Dirk Maxeiner / 19.04.2020 / 06:05 / Foto: Pixabay / 82 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Last Exit Schweden

Der Achgut.com Presseschau von gestern habe ich entnommen, dass derzeit über die Hälfte der Menschheit einer Ausgangsbeschränkung unterliegt. 4,5 Milliarden Erdenbürger. Alle Achtung für diese logistische Meisterleistung des nicht offenen Vollzugs: Ende der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wären 4,5 Milliarden noch die gesamte Menschheit gewesen. Der Letzte hätte also aufpassen müssen, dass er nicht die Tür zufallen lässt und der Schlüssel von außen steckt. 

Bislang war der Hausarrest ja eher ein Einzelschicksal, denken wir nur an Galileo Galilei, der neun Jahre unter Hausarrest stand (1633 bis 1642), auf dass sich das Virus des heliozentrischen Weltbildes nicht verbreite und die Erde der Mittelpunkt des Universums bleibe. Die katholische Kirche – die war damals sowas ähnliches wie das Bundesverfassungsgericht heute – rehabilitierte Galilei 1992. Ganz eilig hatte man es offenbar nicht. 

Aktuell fällt einem etwa Wikileaks-Gründer Julian Assange ein, der sieben Jahre in Ecuadors Botschaft in London zubrachte. Oder die birmanesische Friedennobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die insgesamt zehn Jahre in ihrem Haus in Rangun festgesetzt war. Mich hat bei dem Gedanken an so etwas schon immer Klaustrophobie befallen, obwohl Aung San Suu Kyi sicherlich unter räumlich großzügigeren Umständen untergebracht war als eine Familie mit zwei Kindern in einer Platte in Marzahn. Auch Napoleon hatte nach seiner Verbannung auf Elba respektive Sankt Helena geradezu luxuriösen Auslauf mit Terrasse und Sonnengarantie, gewissermaßen Robinson-Club lebenslang. 

Hierzulande galt der Hausarrest als fast ausgestorben, sogar als probates Mittel der Kindererziehung war er geächtet. Folglich wurde er durch den Smartphone-Entzug ersetzt. Zum Hausarrest für die nicht folgsame Brut heißt es auf Wikipedia: ,„Am 2. November 2000 wurde in Deutschland das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts (BGBl. I, S. 1479) verabschiedet“. Der die Ächtung der Gewalt in der Erziehung betreffende Teil (§ 1631 Abs. 2 BGB) wurde wie folgt gefasst: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig“. Nach diesem Gesetz ist Hausarrest in der Erziehung also nur insoweit erlaubt, als das Kindeswohl nicht gefährdet wird. 

Am liebsten vom Balkon im siebten Stock

Da der Hausarrest 2020 vorgeblich der Gesundheit und dem Kindeswohl zuträglich sind, dürfen die Kleinen nun wieder arrestiert werden. Dies gefährdet wiederum die Gesundheit der dazugehörigen Elternteile, die angesichts der nölenden Brut am liebsten vom Balkon im siebten Stock in die Tiefe springen würden – und zwar ohne Fallschirm.

Eltern wiederum, so verstehe ich die gegenwärtige Politik, werden wie Kinder behandelt, genießen aber nicht deren Privilegien. Mutti Merkel und Onkel Söder sprechen zu ihnen wie der Nikolaus beim Hausbesuch: "Wart ihr auch alle schön brav?" Ansonsten haben erwachsene Bundesbürger kein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind zulässig und werden mit wachsender Begeisterung angewendet. "Die Wahrscheinlichkeit, dass Urlaub in anderen Ländern im Sommer so leicht möglich ist, schätze ich aus gegenwärtiger Sicht eher als unwahrscheinlich ein", quält Onkel Söder das gemeine Volk und empfiehlt den solidarischen Erholungsaufenthalt in heimischen Gauen. Dabei klingt er wie ein sadistisch veranlagter Koch aus Alcatraz, der die Insassen lächelnd aufmuntert: „Jungs, morgen gibt’s was ganz Besonderes, Wasser mit Steckrüben“.

Im modernen Strafvollzug wird die Arrestierung von Deliquenten inzwischen öfter durch eine elektronische Fußfessel ersetzt. Es ist also folgerichtig, die Ausgangsbeschränkungen für die Bürger durch eine zeitgemäße Variante dieser Ortungshilfe zu ersetzen. Sie nennt sich „Corona-App“. Damit soll das Wachpersonal nachverfolgen können wer, wo, mit wem, mit wie vielen Personen in Kontakt war, die ein Virus transportieren. Ich schlage vor, die praktische Umsetzung den ARD-Faktencheckern und Correctiv zu übertragen, die haben bereits große Erfahrung mit „Recherchen für die Gesellschaft und mit der Gesellschaft“ und verhindern erfolgreich die Infektion der Bürger mit falschen Gedanken. 

Weiteres Know-how könnten die Freunde vom chinesischen G5-Giganten Huawei beisteuern, da ist der deutsche Michel in den besten Händen. Der Vorsitzende der Jungen Union, Tilman Kuban, fordert, dass die Corona-App automatisch auf die Mobiltelefone der Bürger installiert werden soll, wenn sie nicht ausdrücklich widersprechen. Denn wer widerspricht, hat offenbar etwas zu verbergen.

Wie immer bei der EU, zum Zwecke der Weltrettung

Um diesem Dilemma zu entkommen, werde ich mein Handy im Goldfischteich von Tilmann Kuban entsorgen und die Kommunikation wieder auf Rauchzeichen und Trommel-Signale umstellen. Autos ab Jahrgang 2020 empfehle ich ebenfalls zu entsorgen, machen Sie einen US-Aufkleber drauf und parken das Fahrzeug in der Rigaer Straße in Friedrichshain. Platzieren Sie dann gut sichtbar einen Grillanzünder auf dem Beifahrersitz. Neuwagen sind nämlich so etwas wie eine fahrende Corona-App. Seit Anfang 2020 schreibt die EU ein „On Board Fuel Consumption Monitoring“ (OBFCM) vor und die Daten ihrer Fahrt landen jetzt zielsicher bei der EU-Kommission und unter der Peitsche von Ursulala, der Damenreiterin.

Dies geschieht, wie immer, zum Zwecke der Weltrettung, denn der Benzinverbrauch wird übermittelt, damit die Verbrauchsangaben der Hersteller transparenter werden. Die Technik impliziert ferner die wunderbare Möglichkeit, festzustellen, wann, wohin oder wie schnell der Delinquent sich bewegt hat. Ein kleiner Schritt für die EU-Kommission und ein großer Schritt zum chinesischen Punkte-Überwachungs-System. Vom Social Distancing zum Social Scoring führt eine Autobahn, so breit und schnurgerade wie die Brücke über den großen Belt.

Womit wir beim Höhepunkt für den Sonntagsausflug sind. Das Studium einer Europa-Karte und der diversen Ein- und Ausreisebeschränkungen ergibt zunächst mal eine niederschmetternde Bilanz. Man darf nirgendwo mehr hin, noch nicht mal nach Mecklenburg-Vorpommern.

Die EU hat ihre finale Bestimmung erreicht

Freies Reisen gibt es auf unserem Kontinent nur noch für Waren, sofern sie noch hergestellt werden, für Kapital und vor allem für Schulden. Deutsche Urlauber dürfen nicht mehr nach Italien oder Frankreich, lediglich ihr Erspartes darf die Reise in Richtung Mittelmeer antreten. Der Umweg über einen Hotelier in Rimini, dem man die Übernachtung bezahlt, ist viel zu kompliziert und Old School. Wir schicken stattdessen die Kohle per Schwertransport an die italienische Regierung, und die bezahlt unter Einbehaltung einer kleinen Gebühr den Hotelier dafür, dass er den Laden geschlossen hält. Die EU hat damit ihre finale Bestimmung erreicht.

Für den Widerständler und Individualisten gibt es nur noch eine Hoffnung, dem großen Wegsperren zu entgehen. Es ist ein kleines europäisches Land hoch im Norden und es heißt: Schweden. Die meisten kennen es von IKEA, denn dort wird Schweden für den Spanplattenliebhaber simuliert. Der Laden duzt dich egalitär, und der Katalog ist politisch so korrekt, dass man ständig einen "Genderlehrstuhl Malmö" fürs Esszimmer erwartet. Wer das Land verstehen will, der sollte ferner ein kurzes Wort kennen: „Lagom“. Die Schweden meinen damit „nicht zu viel und nicht zu wenig“. Das ist zumindest in einer Hinsicht gelogen: Der Alkohol in den staatlichen Systembolaget Läden ist sündhaft teuer, und die Schweden saufen trotzdem wie die Löcher. Die Kultur des Landes ist auf Ausgleich ausgerichtet, was auch der Gleichgewichts-Findung nach einer Flasche Systembolaget-Vodka dienlich ist. Man ist stolz, man ist selbstbewusst, man weiß, was man will und was man kann. Aber man macht kein großes Aufhebens darum.

Gemäß dieser Charaktereigenschaft ließen die Schweden sich bislang nicht zu einem Lahmlegen des Landes nötigen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind in Schweden ohne Lockdown ungefähr die gleichen wie in Deutschland mit Lockdown, was ein bisschen nachdenklich stimmt. Wenn die Schweden durchhalten, könnte es sich zum Elchtest für die Corona-Politik auswachsen, nicht umsonst ist das Ausweichmanöver schwedischer Autotester inzwischen zur Methapher einer programmierten Blamage geworden.  

Sollten die doch für irgendwas gut sein?

Eine wirklich harte Nuss für mich ist aber die schwedische Regierung, die das Ausscheren aus der Panik verantwortet: eine rot-grüne Koalition. Sollten die doch für irgendwas gut sein? Prinzipiell bin ich gewohnt, dass sich meine Vorurteile bestätigen, die schwindelfreie Corona-Nummer verunsichert mich jetzt schwer.

Aber egal. Ich überlege ernsthaft den Willy Brandt zu machen. Stand gestern konnte man sich noch ein Fährticket von Travemünde ans rettende schwedische Ufer kaufen, für EU-Bürger ist die Einreise dort auch nach wie vor erlaubt. Das letzte Loch im Zaun um Deutschland weist Richtung Stockholm. Vielleicht sollte man nicht als Tourist reisen, sondern als Start-Up-Unternehmer. Ich trage mich beispielsweise mit dem Gedanken, über ebay ein paar Kochtöpfe in Stockholm zu erwerben, zwecks Eröffnung eines Köttbulla-Imbisses in Allemanistan. Spätestens mein alter, garantiert OBFCM- und Huawei-freier Volvo wird den schwedischen Zoll von der Seriosität meiner Dienstreise überzeugen. Einen Namen für den Imbiss habe ich auch schon: Ach gut! 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Pixabay

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Walter Elfer / 19.04.2020

Wenn wir’s wie die Schweden machen wollen, brauchen wir noch etwas Land dazu. Wir können ja mal höflich bei den Polen anfragen. Die haben ja schon Erfahrung mit uns. Und dann müssen wir uns noch überlegen, wie wir 70 Mio Menschen aus dem Land bekommen. Dürfen nur nicht die falschen Leute sein, denn wir brauchen die für den nächsten Parameter. Denn Schweden gilt mittlerweile als Paradies für Vergewaltigungen. Brauchen wir auch, den so bekommen wir wenigstens die restlich hier verbliebenen Frauen dazu, in selbstloser Disziplin von ganz allein zu Hause zu bleiben. Voila - Lockdown ist Geschichte.

Dr. Mephisto von Rehmstack / 19.04.2020

Also, das mit Covid kam so: als der liebe Gott von CO2 und Genderwahn, von Energiekrise und FFF die Nase voll hatte und dann noch sein Bodenpersonal Greta zu seiner Stieftochter machen wollte, sagte er : “Die sind doch total durchgeknallt, die brauchen mal einen Schuß vor den Bug, daß die wieder zu Sinnen kommen, ich schicke denen mal ein neues Virus” , worauf Junior maulte und auf die Gefahren hinwies und dafür hätte er das Ganze nicht auf sich genommen, der liebe Gott aber sagte. “kein Sorge, so schlimm wird das schon nicht werden, die haben in 2012 schon einen Katastrophenplan zurechtgelegt, den müssen sie nur anwenden”. Dem heiligen Geist war das alles wurscht, er hatte es sowieso nicht so mit der Erde, schon wegen der Vaterschaftsklage. Nach vier Wochen tagte der Dreierrat wieder und Junior mauelte und sagte, “ich hab Dich doch gewarnt, ich kenne doch die Brüder”, darauf der liebe Gott zornig: “Das konnte doch keiner ahnen, daß die ihre eigenen Pläne nicht umsetzen; wenn man die nur einen Moment alleine läßt, machen die irgendeinen Scheiß, der sie in Teufels Küche bringt. Ok, selbst Schuld, Thema durch, was gibts neues aus den anderen Galaxien, wir haben ja noch andere Aufgaben!”

Sabine Schönfelder / 19.04.2020

Hartmut@Laun, richtig. Nächstes Ziel: Keiner tritt in Kontakt mit anderen Menschen, bevor wir nicht alle Krankheiten auf dieser Welt ausgerottet haben. Bis dahin gilt: Angst haben und auf staatliche Anweisungen warten!

E Ekat / 19.04.2020

Lieber Herr Maxeiner, sollte es nicht um freien Ausgang sondern darum gehen, welche Länder bisher erfolgreich mit Corona umgegangen sind, dann kämen auch Süd Korea sowie Taiwan in Betracht. Ihr Volvo dürfte die Anreise selbst dorthin schaffen. In Schweden könnte ihre Sorge darin bestehen, sich neben Corona auch noch vor verlockenden Blondinen fernzuhalten. Auch kein schönes Leben. Denn sonst droht womöglich doch wieder Hausarrest, wie dem von ihnen erwähnten Julian Assange nach seinem Schweden-Aufenthalt widerfahren ist welcher, wie Sie berichten, danach 7 Jahre in Ecuadors Botschaft in London zubrachte. Weil dieser auf keinen Fall an Schweden ausgeliefert werden wollte.

Gudrun Dietzel / 19.04.2020

@Johannes Schuster, ich finde es geradezu grotesk und lächerlich, wie stümperhaft die PR-Corona-Nummer zurückgefahren wird. Wenn man schon lügt, sollte das auch beim Exit mit Eleganz zu bewerkstelligen sein. Aber so blöd. Das merkt doch jeder. Schreiben Sie das Buch. Ich freu mich drauf.

Steffen Lindner / 19.04.2020

@Hartmut Laun: Exakt die Lügenpolitik der Regierung auf den Punkt gebracht! Es geht längst nicht mehr um dasVirus oder gar um Menschenleben. PS: Sprechen Sie doch mal mit Ihrem CDU - Bundestagsabgeordneten über diese Daten, und fragen Sie ihn, was er zu tun gedenkt.- Pardon, war nur ein Scherz…

Dov Nesher / 19.04.2020

@Hartmut Laun. Nie hat irgendjemand irgendeinen konkreten Wert gesagt, ab dem man die Maßnahmen aufheben kann. Höchstens, wann man beginnen kann darüber nachzudenken. Und das aus gutem Grund. Weil wir noch zu wenig darüber wissen. Das mit r<1 wurde von Anfang an gesagt. Und r muss auch unter 1 bleiben; Sonst kommt der “Rückfall” unweigerlich. Dafür muss man kein Virologe sein um das zu verstehen. Mathematik Mittel-Stufe reicht (zumindest zu meiner Schulzeit). Egal ob AfD, Merkel oder Scholz oder sogar Harbeck: Wir sollten genau zuhören und weder Politiker-Aussagen, noch Untersuchungen aus dem Zusammenhang reisen und unsere Interpretation für allgemeingültig erklären.

Bernhard Idler / 19.04.2020

Schweden hat inzwischen faktisch einen Lockdown (für die schon länger dort Lebenden), nur nennen sie es anders. Und Schweden meldet etwa zehnmal soviel Corona-Tote je Million Einwanderer wie der Nachbar Finnland (wobei viel weniger getestet wird in Schweden; was man offiziell nicht melden darf, gibt es nicht, hat sich bei Vergewaltigungen und Clankriminalität in Schweden bestens bewährt). Auf der Suche nach einem weniger übergriffigen, freiheitlichen Staat ausgerechnet das “Volksheim” Schweden zu promoten, ist ein Witz. In Schweden mit seiner langen Euthanasie-Geschichte kommt das Sterben älterer weißer Leute möglicherweise gar nicht so ungelegen. Da werden Häuser und Wohnungen frei für die volksauffrischenden “Großfamilien”.

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