Vor zehn Tagen lautete der Klima-Schadensfall der Woche: „Meere erwärmen sich offenbar stärker als erwartet“ (Bild-Zeitung). Wahlweise auch „Der Ozean nimmt mehr Wärme auf als vermutet“ (idw-online) oder „Cola-Effekt“ alarmiert Ozeanforscher: Erderwärmung ist weit größer als bekannt“ (Focus-online). Mit todsicherer Überzeugung wurde verkündet: „Die neue Berechnung zeigt also, dass weit mehr Wärme als bisher gedacht in die Ozeane gelangt ist. Das bedeutet aber auch, dass grundsätzlich durch die Gase, die von Menschen erzeugt werden, viel mehr Wärme entsteht als angenommen“.
In vielen Jahren hat mich die Erfahrung gelehrt, solche Tatarenmeldungen erst einmal ein wenig abhängen zu lassen und zu warten, bis jemand mit guten Rechenkenntnissen die sensationelle Erkenntnis überprüft. Dies ist inzwischen geschehen. Das Ergebnis lautet, dass ein todsicherer Rechenfehler der Grund für die hitzige Dampferzeugung der vergangenen Woche ist, nicht etwa Kohlendioxid. Der Klimawissenschaftler Nicholas Lewis hat sich die veröffentlichten Daten angesehen und kommt zu dem Schluss: "Wenn Sie den Trend richtig berechnen, ist die Erwärmungsrate nicht schlechter, als wir dachten – sie entspricht weitgehend den bisherigen Schätzungen". Lewis verbindet damit Hoffnung: „es wäre wichtig, dass die Medien, die die Ergebnisse der Studie kritiklos in die Welt hinausposaunten, eine entsprechende Korrektur veröffentlichen.“
Das ist natürlich eine vergebliche Hoffnung. Wenn die deutschen Medien sämtliche Schrott-Studien korrigieren würden, die sie in den letzten 30 Jahren auf das Publikum losgelassen haben, dann wären sie die nächsten 15 Jahre mit Dementis ausgelastet. Schade, dass keiner Buch führt, die Warteliste würde vom Meeresgrund bis zur Mondoberfläche reichen. Nehmen wir es also wie es ist: Die überhitzenden Ozeane haben ihren pädagogischen Zweck erfüllt und den Glauben der Klimagemeinde ein weiteres Mal bestärkt. Amen.
Eine Zeitlang habe ich geglaubt, dass die Klima-Religion an die Stelle der christlichen Offenbarung treten würde, aber das war ein Irrtum. Beides ist mittlerweile in Tateinheit dasselbe. Dies eröffnet Anstandstanten beiderlei Geschlechts ein weites Betätigungsfeld, nur wird heute nicht mehr Suff, Völlerei und unkeusches Betragen sanktioniert, sondern Bier aus Dosen, Fleisch aus dem Supermarkt und Sexspielzeuge aus PVC. Es ist also alles beim alten geblieben, der Spaß wird lediglich nicht mehr direkt bekämpft, sondern über Bande.
Ganz groß in Mode sind auch gesellige Pilgerreisen für die Generation 60plus zur Rettung des Weltklimas. Der Anlass einer Pilgerfahrt kann laut Wikipedia „eine auferlegte Buße sein, das Bemühen, einen Ablass zu gewinnen, die Erfüllung eines Gelübdes, ein bestimmtes Anliegen, geistliche Vertiefung oder die Abstattung von Dank. Ziel ist ein als heilig betrachteter Ort, etwa eine Wallfahrtskirche, ein Tempel, ein Baumheiligtum usw.; das Pilgerwesen war und ist eng verbunden mit der Reliquienverehrung". In diesem Falle handelt es sich um das in Paris gen Himmel gestiegene "Weltklimaabkommen", vergleichbar dem heiligen Rock, der im Trierer Dom seine Ruhestätte fand. Als Grundausstattung für den Klimapilger genügen Trekking-Sandalen mit robusten Socken, eine Jack-Wolfskin-Jacke und ein Rucksack, in dem eine Ausgabe von Hans-Joachim Schellnhubers „Selbstverbrennung“ und ein Vorrat an Hühneraugenpflastern mitgeführt werden.
Auf der Couch einen Unterwasser-Porno anschauen
Prinzipiell wäre es zu diesem Zweck natürlich sachdienlicher, zuhause zu bleiben und sich CO2-neutral auf der Couch Al Gores "Eine unbequeme Wahrheit" oder gleich einen Unterwasser-Porno anzuschauen und dabei drei Vaterunser zu sprechen. Das ist allerdings als sinnstiftendes Gemeinschaftserlebnis suboptimal. Als Alternative wird deshalb der „3.ökumenische Pilgerweg für Klimagerechtigkeit“ beschritten“, er führt von Bonn, dem Ort der letzten Klimakonferenz, über Düsseldorf, Hannover, Dresden und Cottbus nach Berlin und weiter ins polnische Katowice, dem Ort der nächsten Klimakonferenz, dem Zentrum des ehemals schlesischen Kohlereviers. Nach Polen wird mit dem Bus dieselgepilgert, „bitte nicht vergessen 26,91 Euro (inkl. 7%) zu überweisen“. Zwischendrin gibt es theologischen Zuspruch etwa vom sächsischen Landesbischof Carsten Rentzing, der dazu auffordert, das „Herz bei den Armen zu haben“, etwa bei den Menschen Indiens, die „unter dem steigenden Meeresspiegel leiden“.
Die Inder haben echt Glück, dass der Meeresspiegel so geduldig und sie selbst so weit weg sind, stattdessen müssen nun die Polen den Ostfeldzug der Klimakirche verkraften. Unsere polnischen Nachbarn sind zwar überwiegend katholisch, aber nicht doof, das heißt, sie glauben an den lieben Gott, aber nicht an Al Gore und Hans-Joachim Schellnhuber, weshalb sie gar nicht daran denken, die 15 Kohlekraftwerke des Landes zu schließen. Und für den Fall dass doch, liebäugeln sie, Herrseibeiuns, mit Kernkraftwerken. Die Eingeborenen haben sich mit Sonderkontingenten Tyskie-Bier auf den Ansturm eingerichtet und können die Belagerung dank einem Vorrat an „schlesischem Himmelreich", sprich Schweinebauch mit Backobst, unbeschadet in den umliegenden Steinkohlestollen aussitzen, unterdessen draußen die teetrinkenden Veganer marodieren.
Während Hape Kerkeling noch nach Santiago de Compostela pilgerte und versprach „ich bin dann mal weg“, steht zu befürchten, dass die deutschen Klimapilger gut gelaunt aus Katowice zurückkehren. Die einzige Hoffnung für hiesige Klima-Agnostiker besteht darin, dass sie umgehend zur nächsten Klimakonferenz in Brasilien aufbrechen, um sich an der Copacabana ausrauben zu lassen und auf diesem Wege die Klimagerechtigkeit zu vollenden.