Nur jeder zweite Führerscheinaspirant schafft noch die theoretische Prüfung. Psychologen sehen einen Trend zu "kognitiven Defiziten" und klare Hinweise auf zunehmende Verblödung – nicht nur im Straßenverkehr.
Die gute Nachricht zuerst: Auf Deutschlands Straßen gibt es bald mehr Platz. Im Schnitt fallen etwa 50 Prozent der Führerschein-Aspiranten durch die theoretische Prüfung, bei der praktischen sind es nicht viel weniger, die Tendenz ist seit Jahren steigend. Entsprechend ist die Zahl derjenigen 17- bis 20-Jährigen, die einen Führerschein besitzen, seit Jahren rückläufig. 2023 waren es nur noch 41 Prozent. Autofahrer werden also dümmer und weniger, was immerhin besser ist, als wenn sie dümmer und mehr würden. Andererseits wird mir allmählich klar, warum das deutsche Fuhrgewerbe 70.000 LKW-Fahrer (Stand 2023) ebenso dringend wie vergeblich sucht.
Der Rückgang an Fachkräften hinter dem Steuer mag aber auch daran liegen, dass schon eine Fahrerlaubnis der Klasse B (für Personenwagen) zwischen 2.000 und 4.000 Euro kostet, also ein kleines Vermögen. Und für einen jungen Menschen sogar ein großes Vermögen. Wobei Denkvermögen und Barvermögen offensichtlich in keiner Korrelation stehen, sonst dürften ja nicht so viele Probanden aus der Kurve getragen werden, weil sie zwar über ein paar tausend Euro verfügen aber nicht in der Lage sind, 20 von 30 Fragen richtig anzukreuzen. Vielleicht können Sie die Fragen aber auch gar nicht lesen. Das kann ich übrigens auch nicht, allerdings nur wenn ich will, beispielsweise die Tempo 100-Schilder auf der A 9 am Hermsdorfer Kreuz Sonntagsmorgens um 5 Uhr.
Sollte die Familie dem Nachwuchs – so er denn seine Prüfung besteht – einen nagelneuen Kleinwagen spendieren wollen, wird sie jedoch ratlos umherirren wie ein 17-Jähriger, der ohne Smartphone nicht den Hauptbahnhof findet. Und sie werden feststellen: Solche Autos gibt es praktisch nicht mehr. In den letzten Jahren wurden gemeuchelt: Opel Adam, Opel Karl, Skoda Citigo, Seat Mii, Citroen C1, Peugeot 108, Ford Fiesta, VW Up, Fiat 500, Smart Fortwo.
Zwei Bauern und einen Sack Kartoffeln
Der Smart existiert dem Namen nach zwar weiter, er ist jetzt aber elektrisch, eineinhalb Meter länger, eine Tonne schwerer, kostet mindestens 40.000 Euro und wird in China gefertigt. Das nennt sich Fortschritt und kommt heraus wenn Ursula von der Leyen Vorreiterin sein will. „E-Mobilität funktioniert und ist der richtige Pfad“, sagte kürzlich auch der inzwischen abhanden gekommene Oberpfadfinder Olaf Scholz beim Wahlkampf im VW-Werk Emden, einem Biotop für Ostfriesenwitze (Was machen Ostfriesen an langen Winterabenden? Sie lachen über die Witze, die sie im Sommer gehört haben, beispielsweise den mit der-E-Mobilität).
Mit Kleinwagen wird logischerweise weniger Geld verdient als mit teuren Image-Karossen, bei den Kleinen machte es die Masse. Wie früher beim legendären Topolino respektive Fiat 500, dem Trabbi oder dem Citroen 2 CV. Der Konstruktionsauftrag für den kleinen Citroën lautete 1948, „zwei Bauern und einen Sack Kartoffeln mit 60 km/h zu transportieren und einen Korb Eier durch ein frisch gepflügtes Feld zu fahren, ohne dass ein einziges zerbricht“. Doch dermaßen bodenständige Vorstellungen sind den heutigen Automobilherstellern längst abhanden gekommen wie einem Dodo die Flugfähigkeit.
Der inzwischen über Bord gegangene VW-Chef Herbert Diess sah das Auto als „wertvollstes massentaugliches Internetgerät“. Für einen Sack Kartoffeln und einen Korb Eier war in den visionären Hirnhälften dieser Oberstrategen kein Plätzchen mehr frei. Die Idee des Autos als Transportmittel, das den Radius seines Benutzers erweitert und seine Chancen auf Arbeit, Wohlstand und Vergnügen mehrt, ist längst einer fieberhaften Visionitis zum Opfer gefallen.
Zunehmende Verblödung
Seit dem 7. Juli letzten Jahres müssen Autos verwanzt werden wie ein Stasihotel in Berlin-Mitte: Notbremsassistent, Spurhalteassistent, Geschwindigkeitsassistent, Müdigkeitserkennung, Rückfahrassistent, Blackbox und Kopfaufprallschutz. Außerdem steht die Abgasnorm Euro-7 an, die sogar den Abrieb von Reifen und Bremsanlagen umfasst. Diese Entwicklungen würden die lieben Kleinen so teuer machen, dass niemand sie mehr kaufen mag. Die verirrten Pfadfinder der EU machen somit eine Klima- und Umweltpolitik, die dazu führt, dass leichte und umweltfreundliche Kleinwagen faktisch verboten und tonnenschwere Elektro-Ungetüme gefördert werden. Die EU-Bürokraten werden also dümmer und mehr, während Autofahrer dümmer und weniger werden.
Den roten Faden dazwischen erklärt Florian Becker, Professor Doktor und darüber hinaus Diplom-Psychologe. Er sieht „klare Hinweise auf eine zunehmende Verblödung und Demotivation“. Der Mann ist an der Maximilians-Universität zu München tätig, also im Herzen der Finsternis. Die historisch schlechte Prüfungsbilanz der Fahrschüler sei nur „ein Symptom von vielen für ein riesiges Problem“, das in unserer Gesellschaft wachse und gedeihe, „mit immer mehr Low-Performern“ seien wir nicht zukunftsfähig als Wissensgesellschaft“, schreibt er in „Focus“. 50 Prozent Führerscheinversager sind für Professor Becker „ein Hinweis auf das, was wir in der Psychologie gravierende „kognitive Defizite“ nennen“. Konkret nennt er: „Low-IQ, Verdummung. Und fehlende Selbstdisziplin“.
Ich kann das nicht beurteilen, weil ich Universitäten traditionell meide und Fahrschulautos auch. Bei mir selbst ist die Prüfung schon ziemlich lange her. Ich hielt den Führerschein damals für eine lästige, aber erforderliche Voraussetzung für meinen Aufstieg zum Formel-1-Weltmeister, warum ich brav büffelte und korrekt blinkte, obwohl das in der Formel 1 beim Fortkommen eher hinderlich ist. Für die Führerscheinprüfung hat es gelangt, für die Grand-Prix-Karriere nicht – nur zum Sonntagsfahrer. Mein ursprünglicher Karriereansatz würde mir heute aber vermutlich ohnehin ausgetrieben. Florian Becker: "Irgendwo der Beste zu sein oder gar zu gewinnen, ist mittlerweile verpönt und wird systematisch beseitigt. Beispielsweise der Wettbewerb bei Bundesjugendspielen in den Grundschulen".
"Informationsverarbeitende Prozesse höherer Lebewesen“
Als Autofahrer hat man es auf den Straßen der Republik gewissermaßen mit der besseren Hälfte der Bevölkerung zu tun, nämlich denen, die die Führerschein-Prüfung bestanden haben, quasi die Elite dieses Landes. Wobei sich bei einigen Vertretern dieser Spezies ebenfalls die Frage stellt, wie sie in den Besitz einer Fahrerlaubnis gelangen konnten.
Unter dem Begriff der Kognition subsumiert die Psychologie alle informationsverarbeitenden Prozesse höherer Lebewesen“, schreibt Wikipedia, „dazu gehören Wahrnehmungs- und Denkprozesse, sowie deren Ergebnisse“. Unter kognitiven Defiziten dürfen wir uns also fehlende Wahrnehmungs- und Denkprozesse und deren Ergebnisse vorstellen, beispielsweise die Politik in diesem Lande.
Die erstaunliche Unfähigkeit, eine Sackgasse zu erkennen und die Richtung zu wechseln, war ja unlängst Thema eines Sonntagsfahrers. Deshalb hier nur drei Beispiele für besondere Fehlleistungen in Folge kognitiver Defizite der höheren Lebewesen in Großkonzernen und Großbürokratien, die in den letzten Tagen korrigiert wurden:
Wie kann man solche Entblödungs-Maßnahmen fördern und beschleunigen? Ich hätte da eine Idee: Vor gefühlten Äonen gab es in Deutschland unter der Rubrik „Bundesauszeichnungen“ die „Verdienstnadel ‚unfallfreies Fahren‘ der Bundesverkehrswacht“, und zwar in den drei Kategorien: „Kraftfahrer / Berufskraftfahrer / Straßenbahnfahrer und Busfahrer“. Es gab Nadeln für "Unfallfreies Fahren" über 10, 20, 30, 40 und 50 Jahre. Der Internetseite „die-deutschen-orden.de“ entnahm ich, dass der Schriftzug 1964 in "Bewährter Kraftfahrer" geändert wurde, und zusätzlich Nadeln für "geprüfte Radfahrer" und "geprüfte Mofafahrer" vergeben wurden.
Analog zu diesem Belohnungssystem schlage ich hiermit Ehrennadeln für unfallfreies Denken vor. In Bronze (10 Jahre), Silber (20 Jahre), Gold (30 Jahre), Gold mit Kranz (40 Jahre) und in Gold mit Kranz und Lorbeerblättern (50 Jahre).
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.