immer – haben. Denn schon das Geräusch eines öffnenden Reißverschlusses weckt die Neugier des Systems und eröffnet eine ganz neue Dimension des Reißverschlussverfahrens. 

Nur ein kleiner Pieks

Jetzt zahlt Apple an eine Gruppe von Klägern im Rahmen eines Vergleiches 95 Millionen Dollar, damit der Mantel des Schweigens über die Sache gedeckt werden möge. Wobei in mir die Frage aufkeimt: Welche Art von Sex muss man betreiben, um von Apple 95 Millionen Euro Kompensation dafür zu erhalten? Außerdem wüsste ich gern, worüber die gesprochen haben. Eine Adresse in Peru mit der Anschrift des Schatzes der Inka? Das Bernsteinzimmer? Das Rheingold der Nibelungen? Den Schatz der Tempelritter? Olaf Scholz und die Warburg-Bank? Egal. Für 95 Millionen Dollar bin ich zu jeder Form von Sex bereit – er muss lediglich barrierefrei und altersgerecht sein –, außerdem bin ich bereit, alles zu gestehen und Apple dabei heimlich mithören zu lassen. 

Aber zurück zum heiligen Blechle. Es deuten sich weitere Maßnahmen zu seiner Verwanzung an, die selbstverständlich nur zum Besten des Automobilisten dienen sollen. Nur ein kleiner Pieks: Auch das Gesundheitsamt, die Pharmaindustrie, der Arzt und die Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) wollen aus dem „Driver Monitoring System“ nicht mehr länger draußen bleiben. So will die Brummbrumm-Branche sogenannte „Viralparameter“ bei ihrer Kundschaft überwachen.

Dazu passt: Social Media, Fitness-Tracker und ein Tsunami von bescheuerten Apps betrachten Gesundheit als ultimatives Ziel. Der finale Lebenszweck lautet: Gesund und schlank sterben. Die Herausforderung besteht darin, bevor man aus der Kurve getragen wird, als Henkersmahlzeit eine Salatblätter-Kreation ohne Dressing zu sich zu nehmen.

Die Welt schreibt: „Autohersteller entwickeln immer neue Systeme, um Gesundheitszustand und mögliche Notfälle der Mitfahrer zu erfassen.“ Es sollen über Sensoren Herzfrequenz und Puls gemessen, Vorerkrankungen herausgefunden, Alkohol- oder Drogenkonsum registriert werden, zu viel Bauchfett oder zu wenig Sauerstoff im Blut. Getreu dem Motto „als gesund gilt lediglich, wer noch nicht ausreichend untersucht wurde“. Merke: Bislang machten Autos nur arm, jetzt machen sie auch krank.

Mercedes stellt Ihnen gegen Aufpreis einen „Energizing Coach“ zur Seite, BMW hat mit der Berliner Charité eine Kooperation zu „Automotive Health“ gestartet (hoffentlich ist der Drosten nicht dabei, sonst wird bald gegen das Autovirus geimpft). Statt nur einer „Förderung des Wohlbefindens am Steuer“ wären laut BMW „Präventionsmaßnahmen“ möglich und „Notfallprogramme“. Ich freue mich schon auf den ersten BMW-Fahrer, der von seinem Untersatz ungefragt in der Notaufnahme abgeliefert wird, weil sein Puls im gleichen Maße ansteigt wie die Ladeanzeige seines E-Mobils sinkt. 

Zugriff auf das E-Rezept und die E-Patientenakte

Ansonsten ist mir der Gedanke unangenehm, dass Ola Källenius oder Oliver Blume bei mir heimlich eine Darmspiegelung vornehmen, um mein Wohlbefinden am Steuer zu steigern. Am besten hat die Karre dann noch Zugriff auf das E-Rezept und die E-Patientenakte, damit sie sich wirklich umfassend um mich kümmern kann. „Es ist eine Verbindung zwischen Körper und Maschine, die in Zukunft viel enger werden könnte“, schreibt Die Welt, „die Grenze zum Auto als Medizinprodukt verwischt zusehends“.

Der französische Autositzhersteller Faurecia entwickelt bereits ein Gestühl, das zum Beispiel Haltungsmängel erkennt, die nicht nur Ermüdung oder Rückenschmerzen verursachen, sondern auch ein Sicherheitsrisiko sein können. Durchgestreckte Arme, ein nach vorne verschobenes Becken oder eine für lange Zeit bewegungslose Sitzposition, kann es laut „Autohaus“ bereits erkennen.

Ich gehe davon aus, dass auch eine zum Führergruß erhobene Hand zügig dedektiert werden kann. „Jetzt schlägt das System Alarm, übermittelt dem Fahrer Vorschläge für Gegenmaßnahmen wie eine Veränderung der Körperhaltung“, schreibt Autohaus, „unterstützt werden die Ratschläge durch gezielte Vibrationen im Sitz und durch Anpassung der Sitzhärte an kritischen Stellen“. Mich würde natürlich interessieren, welches diese kritischen Stellen sind, verkneife mir aber diesbezügliche Spekulationen. 

„In Zukunft wird das Auto viel mehr sein als ein reines Fortbewegungsmittel“, sagt Isabel Jakobs, Associated Partnerin der Kanzlei Noerr in München, die Autohersteller in der Frage berät, wie weit die Lauterbachisierung des Automobils denn von Gesetz wegen gehen darf. Es gibt nämlich ein Problem, das nach einer neuen Hunderschaft von neuen EU-Bürokraten ruft. Denn die Zulassung eines neuen Modells erfordert möglicherweise nicht nur die Beachtung der Vorschriften für Fahrzeuge, sondern auch der für medizinische Geräte. Ein neuer BMW, Mercedes oder VW wird dann behandelt wie ein Dialysegerät oder ein Defibrillator. Sie werden also voll dem Charme einer Intensivstation gerecht, den sie heute schon ausstrahlen, besonders wenn sie elektrisch fahren.

 

Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

Foto: Montage achgut.com

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Reiner Gerlach / 12.01.2025

@ Ilona Grimm Die vielen Vorteile unserer vierrädrigen Spione werden uns doch in Film und Fernsehen immer wieder schmackhaft gemacht. Mal wird ein gestohlenes Auto geortet, nach einem Unfall automatisch Hilfe geholt oder anhand der Ladesäulenprotokolle der böse Täter überführt. Kein Wunder, dass schlichte Gemüter froh sind, wenn sie so ein tolles Auto erwerben können.

Jan Haeretikus / 12.01.2025

Unter vielen, meist älteren Bürgern, ist der Einkauf- App- Virus viral. Hast Du schon die Netto-, oder die Kaufland- App? Ich weiß, das hat jetzt nichts mit Autos, aber mit möglicher Überwachung zu tun. Weniger Prozente Rabatt wegen, die wahrscheinlich eh schon vorher in die Warenpreise einkalkuliert wurden, kann jetzt jeder Supermarkt Dein Kaufverhalten analysieren. Wann interessiert sich Herr Lauterbach für diese Daten? Du isst zu viel Fleisch, zu viel Schokolade, zu wenig Gemüse! Zwei Flaschen Whisky im Monat? Wann kommt der Brief von der Krankenkasse? Die Kosten für die Behandlung ihres Magengeschwürs, die Hüft- OP müssen Sie selbst tragen; Ihre Lebens- und Ernährungsweise hat zu den zu behandelnden Schäden geführt! Dies ist keine Verschwörungstheorie; nur eine dystopische Satire!

Sam Lowry / 12.01.2025

Ich erzählte bereits von meinem Erstaunen, als wir vor ca. 6 Monaten mit einem 10 Jahre alten Seat Leon Cupra hängenblieben, wegen defekter Wasserpumpe. Der Abschlepp-Notdienst der HUK24 sagte am Telefon wortwörtlich: “Ich sehe, wo sie stehen und schicke gleich den Abschleppwagen los.” Wieso kann der sehen, wo wir stehen? Das kann der also immer, wenn er Lust dazu hat oder wie? Ich habe ihr den Versicherungsvertrag auf 6.000 km/Jahr runtergesetzt, der trotzdem 50,- Euro teurer wurde. Würde man nun 7.000 km fahren, sehen die das etwa auch??? Viele Fragen bleiben offen…

Leo Hohensee / 12.01.2025

Und das ganze wird, außer an den Hersteller auch an diese zentrale Erfassungsstelle bei der EU gemeldet. Das schlimme ist doch, die Leute, die das alles zu verantworten haben und betreiben, das sind Menschen - Nachbarn, Freunde männlich, weiblich - ! Wie ist das also möglich? Müssten diese Leute nicht schon längst selbst bei ihren Arbeiten in Opposition gegangen sein, ihre Arbeit verweigert haben? Und ganz wesentlich ist auch, die politisch Verantwortlichen sind auch Leute von uns, Nachbarn, Freunde etc. Diese Leute maßen sich an, uns Überwachungsstrukturen unterwerfen zu können und uns diese so “verkaufen” zu wollen als seien diese zu unserem Besten. Das ist “Leuteverdummung”! Ein ehemaliger Bundesminister betitelte mal Teile der Bürger in diesem Lande als Pack. Ich fühle mich stark dazu aufgerufen zu überlegen, auf wen solch eine Bezeichnung sonst noch passt.

Peter Wachter / 12.01.2025

Ich gebe zu bedenken, das der BMW SUV, der in Magdeburg in den Weihnachtsmarkt fuhr, alle Assistenssysteme ausgeschaltet waren !?

S.Buch / 12.01.2025

Die Gesundheitsdaten solcherlei Autos sind wegen der sehr regelmäßigen Erhebung tausendmal zuverlässiger, als die von Ärzten der verschiedenen Couleur. Von daher wird es wohl so sein, dass diese Autos eher ergänzend auf die elektronische Patientenakte zugreifen als umgekehrt. Als Nächstes kommt dann sicher auch ein KI-gesteuerter Defibrilator-Roboter dazu, so dass Wiederbelebungsversuche bei Herzstillstand schon weit vor dem Eintreffen des Notarztes eingeleitet werden können. Auch die Blutkonserve sollte nicht fehlen.

T. Johannson / 12.01.2025

Hallo Herr Maxeiner, nun ja, das ist alles sehr sehr beklagenswert. Aber es entstehen dadurch ja auch neue Jobs, wer den ganzen Sch….. nicht haben will, ja der geht halt zu seinem IT-Techniker und läßt den ganzen Schmu rausprogrammieren oder läßt gleich ein kpl. neues Steuergerät implementieren. Ist nicht grad umsonst, Freiheit war aber noch niemals kostenlos zu haben.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 13.07.2025 / 06:00 / 0

Der Sonntagsfahrer: Urmenschen-Sensation im Ausbreitungsgebiet der AfD

Während die Chemieindustrie in Ostdeutschland zum dritten mal politisch abgewickelt wird, entdeckten Forscher bei Halle eine 125.000 Jahre alte Fettfabrik der Neandertaler. Die indigene Bevölkerung…/ mehr

Dirk Maxeiner / 06.07.2025 / 06:00 / 94

Der Sonntagsfahrer: Winddiebstahl und Windschatten

Nach „Dunkelflaute“ und „Hellbrise“ geht ein neues gefährliches Wort um: „Winddiebstahl“. Berichte über solche Phänomene sind nach Ansicht der EU-Blase geeignet „das friedliche Zusammenleben und…/ mehr

Dirk Maxeiner / 29.06.2025 / 06:15 / 119

Der Sonntagsfahrer: EU-Zielscheibe Gebrauchtwagen

Verwanzen, Verschrotten, Verbieten, Enteignen: Den Bürgern soll das Auto mit Gewalt ausgetrieben werden. Die neusten Hits: Die EU torpediert den Verkauf alter Gebrauchtwagen, und in Berlin sollen Bürgern…/ mehr

Dirk Maxeiner / 25.05.2025 / 06:00 / 40

Der Sonntagsfahrer: Die Antwort kennt ganz allein der Joint

Am vergangenen Samstag feierte Achgut.com mit seinen Autoren das 20-jährige Achse-Jubiläum. Eine gute Gelegenheit, um festzustellen, was die Beteiligten außer Schreiben noch so machen. Mit dem…/ mehr

Dirk Maxeiner / 18.05.2025 / 06:00 / 85

Der Sonntagsfahrer: Die Jahresschrift der Geisterfahrer

Seit letzter Woche ist es amtlich: Nicht nur die AfD, sondern Hinz und Kunz sind Nazi. Das entsprechende Verfassungsschutz-Gutachten umfasst 1.108 Seiten, fast viermal so…/ mehr

Dirk Maxeiner / 11.05.2025 / 06:05 / 38

Der Sonntagsfahrer: Zwischen Wunschpfad und Stalin-Allee

Wenn dem Menschen ein Weg zu lang erscheint, dann sucht er eine Abkürzung. Im Englischen nennt man das "Wunschpfad", im Deutschen "Trampelpfad". Die deutsche Politik bevorzugt die…/ mehr

Dirk Maxeiner / 04.05.2025 / 06:00 / 66

Der Sonntagsfahrer: Das Verbrenner-Auto, Held des Blackout!

Falls jemand noch ein paar zusätzliche Argumente für das Auto mit Verbrennermotor braucht, der Blackout in Spanien und Portugal hat sie geliefert. Die EU ist nie…/ mehr

Dirk Maxeiner / 27.04.2025 / 06:00 / 97

Der Sonntagsfahrer: Vision Null

Zero Covid. Net Zero. Vision Zero. Stillgelegte Kraftwerke, stillgelegte Industrie, stillgelegte Flächen, stillgelegte Automobile. Politische "Visionen" machen Europa zum Zentralfriedhof. Nach dem Neuwagen-Verbrennerverbot geht’s jetzt den…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com