Dirk Maxeiner / 24.11.2024 / 06:05 / Foto: Montage achgut.com / 95 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Mit Vollgas-Socken ins Nichts

Die britische Traditionsmarke Jaguar schafft den Jaguar ab, stellt den Autoverkauf einstweilen ein und gibt sich revolutionär unter dem Motto "A Copy of Nothing". Das würde auch für VW passen. Oder zu Habecks Energiewende.

Am Sonntagmorgen gehe ich ganz gerne zur Andacht. Oft schon so gegen 8 Uhr, da habe ich die Kathedrale für mich alleine. Sie besteht aus schönem Backstein und befindet sich an einem verwunschenen Ort in einem alten Augsburger Industriegebiet, dem sogenannten „Textilviertel“. Dort haben eine Reihe alter weißer Männer (und ein paar junge) mit ihren ebenso alten Autos Unterschlupf gefunden. Sie bilden so eine Art privates technisches Hilfswerk, da sämtliche handwerklichen Gewerke vertreten sind. Wenn ich mit einem alten Kahn und Motorschaden auf einer Südseeinsel stranden würde, dann bitte mit dieser Mannschaft.

Es gibt im Textilviertel Raum für die bedrohte Spezies, weil die heimische Textilindustrie in den 60er und 70er Jahren ihr Leben aushauchte und umfangreiche Leerstände hinterließ. Inzwischen stünde der Deutsche ohne chinesische Textil-Importe vollkommen blank und wenig kriegstüchtig da, nämlich ohne Socken und Unterhose. 

Der erste Teil der Deindustrialisierung war noch der Tatsache geschuldet, dass in fernen Ländern die gleiche Ware billiger produziert werden konnte. So funktioniert die Marktwirtschaft, heißt es. Aber niemand wäre seinerzeit auf die Idee gekommen, Unterhosen zu verbieten, weil durchs Feinripp Kohlendioxid entweicht. Sowas ist nur in einer autoritären Kommandowirtschaft möglich.

Immerhin: Die Deutschen haben 70 Jahre gebraucht, um Ludwig Erhard zu vergessen, vermutlich brauchen sie weitere 70 Jahre, um Robert Habeck zu vergessen. Getreu dem Erfahrungswissen: Du brauchst genauso lang, um aus der Scheiße rauszukommen, wie Du gebraucht hast, um rein zu kommen. Wir reden also über das Jahr 2094. Weil ich das eher nicht erlebe,  habe ich den alten Erhard neulich oben auf dem Bergfriedhof in Gmund besucht und ein Exklusiv-Interview mit ihm geführt. 

Zum Thema „Schwachkopf“ sagt er: „Es gibt einen Intellektualismus, der kippt um in Idiotie.“ Zum Thema Große Transformation: „Menschen oder eine Gesellschaft, die ohne Wünsche oder Bedürfnisse wären, sind einfach undenkbar“. Zum Thema Elektroauto: „Der Markt ist der einzige demokratische Richter, den es überhaupt in der modernen Wirtschaft gibt“. Und dann gab er mir noch die folgenden Worte mit auf den Weg hinunter ins tiefe Tal: „Der Deutsche entfaltet in der Stunde der Not höchste Tugenden. Die Frage bleibt, ob er in gleichem Maße den Stunden des Glücks gewachsen ist“.

Nun gut, jetzt sind seine Nachfolger endlich am Ziel, und sie haben die Stunden des größten Glücks erreicht: Nicht der Wunsch des Kunden ist jetzt entscheidend, sondern die Eingebungen von Politikern, die einen Drehmoment-Schlüssel für eine Taktik zur Umstimmung der Wähler halten. Und so leben wir jetzt alle nach dem schönen Motto: Wer braucht schon Unterhosen, wenn es um die Rettung der Welt geht? Umstandslos wurde uns ein Standard-Utensil des täglichen Lebens praktisch verboten, das das Leben für Generationen leichter und schöner machte: Der Verbrennungsmotor – und damit in langfristiger Konsequenz das bezahlbare Auto. Genausogut könnte man Waschmaschinen verbieten, oder die Heizung, aber da sind sie ja auch schon dabei. Die Berliner Socken nennen das "Große Transformation", welche dereinst als kollektives Irresein in die Wirtschaftsgeschichte eingehen wird. 

Im Grünen Gewölbe zu Dresden parken

So ähnlich übrigens wie die Zerstörung der britischen Autoindustrie, die vor einem halben Jahrhundert von arroganten bis überforderten Managern und wild gewordenen, teilweise stramm kommunistischen Gewerkschaften ins Werk gesetzt wurde. Mein Stellplatz-Nachbar in unserer Oldtimerhalle besitzt ein wunderbares Zeugnis der einstigen Größe britischen Autobaus: einen dunkelblauen Jaguar MK 2 (1959 bis 1969), vor dem ich mich bei jedem Besuch tief verbeuge und dann eine kurze Fürbitte zu Ehren von Jaguar-Gründer Sir William Lyons gen Himmel schicke. Der MK2 glänzt wie ein Juwel und besitzt obendrein ein großes und seltenes Stoffschiebedach. Auf der Kühlerhaube setzt der berühmte Jaguar zum Sprung an, der von William Lyons höchstselbst gezeichnet wurde. Man könnte dieses Auto im Grünen Gewölbe zu Dresden parken, und kein Mensch würde merken, dass es da nicht hingehört. 

Unternehmerisch kam Jaguar seit seiner Glanzzeit  immer wieder vom Regen in die Traufe. 1966 landete man auf einem großen Markenfriedhof namens British Leyland Corporation, eine Ansammlung bereits scheintoter britischer Autohersteller, die Mitte der 70er Jahre als „British Leyland Motor Corporation“ unter staatliche Kontrolle gestellt und kurz vor der Pleite in Einzelteilen verhökert wurden. Wie eine alte denkmalgeschützte Villa wechselte Jaguar danach mehrmals den Besitzer: Es war zwar schön, Jaguar zu besitzen, aber leider auch sehr teuer. 

Das musste schließlich auch der US-Autogigant Ford feststellen, der sich nicht anders zu helfen wusste, als das Brot-und-Butter-Auto Ford Mondeo als Jaguar zu verkleiden und der geschätzten Kundschaft als „very british“ darzubieten. Ein Portal namens „Motorsport-total“ fasst die Ford-Epoche so zusammen: „Wenn sogar der Hersteller selbst alle Fotos und Informationen zu einem bestimmten Modell von seiner Presseseite tilgt, ist das kein gutes Omen. Offenbar ist Jaguar der zwischen 2001 und 2009 gebaute X-Type immer noch ein wenig peinlich.“ Ich kenne übrigens eine Reihe von Elektromobilen deutscher Provinienz, denen es genauso gehen dürfte.

Der Wahnsinn wohnt nicht nur in Deutschland

Ab jetzt wird es tröstlich: Der Wahnsinn wohnt nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Gefilden der königlichen Familie, wo King Charles III, seinen Aston Martin mit Wein und Käse betankt. Aston Martin hat vor der Konversion zum Batterie-Brumm-Brumm übrigens gerade noch die Kurve gekriegt und den Start seines ersten E-Mobils um zwei Jahre, das heißt auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Begründung: „Es scheint, dass der Hype um Elektroautos, ob politisch motiviert oder nicht, größer ist als die Nachfrage der Verbraucher, insbesondere zu einem Aston-Martin-Preis“.

Und nun zu Jaguar. Bei denen haben leider die Bremsen versagt. Jaguar will künftig nur noch Elektroautos mit Preisen von 100.000 bis 200.000 Euro herstellen. Um das zu üben, gehen die Werke bis 2026 in einen Dornröschenschlaf. Ein Vorgehen, dass mir symptomatisch für The Age of the Abrissbirne zu sein scheint: Das Alte plattmachen, bevor man etwas funktionierendes Neues hat. Ich sage nur: deutsche Kraftwerke.

Einen frühestens Ende 2025 startenden Elektro-Jaguar kündigt Chef Rawdon Glover vielsagend als "Copy of nothing" an. Bis zum Erscheinen der „Kopie von Nichts“ kann kein noch so treuer Kunde mehr einen neuen Jaguar kaufen, die Autos auf Halde werden als Gebrauchtwagen unters Volk gebracht, solange der Vorrat reicht. 

Hat Robert Habeck doch recht? Hört Jaguar nur auf zu produzieren, ist aber nicht pleite? Oder sind die Briten viel cleverer und lassen sich einfrieren, bis die Zeiten wieder besser werden? Aber was passiert, wenn kein Prinz oder Maharadscha das Jaguar-Kätzchen wieder aus dem Dornröschenschlaf aufwecken wird?

Seelenwanderung in einen anderen Körper

Derzeit gehört Jaguar dem indischen Tata-Konzern. Dort leistete man sich eine Zeitlang das automobile Kronjuwel der einstigen Kolonialmacht, aber diese Engländer gehen irgendwie ins Geld, Tatü-Tata. Andererseits glaubt der Hindu an die Seelenwanderung in einen anderen Körper nach dem Tod. Was für ein Körper das ist, ob der eines Menschen, Tiers, Pflanze, oder Einzellers, hängt vom Karma ab. Gegenwärtig deutet das Karma darauf hin, dass der Jaguar nicht mit Rädern und einem Motor wieder aufwacht, sondern als irgendwas mit Mode und Haltung.  

So wird nicht nur die agressive Jaguar-Kühlerfigur das Zeitliche segnen, sie wurde schon mal prophylaktisch gestrichen. Weiterhin berichtet der stets modisch auf dem Laufenden befindliche Stern über einen Vorschau-Werbespot: "Dort ist kein Auto zu sehen – nicht einmal angedeutet. Stattdessen laufen bunt gekleidete Menschen durchs Bild, das ganze wirkt wie eine Fashionshow in Mailand". Die Berliner Zeitung präzisiert: "Eine Gruppe geschlechtlich nicht eindeutig identifizierbarer Models stolziert durch abstrakte Kulissen." Mich erinnert es etwas an die große Geisterbahn auf dem Münchner Oktoberfest.

Marketingslogans wie „Delete Ordinary“ (lösche Gewöhnliches) und „Live Vivid“ (lebendig leben) seien, so der Stern, ein klarer Fingerzeig, "dass das Alte weg muss". Es lebe das Nichts, nieder mit dem Kunden! Der Jaguar-Chef blickt aus dem Fenster der Raumkapsel und kündigt Mitreißendes an: "Wir werden auf dieser Reise Teile unserer Bestandskundschaft verlieren". Na Gott sei Dank, da fällt ihm ein Stein vom Herzen.

Einer, der ziemlich viel von was Neuem versteht, ist Elon Musk. Der twitterte: "Verkauft ihr auch Autos?" Und ein anderer entgeisterter Jaguar-Fan fragt: "Stellt ihr jetzt Lippenstift oder veganen Joghurt her?" Die bis gestern 22.000 Kommentare lassen sich in folgender Frage zusammenfassen: "Habt ihr nur ein Rad ab oder alle vier?" Gut gefallen hat mir dieser indische Jaguar-Aficionado mit dem melodischsten Englisch seit Erfindung des Leierkastens. Er kommentiert: "Jaguar is dead". 

Übrigens: Viele vergessen, dass es in Indien mindestens 800.000 Millionäre gibt – oft mit einem Hang zu schönen Luxus-Autos –, denen es nicht an Geschmack fehlt. Lediglich das Woke-Gen ist am Ganges unterentwickelt wie bei einem nepalesischen Gurkha. Und von einer Abneigung gegen Verbrennungsmotoren kann wirklich keine Rede sein. Die gelten in gehobenen Kreisen etwas, ähnlich wie das mechanische Uhrwerk einer Rolex.

Die gute Nachricht: Mein Freund, der Mark II-Besitzer, freut sich, dass sein richtiger Jaguar nun noch zügiger an Wert gewinnt. Und die schlechte: Es gibt keine Dummheit, die in den Kreisen des Volkswagen-Konzerns nicht nachgemacht wird. So hat Audi in China eine quasi anonyme neue Elektromarke angekündigt, die ohne die vier Ringe des Audi-Markenlogos auskommt. Das erste Showcar sieht aus wie eine Tellermine und hat alltagstauglich 775 PS, genau die richtige Leistung um den Nachwuchs auf dem Weg in die Kita zügig um die Ecke zu bringen. Da man vom eingeschlagenen E-Auto-Kurs nicht abweichen kann oder will, steuert die Fuhre nachhaltig ins Nichts. A Copy of Nothing.

 

Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

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Leserpost

netiquette:

Franck Royale / 24.11.2024

„Copy nothing“ kopiert ziemlich schamlos alte United Colors of Benetton Werbung - dass es „der stets modisch auf dem Laufenden befindliche Stern“ nicht merkt bedeutet wohl: die sind zu jung oder ich zu alt. Ich tippe auf fahrbare M&M, man müsste die nur mit Zuckerrohr-Schnaps betanken können.

Gerd Maar / 24.11.2024

“ Jaguar Bud Lights itself” schreibt die National Review. Fehlt nur noch Dylan Mulvany am Steuer.

Walter Weimar / 24.11.2024

Deutsche Arbeiter! Wehrt Euch! Die achse will Euch euren Jaguar wegnehmen!

Thomas Ebs / 24.11.2024

Erst dachte ich noch, dass die Preise für die richtigen Jaguars, zum Beispiel den F-Type mit fast 600 PS, demnächst in die Höhe schießen würden. Nachdem ich mir aber das Jaguar-Werbevideo reingezogen und mein Frühstück auf den Teppich ausgekotzt habe, bin ich überzeugt, dass das Wort “Jaguar” zum Synonym für schnell fortschreitende Hirnfäule, dem sogenannten Schwarzkopfismus, wird.

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