Dirk Maxeiner / 07.08.2016 / 06:20 / Foto: Tim Maxeiner / 1 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Heinrich und der Scheunenfund

Die beste Anschauung darüber, wie man selbst zum Oldtimer wird, sind immer noch Klassentreffen. Deshalb meide ich diese Art von Veranstaltungen. Manchmal lässt es sich aber beim besten Willen nicht vermeiden. Da trifft der im Geiste junge Mensch plötzlich auf lauter gesetzte ältere Damen und Herren mit angegrauten oder nicht mehr vorhandenen Haaren und auch sonst deutlichen Gebrauchsspuren. Und schnell wird klar: Verdammt Du bist einer von denen. Die sehen dich genauso, wie du sie siehst. Nur du selbst siehst dich noch wie früher. Eine einwandfreie jugendliche Erscheinung unter lauter alten Säcken.

Über Politik darf man da sowieso nicht reden. Zumindest nicht mit den Studienräten - und das sind etliche. Obwohl ich selbst bei denen gewisse Tendenzen zur Radikalisierung herausgehört habe. Zumindest der männliche Teil des Treffens konnte sich beim letzten mal mit Autogeschichten über die gefährlichen Klippen der politischen Lage hinweghelfen. „Erinnerst Du dich noch an den Ford 20 M Deines Vaters, mit dem wir nach Holland in die Ferien gefahren sind?“ „Weißt Du noch wie wir mit Roberts Mercedes 180 Diesel von Frankfurt bis Darmstadt brauchten, um einen Lastwagen zu überholen?“ Was macht eigentlich dieser junge Lehrer, der einen Lloyd 600 fuhr? Diese Fahrzeuge von damals wurden natürlich längst und herzlos abgestoßen, was heute aufrichtig bedauert wird.

Der Satz „hätte ich den doch bloß behalten“, fiel öfter als einmal. Wobei es auch Ausnahmen gibt. Mein Freund Heinrich hatte sich in jugendlichem Überschwang einen NSU-Wankelspider gekauft. Leider lebte er damit deutlich über seine Verhältnisse, weil die Motoren gleich reihenweise den Geist aufgaben. Begegneten sich zwei Wankelspider, was sehr selten vorkam, begrüssten sich die Fahrer mit einem Handzeichen, bei dem die Zahl der gereckten Finger Auskunft daüber gab, wie oft der Motor ausgewechselt wurde. Manchmal mussten sie sogar beide Hände vom Lenkrad nehmen, das war gewissermaßen die Vorstufe zum selbstlenkenden Auto.  Die Tradition wurde dann später von den Besitzern des NSU Ro 80 weitergeführt.

Der Wankelspider war zwar für die damalige Zeit sauschnell, aber eben auch ruckzuck kaputt. Das hatte sich herumgesprochen und niemand wollte ihn Heinrich abkaufen. Also stellte Heinrich das Gefährt in der elterlichen Scheune ab (seine Eltern waren Bauern), um es zu reparieren. Dabei blieb es mangels Geld und Zeit und die Jahre vergingen. Nichts geschah, außer dass Heinrich eine gewisse sprachliche Anpassung vornahm.

Aus der geplanten Reparatur ist inzwischen eine geplante Restauration geworden. Der Rost treibt sein Unwesen und die Mäuse fressen sich durch den Kabelbaum und die Sitze. Mit der Zeit fand noch ein weiterer gestrandeter Wankelspider als Ersatzteillager Asyl. Heinrich gehört zu jenem Typus von Oldtimer-Besitzern, denen es genügt von einer Restaurierung zu träumen, statt sie tatsächlich durchzuführen. Heinrich wird vermutlich nie mit dem NSU-Wankelspider fahren und doch hatte er in seiner Fantasie eine Menge Spaß damit. Hinzu kommt: Irgendjemand muss doch auch die Scheunenfunde von Morgen sicherstellen.

Foto: Tim Maxeiner

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Peter Vollmer / 07.08.2016

Selten einen Artikel mit so großem Vergnügen gelesen! Die Sache mit den Klassentreffen habe ich auch aufgegeben- die eigene jugendliche Erscheinung ging unter den ganzen “alten Säcken” eh unter:-). Und in meiner Garage dämmert ein Fiat X1/9 (Bertone), wartend auf seine Restauration, vor sich hin. Aber bald werde ich “Hand anlegen”, garantiert!

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