Dirk Maxeiner / 13.05.2018 / 06:28 / Foto: Leafar / 9 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Sei ein Frosch!

An einem zugigen Februar-Wochenende besuchte ich seit langer Zeit mal wieder die Kleinstadt in der Eifel, in der ich aufgewachsen bin. In den siebziger Jahren war da richtig was los, viele junge Leute und Schüler, reichlich Kneipen und eine lebendige Innenstadt voller Geschäfte. Ich erinnere mich gerne an jene Zeit, gebe aber zu, dass ich meiner Heimat schnell untreu geworden bin. Die Jahre vergingen, die Besuche wurden seltener und kürzer. Man verlor sich aus den Augen. Ich bekam die allmähliche Veränderung des einst florierenden Marktfleckens nicht so recht mit. Die Verödung der kleinen Städte ist ja ein häufig anzutreffendes Phänomen, für mich war das aber sehr theoretisch. Dann war es plötzlich ganz praktisch. 

Ich schlenderte abends durch die historische Altstadt – und war dabei so alleine, als sei ich auf einem Spaziergang in der Wüste Gobi. Leerstehende Geschäfte wechseln sich mit Ein-Euro-Shops ab. Ich spähte durch die Butzenscheiben der wenigen verbliebenen Spelunken und entdeckte im Inneren ein paar einsame Gäste, die wortlos in ihr Bier starrten. Nach einer halben Stunde rettete ich mich ins Hotel, die Stimmung in der  Lobby erinnerte aber an eine Aussegnungshalle. Schlagartig wurde mir klar, dass es die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin, nicht mehr gibt. Es ist allenfalls eine Kulisse übrig geblieben. Das Beste, was man darin machen kann, ist, einen Eifel-Krimi mit einem depressiven Kommissar zu drehen.

Veränderungen vollziehen sich oft über eine sehr lange Zeit. Derjenige, der ständig mittendrin ist, bemerkt sie eher nicht, dem sporadischen Besucher fällt es hingegen sofort auf. Ich fühle mich ja auch, als hätte ich mich nicht verändert. Und dann gehst du  zu einem Klassentreffen und triffst stahlgraue „Bestager“. Meist der superfitte Typus, der Rucksack, Tracking-Sandalen und eine Jacke von „Jack Wolfskin“ trägt. Und der im ICE nervt, weil er behauptet, du säßest auf seinem Platz, sich aber in der Wagennummer geirrt hat. Das Problem ist: Du bist einer von denen. Für mein inneres Gleichgewicht kann ich nur vorbringen, dass ich Rucksäcke und Sparfahrten mit dem ICE meide, was aber auch nicht wirklich hilft.

Ein Frosch ist nicht blöd

Es gibt ja dieses berühmte Beispiel mit dem Frosch, der in einem Topf sitzt, welcher allmählich erhitzt wird. Angeblich bleibt der Frosch sitzen, bis das Wasser kocht und stirbt den Heldentod. Das ist aber so nicht wahr. Ein Frosch ist nicht blöd. Der springt raus, wenn es zu heiß wird. Oder er versucht es zumindest.

Damit ist er zum Beispiel deutlich intelligenter und lebenspraktischer als der gemeine CDU/CSU-Abgeordnete. Der haust ja seit der Machtübernahme von Angela Merkel in einer politischen Kulisse, auf der zwar CDU/CSU steht, in der aber nix mehr drin ist. So wie in meiner Kleinstadt. Wer durch die Butzenscheiben starrt, entdeckt lediglich noch ein paar verstaubte umgefallene Stühle. Und, am Boden verstreut, Bierdeckel mit unbezahlten Rechnungen drauf. Ganz zu schweigen von der  SPD-Kulisse. Die traue ich mich nicht bildlich darzustellen, weil sonst der "Paparazzi-Paragraph" 201a des Strafgesetzbuches greift: „Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt.“

Nun ist das Verschwinden von Parteien ja nicht unbedingt der Untergang des Abendlandes. Aber das ist ja leider nicht alles: Auch in Sachen Recht, Ordnung und Meinungsfreiheit kommen sich viele vor wie in einer Badewanne, in der die Temperatur allmählich ungemütlich wird. Aber bisher bleiben die meisten erstaunlicherweise sitzen und singen La Paloma: "Auf Matrosen ohé! Einmal muss es vorbei sein, Einmal holt uns die See".

Wäre das, was die Herrschaften mit den Kapitänsmützen an politischem Missmanagement und gesellschaftlicher Bevormundung aufgetürmt haben, auf einmal gekommen, die Republik stünde Kopf. An schleichende Veränderungen hingegen gewöhnt man sich. Die Maßstäbe verschieben sich und werden außer Kraft gesetzt. Und dann kommt oft das, was sie in der Klimaforschung einen "Kipppunkt" nennen. Nicht-lineare-Systeme verhalten sich sehr lange brav, können aber auch schlagartig umkippen. Eine Rückkehr in den alten Zustand ist dann nicht mehr möglich, die Änderung also irreversibel. Darauf einen Schellnhuber

Den Parolen „Yes we Can“ und „Wir schaffen das“ möchte ich deshalb alternativlos zur Seite stellen: „Ich bin ein Frosch“. 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

RMPetersen / 13.05.2018

Sehr geehrter Herr Maxeiner, die Verödung der Kleinstädte ist wirklich bedrückend, das ist ein Prozess, der immer weiter geht. Nach aussen wachsen die Gewerbegebiete und Wohnsiedlungen, und im Zentrum sind die Länden unvermietbar. (Neben den Ein-Euro-Geschäften gibt´s noch Spielotheken.) Die Kommunalpolitiker machen mit, weil die grossen Discounter und auch EDEKA etc große Verkaufsflächen und große Parkplätze haben wollen, und weil sie ihr Läden mit eigenen 40-Tonnern versorgen. Das lässt sich in den traditionellen Innenstädten meist nicht machen. Haushalte mit genügend Geld ziehen ins Eigenheim am Stadtrand, und praktischerweise sind von dort aus die großen Läden bequem erreichbar. Was in der Stadtentwicklung zuerst in den USA, dann in Frankreich und Schweden gemacht wurde, machen wir auch. Es scheint, als gäbe es kein Rezept zur Erhaltung der kleinen Stadtzentren. Was aber wirklich schön ist auf dem Land und in abgelegenen Kleinstädten: Die autochtonen Deutschen haben hier meist die eindeutige Mehrheit. Die von den Bundesländern aufgezwungenen Flüchtlingsunterkünfte sind längst wieder leer, und wer in so einem Kaff bleibt, hat einen Job gefunden und meint es ernst mit dem Neuanfang. Die grosse Mehrheit zieht in die Großstadt zu den Landsleuten - gerne nach Berlin, wo es zwar bekanntermassen keine Jobs für die schon länger dort lebenden Ungelernten und Soziologen gibt, aber man ist unter sich - und als freiberuflicher Händler plus ALG-II kommt man durch. Leute, kommt zurück in die Kleinstadt: Auch ich verliess die Landluft nach dem Abi mit der Überzeugung, dort nie wieder leben zu wollen, aber das hat sich geändert. Und trotz der abendlichen Leere ist es sicherer als auf´m Alex. Herzlichen Gruss vom Land

Alexander Brandenburg / 13.05.2018

Unsere Gewöhnung an die neuen und miserablen Zustände ist schon eingeplant. Darauf setzen die Freunde des Islamismus und die Deutschland-Hasser aller migrationstragenden Parteien. Sie basteln schon daran, aus der Willkommenskultur eine Bleibekultur zu machen. Wir sollen unsere Unterwerfung nicht nur begrüßen, sondern auch auf Dauer stellen. Schweigen wir von den Kosten dieser gewollten Unterwerfung, mit denen wir zugleich deren humanitären Profiteure mitfinanzieren. Aber bei allem guten Unterwerfungswillen und bei aller Forcierung einer Bleibekultur gibt es doch Missstände, an die man sich einfach nicht gewöhnen kann und auch nicht will. Das Leben auf der Grundlage des Grundgesetzes ist ein anderes und besseres als das Leben nach den islamistischen Totalitätsansprüchen. Hier gibt es kein Abwägen oder keine zwei Meinungen. Warum die herrschenden Eliten zu einem großen Teil an der Unterwerfung mitwirken, sie jedenfalls dulden, ist nur ein Rätsel, wenn man den Begriff der Elite noch ernst nimmt. Heute sind die Eliten Bestandteil einer sich immer stärker von der Demokratie verabschiedenden und zur Ochlokratie mutierenden Herrschaftsclique.

Rudolf Stein / 13.05.2018

Der Frosch in dem sich erwärmenden Wasser sind wir. Es gehört mittlerweile zu den wertvollsten Erkenntnissen derjenigen, die draußen am Temperaturregler des Topfes drehen, dass man die Wassertemperatur so langsam erhöhen muss, dass der Frasch davon im Topf nichts merkt. Dass es lebensgefährlich wird, darf der Frosch erst merken, wenn es -zum aus dem Topf springen - zu spät ist. Man nennt das politische Erfahrung desjenigen, der die Hand am Temperaturregler hat. Den Gesamtvorgang (Wasser, Topf, Frosch, Temperaturregler und daran Drehender) nennt man einfach Politik. Wie gesagt, der Frosch im Topf, das sind wir.

Jutta Schäfer / 13.05.2018

Der Kipppunkt lässt in diesem Land noch lange auf sich warten, fürchte ich. Die Leidens- und Bußbereitschaft der Deutschen ist so grenzenlos wie das Land inzwischen selbst ist. Keine guten Aussichten für Deutschland.

Paul J. Meier / 13.05.2018

Merkwürdig fand ich die Standing-Ovation Orgien der CDU Delegierten, die ihrer selbstherrlichen Gebieterin minutenlang und publikumswirksam huldigten. Und dass sich die Dame entschieden hatte, “es noch einmal zu machen”!? Ich hatte wohl bis dato ein recht naives Demokratieverständnis, glaubte ich doch allen Ernstes, dass man gewählt wird. Aber sie haben recht (Kipppunkt), nur sind es anfangs immer erst Einzelfluktuationen, die über eine Instabilitätsgrenze hinaus gehen und Vorreiter sind für das Ganze. Es sind viel Frösche in diesem Eimer und es werden welche versuchen daraus zu entkommen, bevor sie im Eimer sind! ;-)

Franck Royale / 13.05.2018

Es kommt eher oft das, was Nassim Nicholas Taleb in seinem Buch einen „Schwarzen Schwan“ nennt. Die handstreichartige Grenzöffnung durch Angela Merkel ist so ein nicht vorhersehbares, zufälliges Ereignis, welches eine bestehende Ordnung in einem System urplötzlich einreißt und alles verändert. Besonders schön studieren lässt sich dabei hierzulande seit dem Herbst 2015 eine der drei kognitiven Verzerrungen, die narrative Verzerrung: „Das Schaffen einer Erzählung, um einem nicht vorhergesehenen, zufälligen Ereignis nachträglich Plausibilität zu verleihen.“

Joachim Lucas / 13.05.2018

Analogien und Metaphern sind immer gut und treffen in diesem Fall exakt zu. Wer nicht weiß, wohin er gehen soll, dem hilft es auch nicht, wenn er schneller läuft. Eine neue Kneipe also braucht das Land, aber ohne Freibier und Gäste, die nicht zahlen können. Für die bisherigen CDU-Wirte aber galt: “wer nix wird, wird halt Wirt”. Die SPD holt sich derweil Anregungen von Astrid Lindgren, immerhin eine hervorragende Kinderbuchautorin. Eine prima Verjüngungskur. Frau Nahles, weiter so, die Richtung stimmt!

Chr. Kühn / 13.05.2018

Dennoch duerfte es bald in Ihrem Heimatort in der Eifel angenehmer sein, zu leben, als in Datschiburg…

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com