Air Tuerkis / 10.03.2019 / 06:29 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 22 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Mallorca und Motorroller

Von Air Tuerkis.

Im Rahmen unserer Jugendinitiative („Wie produziere ich einen politischen Blog?“) wird achgut.com am heutigen Sonntag, den 10.03.2019, von jungen Talenten produziert. Das gilt auch für die Kolumnen. Der Sonntagsfahrer stammt heute von Air Tuerkis (16), Schüler in Berlin.

Jedes Jahr im Sommer bin ich auf Mallorca. Das mag Proll sein. Will ich auch nicht leugnen. Nun ich weiß, das ist gar nicht hipp. Meine Lieblingsfilme sind auch immer noch Star-Wars, alles mit Arnold Schwarzenegger und James Bond. Mein Schnitzel esse ich mit Pommes und den Salat bestelle ich meist ab – gegen die großmütterlichen Gefühle der Bedienung. Ich bin durch so etwas schon unangenehm aufgefallen, besonders in meiner Berliner Öko-Umgebung. 

Aber manchmal hat es mir auch gefallen. Als ich mit der Familie meiner Freunde essen war, hätte der Vater seinem Sohn gerne  eine Coca-Cola-Light koffeinfrei spendiert, die es leider nicht gab. Stattdessen musste er in einen Apfelsaft starren, während ich getrost mit Verweis auf meine Eltern eine richtige Cola bestellen konnte. Dann war es richtig schön Proll zu sein.

Einmal war ich mit einem solchen Freund, dessen Eltern beide Vegetarier sind, beim Imbiss meines Vertrauens und der Wahnsinnskerl bestellte sich tatsächlich einen Döner nur mit Fleisch - das war dann selbst mir schon fast zu hart. 

Aber ich schweife ab: Eigentlich wollte ich ja nur sagen, dass ich jedes Jahr auf Mallorca bin. Ja und wissen Sie, wenn wir (als volle-Sonnenzeit-am-Strand-Ausnutzer) dann bei untergehender Sonne in unserem Fiat-Panda-Mietwagen vom Strand ins Apartment fahren, dann hören wir seit ich ganz klein bin Musik aus der Jugend meiner Eltern. Mein Favorit: Adriano Celentano. 

Eigentlich liegt Mallorca zwar nicht in Italien sondern in Spanien (ansonsten könnten wir aber auch nochmal Andy Möller fragen), und eigentlich war ich auch noch nie in Italien, trotzdem fühle ich mich immer wie Adriano Celentano, wenn ich auf Mallorca bin aber auch phasenweise in Deutschland. Ich laufe dann immer rum und denke mir „Oh buongiorno, Senora, Tortellini, Pizza. Milano, Sizilia, oh bella Italia“.

Mit 15 äußerte ich dann folgerichtig den Plan, mir einen Motorroller zu kaufen. Mütter, von Hause aus eher bedenkenträgerische Wesen, sind bei derartigen Plänen natürlich immer ein klitzekleines Problem. Doch mit gutem Zureden des männlichen Teils meiner Elternschaft und mit Extraeinkauf von besonders warmen Überziehhosen mit Beinschonern (unter uns: den Quatsch hab ich nie angezogen, aber bitte nicht weitersagen) durfte ich loslegen.

Erst hatte ich überlegt, mir getreu des Adriano-Celentano-Lifestyles eine Vespa in Himmelblau zu kaufen, das musste ich allerdings mit Blick auf die Preistafeln verwerfen. Und so wurde es ein weißer Roller von Piaggio (immerhin der Hersteller von Vespa), gekauft in einer dubiosen Werkstatt in Südberlin und vorerst gedrosselt, damit ich ihn mit meiner Mofa-Fahrerlaubnis fahren durfte. Ich bekam sogar Rabatt, weil Piaggio gerade dabei war, auf Viertakt umzusteigen und ich ein Modell der klassischen aber auslaufenden Zweitakt-Reihe wollte. 

Beim Zweitakt-Motor wird das Motoröl mit dem Benzin vermischt und daher mit ausgestoßen. Daher macht ein Zweitakter viel mehr Geräusch und stinkt viel mehr – und darum gehts ja schließlich. Und vielleicht werden die zusätzlichen Emissionen dazu beitragen, dass Mallorca noch ein bisschen wärmer wird. 

Seitdem bin ich – bisher leider alleiniges – Mitglied der Mofa-Rocker-Gang-Berlin und fahre mit einem zweirädrigen Vier-PS-Ungetüm durch die Hauptstadt. Und dabei ist mir durchaus einiges passiert. Ich habe mich auf einer vereisten Pflastersteinstraße nach einer Kurve kurz mal zum Verschnaufen hingelegt, schon fragten mich Passanten, ob denn alles in Ordnung sei. Naja, meine schöne Lederjacke, mit der schon mein Vater der Legende nach meine Mutter abgeschleppt hatte, und deren Leder so dick ist, dass dafür sicherlich eine ganze Herde von Weihenstephaner-Milchautomaten dran glauben musste, war voll von Schlamm und Schnee, und meine schöne weiße Plastikkarosserie hatte einige Kratzer. Und dann ist da natürlich die Frage im Raum, ob man es der Mami denn erzählen sollte oder ob das eher taktisch unklug im Hinblick auf die Gefahrenbewertung des Rollerfahrens ist. 

Ein anderes mal begegnete ich einer wirren Trulla auf einem Fahrrad, die mich anbrüllte, warum ich nicht mit dem Fahrrad fahren würde. Und überhaupt die arme Umwelt! Die weiteren Verwünschungen gingen im Geräusch meines Zwei-tak-takters unter.

Aber Radfahrer hier sind eh oft nicht ganz sauber. Ich beobachte täglich immer wieder mit Bewunderung, wie Radfahrer mit Vollspeed auf die Kreuzung zurasen, während ein riesiger LKW mit noch einem riesigeren Anhänger hinten dran gerade dabei ist, über diesen Fahrradstreifen rechts abzubiegen, und sich der Fahrradfahrer wissentlich im toten Winkel befindet. Die motorisierten Verkehrsteilnehmer stehen daher meist ewig vor dem Abbiegen, strecken ihren Kopf in alle Richtungen aus und tasten sich langsam vorwärts. Bei großen LKWs, die immer wieder einen neuen Radfahrer auftauchen sehen und daher ihre kurze Anfahrtsphase direkt wieder mit einer Bremsung beenden, sieht man, wie das ganze Fahrzeug lustig hin und her wackelt. 

Das beeindruckt die Fahrradvandalen aber überhaupt nicht: immer wieder gehts mit Vollspeed rein, und wenn das Auto einen Radfahrer dann erst relativ spät bemerkt und der Fahrradfahrer einen Schlenker fahren muss, brüllt der: „Ey, du Arschloch, haste keene Augen im Kopp?“, oft gepaart mit einem energischen Schlag auf die Motorhaube. 

Wenn man sich einen Motorroller kauft, hat man natürlich auch gewisse Gründe abseits der Praktikabilität. Sie wissen schon, ein bisschen auf dicke Hose machen schadet ja nicht. Besonders natürlich vor Personen des anderen Geschlechts. Wenn man es dann mal geschafft hat, jemanden hinten auf seinem motorisierten Gefährt aufsatteln zu lassen, hat man den Jackpot geknackt. Aus Sicherheitsgründen – und nur aus Sicherheitsgründen! – muss sich an der Hüfte des Fahrers  – leider! – festgehalten werden. Und bei jeder Bremsung… Sie wissen schon. 

Wenn man nun mit dem neuen quasi Gastmitglied im Mofa-Rocker-Club unterwegs ist, ist es sehr ungünstig, wenn ein Motorrad neben dir an der Kreuzung steht. Dagegen klingt man dann eher wie so ein frisch-geschlüpftes Küken, welches in das Metro-Goldwyn-Mayer-Logo gesetzt wurde (weil der Löwe gerade krank ist oder Ferien hat) und nun brüllen soll. Und wenn das Motorrad mit locker 30 mal so viel PS wie man selber vor einem weg fährt, naja. Trotzdem cooler als Fahrradfahren.

Und die Berliner Verkehrs Betriebe (BVG) bekommen langsam auch schlotternde Knie, weil sie merken, dass der Motorroller endgeil ist. 

Als ein (anonymer) Vorkämpfer des Rollerfahrens twitterte :“Ich fahr lieber Roller und hab keine Asis, Drogisten, Penner, Rowdys, Musikanten und Bier und Döner verspeisende Kids um mich herum.“, antwortete prompt der offizielle Account der BVG mit dem schwachen Gegenargument: „Aber dafür Insekten im Mund“. 

Gut, vielleicht ist das mit den Insekten aber gerade der Grund, warum Rollerfahren in China und Fernost so unglaublich beliebt ist…

Ok, das war schon jetzt irgendwie… Jep, ich weiß Bescheid.

Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts  "Achgut U25: Heute schreibt hier die Jugend" in Zusammenarbeit mit der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft und dem Schülerblog „Apollo-News“ entstanden. 

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Rosa Wissmann / 10.03.2019

Vielen Dank für diesen witzigen und unterhaltsamen Artikel ! Blaue Luft aus knatternden Motoren, da bekommt die Sonntags-Kolumne nochmal zusätzlich Auftrieb. Bin gespannt auf mehr.

M. Simon / 10.03.2019

Köstlich! Da fühlt man direkt den Fahrtwind um die Nase… Ich wünsche Ihnen und den anderen jungen Autoren weiterhin viel Spaß und Erfolg - und würde mich wirklich sehr freuen, noch mehr von Ihnen zu lesen hier auf der Achse!

Abid Hussain / 10.03.2019

Schöner Artikel, der einen nicht ganz unwichtigen Reiz der Invidualverkehrs beschreibt. Als Autofahrer frage ich mich: was ist schöner - mit einer Frau alleine im Auto oder auf dem Roller? Beides ist sicherlich besser, als mit einer Frau auf dem Fahrrad. Am blödesten ist wahrscheinlich, mit einer Frau im Elektro-Auto zu sitzen. Schön auch die Verweise auf Arnold Schwarzenegger, Adriano Celentano und Star Wars (Han Solo zu Prinzessin Leia: „Ich weiß, Sie mögen mich, weil ich ein Schurke bin. Es gab leider nicht genug Schurken in Ihrem Leben.“).

Manni Meier / 10.03.2019

Also, Herr Air Tuerkis (türkisfarbiger Himmel oder rauchgeschwängerte Luft in türkischer Schischa-Bar?), der Artikel hält, was der Name verspricht, lausbübische Frechheit. Da geht’s munter drauf los, was raus muss, muss raus! Überlegt wird später. Eine Süper Lebensphase. Und da Sie, (ich muss ja “Sie” sagen, schließlich sind Sie mit 16 ja schon konfirmiert und dürfen lange Hosen tragen) auch noch gut schreiben können, bringen Sie dieses Lebensgefühl auch sehr gut rüber. Mal frischer Wind zwischen den “Achsen”.

Laura Schwarz / 10.03.2019

Danke Herr Tuerkis, dass Sie das mal klar stellen. Nicht alle jungen Leute sind klimahuldigende Veganer, die im Sommer zum Wandern nach Norwegen fahren. Ständig werden wir belehrt uns “gesund” zu ernähren, Rad zu fahren und geschlechtslos zu sein. Der drohende Weltuntergang ist nur die nächste Avocado entfernt. Lassen wir uns von den Spielverderbern und Klimaneurotikern nicht den Spaß am Leben verbieten! Und nach der Lektüre von Frau Fußers Artikel, freue ich mich zu sehen, dass es noch junge Männer gibt, die sich über weibliche Begleitung auf dem Motorroller freuen. Und viel Glück mit Ihrer Gang! Schön zu sehen, dass wir auf der Achse so gut vertreten sind.

Antonietta Ferrante / 10.03.2019

Sehr genau beobachtet und unterhaltsam beschrieben, auf welch skurillen Wegen unsere Gesellschaft wandelt. Und sicher auch sehr informativ für alle Leser, die nicht hautnah mitbekommen, wie Berlin als internationaler Vorreiter einer aberwitzigen Politik immer tiefer im verkehrspolitischem und ökoreligiösem Wahnsinn versinkt. Radfahrer sind die moralische Avantgarde der Hauptstadt, und so fühlen diese sich auch, was sie nicht nur berechtigt, auf Bürgersteigen zu rasen, rote Ampeln zu missachten und mitten auf der Fahrbahn zu fahren, sondern selbstverständlich auch dazu, andere Verkehrsteilnehmer zu maßregeln oder zu beschimpfen. Als eine, die selber gern und oft Fahrrad fährt (leider wohnortbedingt vorzugsweise in Berlin-Kreuzberg), habe ich auf der Straße mehr Angst vor anderen Radfahrern, die plötzlich ausscheren oder einem anderweitig die Vorfahrt nehmen, als vor Autofahrern, die in der Mehrzahl rücksichtsvoll und umsichtig fahren. Der (Verkehrs-) Straßenkampf in Berlin wird sich verschärfen, vor allem dadurch, dass Hauptverkehrsstraßen zugunsten von extrabreiten Radwegen einspurig für Autos gemacht werden (gerade geschehen in der Hasenheide in Kreuzberg) oder dass in Einkaufsstraßen Parkplätze zugunsten von ‘Erlebnisinseln’  oder Fahrradständern reduziert werden (so geschehen in der Bergmannstraße in Berlin-Kreuzberg). Wenn das Öko-Argument beim passionierten Autofahrer nicht zieht, kann der Öko-Missionar so noch mitleidig mit dem Argument kommen, dass man doch heutzutage mit dem Auto eh immer Stau steht und keinen Parkplatz findet. Wie schön, dass es in der Jugend immer noch (oder wieder) Menschen gibt, die sich trotz der ökosozialistischen Indoktrination durch die Schule eigene Gedanken machen über das, was sie in ihrem Lebensumfeld erfahren. Wenn sie dann auch noch so pointiert schreiben können, und sich so fleißig und redlich engagieren wie dieser junge Autor hier, kann man nur dankbar und froh wünschen: Weiter so!

Roland Stephan / 10.03.2019

Glückwunsch erstmal an Achgut für die Idee des Work-Shops.Und ja- es scheint den Nerv getroffen zu haben. Gerade unmittelbar nach der medialen Katastrophe des deutschen Karnevals war der Autor geradezu grandios. Ich wünschte mir mehr von ihm zu lesen bekommen.

R. Nicolaisen / 10.03.2019

Ab nach Italien und nicht mehr nach “Malle”! Dort fährt man gern und viel Motorroller. \\ Eine gute Entwicklung der “Schreibe”; hinter viel Bechlenberg und einigem Don Alphonso seh ich da das Eigene sehr im Kommen. Erfreut und erfreulich.

beat schaller / 10.03.2019

Um es vorweg zu nehmen, Herr Tuerkis,  Sie sind wirklich auf gutem Weg. Sie können schreiben, amüsant, interessant, mitreissend. Ganz toll. Sie lassen mindestens in der schriftlichen Form den ganzen"Genderstuss” links liegen (wo er auch hingehört), das ist ja heute schon mutig.  Was Ihnen zwangsläufig oder wohl gar zum Glück noch fehlt, ist die Lebenserfahrung. Das ist nicht abwertend gemeint sondern ein Hinweis darauf, dass Sie Potenzial in sich haben, das wachsen wird.  Bleiben Sie also, sofern Sie journalistisch tätig sein werden, beim Roman, oder Beim Erfahrungsbericht oder bei der Journalistischen Arbeit, die beleuchtet, analysiert aber nicht die Wahrheit deutet, sondern hilft, sie zu finden.  Relotius konnte wohl auch schrieben, nur hätte er an Stelle von “Tatsachenberichten” lieber Arztromane oder Wunschträume beschrieben.  Mit anderen Worten, Ihr “Sonntagsfahrer” isst spannend und amüsant, der von Herrn Maxeiner ist ein Erfahrungsbericht.  Natürlich bin ich einer, der wie viele andere auch, vergleicht und damit geht eine gewisse Voreingenommenheit einher. Das Ganze ist trotzdem gut und dass es zusammen mit Jung und Alt gepaart wird, so kann es doch nur gut werden.Also, bitte mehr davon. b.schaller

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