Der Sonntagsfahrer: Mein Kindergipfel

Gestern Abend habe ich einen Spätkrimi geguckt. Der Polizist, der den Held spielte, hatte ein dunkles Geheimnis. Zwecks seiner seelischen Gesundheit musste es heraus, was dank einer jungen, hübschen Psychologin auch gelang. Danach ging es ihm besser. Auch ich habe einen schwer dunklen Schatten in der Vergangenheit. In letzter Zeit klopft die Erinnerung ständig an. Das ist ziemlich unangenehm, weil es mit einem dumpfen Schamgefühl verbunden ist. Nein, nicht wie Flugscham oder SUV-Scham, viel schlimmer. 

Es handelt sich um keine normale Verfehlung, wie sie in letzter Zeit öfter gebeichtet werden. Ich habe keine Doktorarbeit abgeschrieben, weil ich keinen Doktor habe, sondern nur so aussehe. Und da kann ich nix dafür. Ich habe auch keiner Sekretärin ans Knie gefasst, dafür bin ich zu schüchtern. Ich habe auch nicht betrunken Fahrerflucht begangen, weil ich grundsätzlich solange trinke, bis ich wieder nüchtern bin. Das sind ja auch alles Sachen, für die man sich entschuldigen kann. Ich kann mich leider nicht entschuldigen. Es ist unentschuldbar.

Liebe Leser, sie müssen jetzt genauso tapfer sein wie ich: Ich bin nämlich der Erfinder eines einschlägigen Vorläufers von „Fridays for Future“, der sich „natur-Kindergipfel“ nannte. Das grausame Geschehen datiert zurück ins Jahre 1991, und wer im Internet sucht, findet auch noch einige Spuren meiner Missetat. In der offiziellen Chronik der Stadt Frankfurt ist der Kindergipfel auf den 28.September 1991 festgehalten. Einen ganzen Bericht fand ich beispielsweise hier in der Berliner taz „Kinder nehmen Politiker in die Mangel“. Darin heißt es: 

„Der „Kindergipfel 1991“ in Frankfurt/Main bescherte den Organisatoren nicht nur fröhliche Kinder- und Politikergesichter/ Viele Kinder fühlten sich von einigen Politikern nicht ernstgenommen/ Die meisten Fragen mußte Umweltminister Töpfer beantworten/ Fazit: „Ein Anfang ist gemacht“.

Eine ganze Prominentenriege erschien brav 

Und das kam so: Es war im Jahre 1991, also vor fast 30 Jahren, und ich hielt es für eine gute Idee. Kinder sollten bei einem großen Treffen Gelegenheit erhalten, ihre Vorstellungen von der Zukunft zu formulieren. Als Chefredakteur der Zeitschrift „natur“ (der damals größten europäischen Umweltzeitung) ließ ich deshalb den „natur-Kindergipfel“ organisieren. 

Die Idee ging ab wie Schmidts Katze. Der damalige grüne Frankfurter Umweltreferent Tom Königs war von der Idee genauso begeistert wie wir, stellte den Frankfurter Römer für das Gipfeltreffen zur Verfügung und besorgte die historisch gewichtige Frankfurter Paulskirche als Ort der Abschlussveranstaltung. Umweltminister Klaus Töpfer führte eine ganze Prominentenriege an, die brav zu Gipfelgesprächen erschien. Talkmaster Günther Jauch moderierte die Veranstaltung und Peter Maffay sang dazu (Zu meinem ewigen Glück war es wenigstens nicht Grönemeyer).

Als ich am Morgen vor dem Event aus dem Hotelzimmer gegenüber der Paulskirche schaute, wurde mir ganz mulmig. Die Übertragungswagen von Fernsehteams aus aller Welt waren da, CNN eingeschlossen. Und sie brauchten Bilder und Action. Und dabei wurde mehr oder weniger offen nachgeholfen. Ich habe dann miterlebt, wie Zehnjährige vor den Kameras auf Bestellung Weinkrämpfe bekamen, weil die Begleitbücher zum Gipfel in Plastikfolie eingeschweißt waren. 

Am Schluss kam dann ein sogenannter „Generationenvertrag“ heraus, in dem Passagen standen die von altgedienten Politikern stammen könnten:

„Die Kinder haben das Recht auf eine Zukunft in Frieden, auf eine Welt mit 
sauberem Wasser, reiner Luft und gesunder Natur. Leben ist wichtiger als Geld. Die Erwachsenen erwarten 
im Alter von den Kindern Rücksicht. Die Kinder erwarten von 
den Erwachsenen Vorsicht für ihre Zukunft”. 

Das kommt ihnen bekannt vor? Mir auch. (Wobei inzwischen niemand gehobenen Alters mehr von den Kindern Rücksicht erwartet.)

Weil Kinder eben Kinder sind 

Mit dem Abstand der Jahre würde ich diesen Geist mit Sicherheit nicht mehr aus der Flasche lassen. Ganz einfach, weil eine solche Veranstaltung darin enden muss, dass Erwachsene Kinder instrumentalisieren und politisieren. Etwas anderes kann gar nicht herauskommen, weil Kinder eben Kinder sind. Den kritischsten Kommentar schrieb damals übrigens die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Das würde sie heute auch nicht mehr tun. 

Mir dämmerte jedenfalls: Kinder sollten davon träumen, Tierarzt oder Popstar zu werden – und nicht von einem ökosozialen Paradies. Heute träumen sie sogar vom Weltuntergang. Das Phänomen Greta & Friends ist eine Fortschreibung der „Kinder an die Macht“ Idee, die inzwischen im Nihilismus gestrandet ist. Ob die heutigen Treiber hinter dieser Bewegung irgendwann zu selbstkritischer Distanz gelangen? Ich weiß es nicht.

Bei natur gerieten wir damals jedenfalls heftig ins Grübeln. „Es ist, denke ich, das Trübsinnige an der ökologischen Rigidität, was mich stört“, schrieb die kürzlich verstorbene Kisch-Preisträgerin Wibke Bruhns damals in natur und fügte hinzu: „Ich muss, wenn ich dazugehören will, dauernd entsetzt und empört sein. Außerdem soll ich mich fürchten. Beides will ich nicht.“ 

Solche und ähnliche Beiträge taten unserer Auflage übrigens gar nicht gut. „Seid ihr von allen guten und wohl auch bösen Geistern verlassen“, schrieb uns ein Leser, „auf Argumente will und kann ich mich gar nicht einlassen.“ Viele hielten die Ideale der Bewegung für verraten und verabschiedeten sich. Damals wurde mir zum ersten Mal der Unterschied zwischen einem Presse-Erzeugnis und einem Glaubens-Bekenntnis klar.

Angst, Wut und auch Hysterie ließen im Verlauf der ökologischen Debatte immer wieder den Eindruck entstehen, Begriffe wie Freiheit oder Menschenwürde seien nachrangig. Man könne sie womöglich aussetzen, bis die Ozonschicht heil, das Klima besänftigt und die Welt gerettet sei. Ich dachte eigentlich, dieses Denken wäre inzwischen erledigt. Ist es aber nicht. Ganz im Gegenteil. Offenbar ist der Mensch alle paar Generationen dazu verdammt, die alten Fehler zu wiederholen.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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H.Milde / 06.10.2019

Ach Herr Maxeiner, Selbstgeißelung bringt nichts. Schreiben Sie aber bitte als tätige, Reue weiter konstruktiv gegen den Irrsin in der Bundesklappse, vorm. Deutschland genannt. Auch ich versuche, wie wahrscheinlich die meisten Leser auf der Achse, wenn auch nur im Graswurzelbereich zu wirken, ....... Wie ich hörte sind die Neo-RAF/XR schon dabei öffentlichen Raum und Leben zu terrorisieren, beginnt heute im Bundeshauptslum Berlin?  Es ist mM nur eine Frage der Zeit, bis gemäß Herrn Steinmeier´s LieblingsPunkBand “Bullenhelme fliegen…...”  Häuser & Autos brennen ja schon. So wie damals id 70-80er auch in Frankfurt bei den sog.  Startbahnwest-Demos Polizisten durch ebensolche “Aktivisten”  viele schwerst-,verletzt und zwei Polizisten erschossen wurden, , Ein später prominenter “Polit-Grüner”, Maoist und Mitglied dieser “RZ”, Putztruppen” , wurde später als Mitwisser/Begünstiger von RAF-Mördern in Betracht genommen.  Über deren Mordopfer konnte er auch angeblich keine Träne nachweinen, so wie Trittin ua? MW wurde die PolAkte nach dessen Ministeramtsantritt nicht mehr “aufgefunden”? Heute geniessen er & seine Kombatanten von den Links-Grünen sicherlich wohl voller Stolz die “Früchte” dieser Drachensaat, im beginnenden Deutschen Herbst 2.0.

Leo Hohensee / 06.10.2019

Hallo Herr Maxeiner, manchmal ist es der Geist aus der Flasche, manchmal sind es die Geister, die ich rief - einmal losgelassen - wachsen ohne Widerstand. Nicht mehr einzufangen, ist aber natürlich auch ein Stück Entwicklung. Jetzt kütt et wie et kütt. Zurück in die Flasche will der Geist nicht. schönen Sonntag

Uta Buhr / 06.10.2019

Nein Herr@Hans Krüger, freuen werden Sie sich ganz bestimmt nicht. Das garantiere ich Ihnen, ohne Ihren Rentenbescheid zu kennen. Zur Abfederung des Schocks nach dem Öffnen des Umschlags empfehle ich einen Schluck Broder-Wein (siehe heutiger Artikel von Markus Vahlefeld). Der hilft mit Sicherheit. Und schämen müssen Sie sich auch nicht, die Almosen vom allmächtigen Staat anzunehmen. Der will nur Ihr und unser aller Bestes. Einen schönen sonnigen Sonntag!

Anders Dairie / 06.10.2019

Das halbe Reich ist gg. 1943 Adolfen das Büro eingerannt, um immer neue Pläne für Wunderwaffen vorzulegen. Unter anderem Raketen für die Bomberabwehr.  Das bekundete das Jagd-Flieger-Ass,  Erich Hartmann, anläßlich seiner Auszeichnung zum Ritterkreuz in Rastenburg (in “Holt Hartmann vom Himmel !”).  In 1943, nach Stalingrad,  gab es noch lange kein Köpfe-Hängen-Lassen.  Möglicherweise werden solche Eigenschaften zum Fanatismus vererbt?  Es ist nur zu hoffen, dass der Tatendrang zum Öko-Nazismus bei den heute Grundverwöhnten nicht sonderlich ausgeprägt ist.  Schreien und Hüppen ja, Leiden eher nein !

B. Jacob / 06.10.2019

Früher war Psychologie medizinische Wissenschaft Menschen zu heilen, heute erinnern manche Psychologen eher an Zoodirektoren, die ihre Patienten politisch ideologisch korrekt dressieren. Meine Tod kranke Freundin wurde von einer Psychologin angeschnauzt, weil sie noch Hoffnung hatte und voller Lebensfreude war, weil sie nicht Tod unglücklich mit 50 50 Prozent aufgab. Was ist daran falsch Herr Maxeiner, wenn man Kinder durch gute Bildung dafür interessiert respektvoll mit der Schöpfung um zu gehen und auch Tiere zu schützen. Da gab es in guten Lehreinrichtungen viele gute Projekte Verantwortung für Tiere übernehmen, Bäume pflanzen und Schulgartenunterricht, Reitsportvereine wo Mensch und Tier sich vertrauen müssen, wo Kinder aktiv mitgestaltet haben, damit die Welt ein wenig besser wird. Was wir heute immer mehr haben sind altkluge Wänster, die mit ihrem leeren ungebildeten Geschwätz orientiert an der heiligen Greta ganze Generationen mit einem vernünftigen Bild zur Schöpfung terrorisieren und zu doof sind zu begreifen das ihr Wohlstand auch durch Harmonie zwischen Ökonomie und Ökologie erhalten werden muss. Diese FFF Demos sind wo Müllberge hinterlassen werden kein Beitrag um im Einklang mit der Schöpfung, zum Beispiel auch in Tierheimen aktiv zu werden, wo Hilfe für verlassene, ausgesetzte Tiere willkommen wäre und auch ein Protest gegen Behörden die Steuern derart erhöhen, das viele die am Existenzminimum leben ihre geliebten Vierbeiner abgeben müssen. Die Grünen die vor der EU Tiere als Klimakiller denunzieren und Muslimen zum grausamen Schächten mit enormer Tierquälerei huldigen und viel Tier Leid mit zu verantworten haben begünstigen durchgeknallte Typen wie diese Göre in den USA, die jetzt schon Babys essen wollen, stand vor kurzem in einem Bericht.  Diese Jugend ruiniert ihre eigene und unsere Existenz damit die politischen Großfürsten noch mehr Geld von Untertanen scheffeln können für ihren ideolog. Wahn

Ilona G. Grimm / 06.10.2019

Sie bereuen die Aktion? Das täte ich sicher auch. Aber nach der Reue kommt die Vergebung. // Nun ist Aufklärung angesagt. Dazu frage man CO2-bewegte Jugendliche (und ihre Mütter etc.), «Wie funktioniert die Fotosynthese von Grünalgen und Landpflanzen?» oder auch «Woher kommt der Sauerstoff in unserer Luft?». Da wegen der Schulschwänzerei kaum jemand Bescheid weiß, ergibt sich die Gelegenheit, das Phänomen in relativ wenigen Worten zu erläutern. Es gibt dann offene Münder zu sehen, denen reichlich CO2 entströmt.

Dr. Gerhard Giesemann / 06.10.2019

Habe gerade nachgeguckt bei YouTube: Der Maffay(!) Peter sang das mit der Eiszeit wohl 2015 zum letzten Mal(?) öffentlich. Heute singt er:  ...und die Erde brennt … . Is ja auch egal. Beides ist ungut, er kann das “r” auf alle Fälle so schön intonieren - und mit KraussMaffei hat er wirklich nichts zu tun. Bitte um Verzeihung, bin eben auch nicht auf der Höhe der Zeit, da ist der Peter nicht allein. Und Jugendsünden sind erwünscht, weil auch historisch/hysterisch interessant und lehrreich. Vielleicht schreib ich doch mal einen Essay zur “Kritik der hysterischen Vernunft”.

G. Czech / 06.10.2019

Die ökologische Debatte wurde doch schon längs von den linken Extremisten erobert. Man hat den Eindruck es ist eine linke Kulturrevolution im Gange, unter dem Deckmantel der Klimaaktion. Ziel ist der antikapitalistische Systemwechsel, denn nur dort kann der Klimaschutz gelingen. Also Abschaffung des Wohlstands. Auch ich dachte dieses Denken wäre erledigt - ist es aber nicht. Ich werde nie aufhören meinen Kindern vom damals erlebten Sozialismus/Kommunismus zu erzählen und wie (un)wichtig der Umweltschutz damals war und wie Verbote jede Freiheit erstickt haben. Es war im (National-, International-) Sozialismus immer wichtiger den Klassenfeind zu besiegen als etwas für den Umweltschutz zu tun. Bleibt zu hoffen, dass sich die Jugend nicht verführen lässt.

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