Dirk Maxeiner / 11.12.2022 / 06:15 / Foto: Christoph Braun / 94 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Jagdschein für alle!

Es gehört zu den ernüchternden und schmerzlichen Erscheinungen des Alters, als Terrorist nicht mehr ernst genommen zu werden. Seit der vergangenen Woche schöpfe ich nun wieder etwas Hoffnung.

Der Kreis schließt sich. In den 70er Jahren gab es zahlreiche Verkehrskontrollen, bei denen man durch ein Spalier von mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten fuhr. Wenn ich da hineingeriet, wurde ich wirklich jedes Mal herausgewinkt und gefilzt wie ein Drogenkurier des Medellin-Kartells. Es lag wohl an meinem jugendlichen Alter, der generalverdächtigen Pilotenbrille und meinem Auto: eine Alfa Romeo Giulia Super in Kastanienrot. Alfas, BMWs und andere gut motorisierte Fahrzeuge waren besonders verdächtig, es hieß, Andreas Baader hege ein Faible für dergleichen Fluchtgefährte

Das ist lange her, und ich habe mich daran gewöhnt, bei akuten Fahndungsaktionen nicht mehr für voll genommen zu werden. Mit ein bisschen Wehmut beobachtete ich, wie heißspornige und tiefergelegte junge Männer vom Auge des Gesetzes zackig ins Visier genommen werden, während ich in meinem klapprigen Schweden-Kombi weitergescheucht werde wie ein alter Gaul, der um Zucker bettelt. Es gehört zu den ernüchternden und schmerzlichen Erscheinungen des Alters, als Terrorist nicht mehr ernst genommen zu werden. 

Seit der vergangenen Woche schöpfe ich nun wieder etwas Hoffnung. Wie ich der Presse entnehme, bin ich und meine Peergroup im besten Untergrund-Alter, die Putschisten werden halt auch nicht jünger. Wer soll es auch machen, wenn die Jungen zu doof oder zu faul sind, die Schilder zum Reichstag nicht lesen können und außerdem für unsere Renten buckeln müssen? So ein Umsturz ist mit der persönlichen Work-Life-Balance eines 30-Jährigen einfach nicht vereinbar, das muss man doch verstehen. 

Die Uzi lauert ab sofort im Rollator

In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist dies auch kein Problem. Den Fernsehbildern nach entsteht hier auch eine neue Wertschätzung für ältere Mitmenschen, ein kostenloser Hubschrauberflug zum Bundesgerichtshof nach Karlsruhe ist schon mal nicht schlecht, um gar nicht zu reden von den überall im Lande liebevoll arrangierten Presseempfängen. Ich vermute außerdem, dass Verpflegung, Fürsorge und Freizeitangebot in Stuttgart-Stammheim qualitativ deutlich besser sind als in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt. Vom Zellenkumpel zu lernen, wie man einen Geldautomaten sprengt, ist doch deutlich lebensnäher, als im Speisesaal Mühle zu spielen. Da hat man doch gleich das Gefühl, dass man noch gebraucht wird. Kurzum: Die Uzi lauert ab sofort im Rollator, es handelt sich um eine ausgesprochene Win-win-Konstellation.

Der Begriff Himmelfahrtskommando bekommt ab 60+ eine ganz neue, sinnstiftende Bedeutung. Deshalb wundere ich mich, warum sich jetzt alle so wundern. Schließlich war es das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das diesen Abgrund an terroristischer Bedrohung mit seiner Berichterstattung befördert hat, und zwar schon seit Jahren. „Rocco & die Herzschrittmacher“ hieß beispielsweise eine den Altersterrorismus verharmlosende Sendung, bei der Joachim Fuchsberger, Dieter Hallervorden und Bibiana Zeller eine Rentnerbande spielten, instrumentalisiert von dem einschlägig verdächtigen Jan Liefers. Der schon wieder, Nachtigall ick hör dir Querdenken. 

Der zweite Teil des in der ARD ausgestrahlten Machwerks trug sogar den brandgefährlichern Titel „Die Spätzünder – Der Himmel soll warten“ und verbreitete unterschwelligen Hass und Hetze mit Parolen wie „Ich will Entrecote, kein Püree“. Das Drehbuch kommt mir bekannt vor, wie im richtigen Leben spielt unter anderem ein Sternekoch den Putschisten. Die Programmankündigung bereitete bereits vor zehn Jahren den Boden für den jetzt in Deutschland eingetretenen Ernstfall: „Die aufmüpfigen Bewohner eines Seniorenheimes wehren sich gegen die gut gemeinte Bevormundung durch das Pflegepersonal“.

Sportschütze oder Jäger sein, erhöht die Chancen

Um mich als Staatsfeind und Aufrührer in leitender Position zu empfehlen, muss ich allerdings noch ein wenig an meiner aristokratischen Statur arbeiten. Eine hellbraune Cordhose und ein dunkelbraunes Tweed-Sakko mit aufgenähten Lederecken an den Ellenbogen befinden sich bereits in meinem Besitz. Ferner ein paar braune Budapester-Schuhe. Im Augsburger Sozialkaufhaus habe ich außerdem zufällig einen Siegelring für den kleinen Finger entdeckt. Mein Italiener Enzo sagt jetzt nicht mehr „Dottore“ zu mir, sondern „Herr Baron“. Deshalb bestelle ich jetzt immer Wildbret. Bedauerlicherweise habe ich aber keinen Jagdschein, um die Böcke selbst zu schießen. Genug Wald wäre schon da, nur gehört er mir leider nicht. 

Der Volvo-Kombi wird jetzt olivgrün gestrichen und in einen standesgemäßen Jagdwagen verwandelt. Sportschütze oder Jäger sein, erhöht in jedem Fall die Chance, am frühen Morgen von Nancy Faeser geweckt zu werden, da muss ich mir was einfallen lassen. Nun gibt es ja nicht nur den Weg, mühsam einen Jagdschein zu erwerben, sondern auch die Möglichkeit, ihn ehrenhalber verliehen zu bekommen, so ähnlich wie den alternativen Nobelpreis. Und da habe ich echte Chancen, sagt zumindest Sabine und auch Wikipedia: „Als jemand, der ‚einen Jagdschein hat‘, wurde und wird in Deutschland umgangssprachlich eine Person bezeichnet, die aufgrund von bescheinigter Unzurechnungsfähigkeit einen (imaginären) Freibrief besitzt.“

Es gibt sozusagen Jagdschein 1. und Jagdschein 2. Manche besitzen auch beide, das ist der Fall wenn der Wildschütz Stimmen hört, weiße Mäuse sieht oder einen Fledermaus namens Rothschild in seinem Dachstübchen beherbergt.

Jagdscheininhaber sind grundsätzlich gesellige Menschen und treffen sich gerne. Beispielsweise, wenn die die Sportgemeinschaft des Deutschen Bundestages und die Stiftung Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt zur Hubertusjagd in Neustadt (Dosse) einladen. Vor ein paar Jahren fand die 12. Neustädter Hubertusjagd gar unter der Ehrenherrschaft der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen statt. Stammsitz des hochadeligen Geschlechtes ist übrigens die wehrhafte Oberburg in Gondorf, das einzige Wasserschloss an der Mosel. Für eine glaubhafte altersterroristische Vita ist die Teilnahme an der Hubertusjagd in Brandenburg meines Erachtens unbedingt zu empfehlen, schließlich bestehen Kontakte direkt zur Spitze der Bundeswehr. Da muss ich hin, ich suche aber noch ein Pferd.

Mit Jagdschein wäre ich jedenfalls in bester Gesellschaft von führenden Köpfen des Landes. Der einzige Haken an der Sache ist, dass ich ja nicht in die Klapse, sondern nach Stammheim will.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Christoph Braun CC0 via Wikimedia Commons

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Dirk Jungnickel / 11.12.2022

Lieber Dirk Maxeiner,  zwischen Ihren satirischen Zeilen stecken auch Ambitionen, die nicht jeder gleich schnallen dürfte, weil sie aus guten Gründen raffiniert verpackt sind. Es geht ja um die Achse, um die ich mir seit der Razzia größte Sorgen mache. Schließlich können Sie deren Existenz nicht gefährden. Heimlich aber intensiv spekulieren Sie nämlich auf einen Posten bei Heinrich XIII. (Die Heinriche sind nicht ohne !) Ob mit oder ohne Armbrust würden Sie nämlich gern zum Reichsjägermeister aufsteigen, in Unkenntnis der braunen Analogie, versteht sich; auf den Orden Pour le Mérite würden Sie notfalls verzichten. Ihr “Vorgänger ” tummelte sich mit Vorliebe in der Schorfheide. Dort wäre übrigens viel zu tun. Die ist nämlich wildmäßig wie ausgestorben, auch wenn Reiseführer das Blaue vom Himmel lügen ....

Karl Dreher / 11.12.2022

Diese Razzia fand doch zeitgleich mit einem weiteren Großeinsatz gegen eine große Schleuserorganisation statt. Warum lese ich jetzt nur noch Berichte über die paar dummen Hanseln und ihre “Umsturzplanungen”? Daß diese gründlich ausermittelt und energisch strafrechtich verfolgt werden, ist natürlich richtig. Aber wo bleibt die Berichterstattung über die Schleuser-Razzia? Oder habe ich da etwas nicht mitbekommen?

T. Schneegaß / 11.12.2022

@Ilona Grimm: Vollkommen richtig, ich hatte auch schon darauf verwiesen, neben den Spott und Hohn von vernuftbegabten Menschen die Absicht des abgrundtief Bösen und die Symbolik dieser Farce auf die mehrheitlich verblödete Masse nicht zu unterschätzen. Leo Hohensee hat hier gerade ein weiteres Paradebeispiel dafür beschrieben.

Gerhard Schäfer / 11.12.2022

@Gustav Scharf: Zu “Ich kann darüber nicht mehr lachen. So nehmen Regime Säuberungen vor.” // Stimmt! - Aber vielleicht nicht darüber - , sondern über die Regierung lachen! Damit können wir uns wehren! Und: “Die schärfte Waffe ist das geschliffene Wort!”

Andreas Rochow / 11.12.2022

Es war offenkundig eine zu große Herausforderung, die Genossin Nancy Faeser und Thomas Haldenwang zusammenzuspannen. Die Beweislastumkehrerin und der Beobachter sind mit dem Generalverdacht in Dauerstress und eigentlich zu bedauern. Kein Wunder, dass es jetzt diese Übersprungsreaktion gab! Man wird den Gefangenen, die sie bei ihrer mutigen Razzia gemacht haben, die Harmlosigkeit nicht abnehmen. Die Jagd geht weiter, bevor die Gejagten Straftaten begehen. Man will verhindern, dass wir mit dem Strafrecht in Konflikt geraten. Sozialstat eben.

M. Klemm / 11.12.2022

Ihnen fehlt ein Pferd? Für den Anfang und altersgemäß empfehle ich ein Schaukelpferd oder ein Steckenpferd. Damit vermeidet man Oberschenkelhalsbrüche.

Dr. Ralph Buitoni / 11.12.2022

Korrektur Herr Maxeiner! Frau v.d. Laien ist nicht von Hochadel! Nicht mal in eingeheirateten. Die von den Laien sind spät nobilitierte kapitalistische Ausbeuter aus dem Strumpfwirkermilieu. Mit der Familie und der Stammburg Gondorf des alten Hochadelsgeschlechts von der Leyen haben die nix zu tun. An der Frau ist einfach alles Schein, auch der Adel…. Zu ihrer eigentlichen Herkunftsfamilie Albrecht wäre auch sonst noch einiges zu sagen.

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