Dirk Maxeiner / 05.05.2019 / 06:29 / Foto: Pixabay / 97 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Götterdämmerung im Kindergarten

Samstagmorgens gehe ich immer zu meinem Kiosk, um Lotto zu spielen. Und dabei entdeckte ich gestern die neueste Ausgabe des Spiegel. Auf dem Cover die gewohnte, ein bisschen altbacken gewordene Symbolik eines typischen Spiegel-Titels: Abgebrochene Windräder, herunterhängende Starkstromleitungen und ein vom Blackout verdunkeltes Berlin. Dazu die Schlagzeile: "Murks in Germany". Ergänzt von der Erläuterung: "Energiewende: Wie eine große Idee am deutschen Kleingeist scheitert". Huch, wächst da tatsächlich auch im eher wendefreundlichen Biotop die Einsicht, dass mit unserer sogenannten Energiewende etwas fundamental nicht stimmt? Neugierig geworden, beschloss ich, etwas für den dahinsiechenden Kiosk-Verkauf der Kollegen zu tun und die Spiegel-Ausgabe 19/2019 käuflich zu erwerben (Online ist der Beitrag hinter einer Bezahlschranke).

Und ich muss zugeben: Es hat sich gelohnt. Allerdings aus anderen Gründen, als die insgesamt vier Autoren sich das vielleicht gedacht haben. Der Beitrag ist nämlich mitnichten eine Abrechnung mit einer verfehlten deutschen Energiepolitik, die glaubt, mit Ideologie ließe sich die Physik überlisten. Stattdessen liefert die Titelgeschichte ein erhellendes Psychogramm der gescheiterten Energiewende-Protagonisten inklusive der Verfasser selbst.

Hier wird exemplarisch vorgeführt, wie man ein falsifiziertes Weltbild aufrecht erhält, indem man störende Einwände einfach ausblendet. "Der Umbau des deutschen Energiesystems droht zu scheitern", konzidiert man, nur um dann umso entschiedener zu fordern: "Das Generationenprojekt braucht einen Neuanfang". Darunter versteht man im Einzelnen allerlei Nippes aus der alternativen Grabbelkiste, etwa die Idee, Elektroautos als Speicher zu nutzen, sprich die Wiederbelebung des vor langer Zeit ausgemusterten Nachtspeicherofens.

Eine „große Idee“, eine „fabelhafte Idee“, eine „fantastische Idee“

Derjenige, der Paul Watzlawicks "Anleitung zum Unglücklichsein" gelesen hat, fühlt sich sofort an die „Geschichte mit dem Schlüssel" erinnert. Es geht dabei darum, dass Menschen, anstatt einen gescheiterten Lösungsansatz zu verwerfen, ihre Anstrengungen auf dem falschen Weg verdoppeln und verdreifachen. Die Moritat vom verlorenen Schlüssel oder „mehr desselben“ geht so: Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Polizist hilft ihm bei der Suche. Als der Polizist nach langem Suchen wissen will, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben, antwortet jener: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.“

Und genauso geht es auch dem Spiegel: Dort, wo es für den Traum von der Energiewende richtig finster wird, beispielsweise bei den physikalischen Gesetzmäßigkeiten einer zuverlässigen Energieversorgung, schaut man gar nicht erst nach. Die Überschrift "Grüner Blackout" bekommt dadurch eine ganz andere Bedeutung als intendiert – und trifft dennoch voll zu.

Wie weiland im Sozialismus lässt man auf die Idee als solche nichts kommen. Die Energiewende ist abwechselnd eine "große Idee", eine "fabelhafte Idee", ja eine "fantastische Idee", wahlweise ein "Generationenprojekt", bei dem es schlicht um alles geht: "Wie die Bürger künftig leben und arbeiten werden, wie die Industrie wirtschaftet, wie das Zusammenleben funktionieren soll". Wie immer bei deutschen Großphantasien, so hapert es auch beim "Modell für nachhaltiges Wirtschaften" lediglich an der Umsetzung. Es fehle an politischem Willen und fähigem Management: "Was einmal groß gedacht wurde, verläppert im Klein-klein der deutschen Wirklichkeit". Sprich in spießigen Unterschieden zwischen installierter Leistung und tatsächlich nutzbarer Leistung von Wind und Sonne, in Kategorien wie Grundlastfähigkeit und Netzausregelungsreserve (Siehe hierzu unsere wöchentliche Kolumne "Woher kommt der Strom?").

Nicht das eigene Weltbild kaputt recherchieren

Doch diese blinden Flecken meiden die Wendeidologen wie der Teufel das Weihwasser – oder wie der Besoffene die Autoschlüssel-Suche im Dunkeln. Man könnte ja das eigene Weltbild kaputt recherchieren. Dabei lässt sich das Problem ziemlich einfach benennen: 

1. Die große Leistung von Windrädern und Solarzellen, die in Deutschland mittlerweile installiert ist, hilft gar nichts, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Und das ist naturgemäß immer wieder der Fall. Dann müssen schlicht und einfach konventionelle Kraftwerke oder auch die AKW's einspringen (auch die der Nachbarn) Wirtschaftliche Speichermöglichkeiten für überschüssigen Sonnen- und Windstrom gibt es auf absehbare Zeit in Deutschland nicht. Punkt. 

2. Wer nach den AKW's auch noch die Kohlekraftwerke (und neue Gaskraftwerke will keiner bauen) abschalten will und glaubt, alleine mit sogenannten regenerativen Energien zurande zu kommen, fährt das Land gegen die Wand. Das hat mittlerweile sogar die Bundes-Netzagentur gemerkt, siehe den heute gleichzeitig auf Achgut.com  erscheinenden Beitrag "Die Physik schlägt zurück und Schilda löffelt Licht aus Eimern". Ohne eine Stromversorgung, deren Grundlast zuverlässig gesichert ist, kann kein Industrieland existieren. Wer das glaubt, betreibt die „weltweit dümmste Energiepolitik", wie das Wallstreet-Journal Deutschlands Experiment am lebenden Objekt bezeichnete. Dagegen helfen auch keine Placebos. Die Spiegel-Autoren zählen sie dennoch unverdrossen auf: Von der Gebäudedämmung bis zur Digitalisierung, vom Elektroauto bis zur CO2-Steuer. Als Hit offerieren sie: "Dagegen hilft nur... so intelligent wie möglich zu steuern".

Wenn kein Saft da ist, hilft "so intelligent wie möglich steuern" aber leider gar nicht, ein  Auto ohne Sprit steht, egal wie virtuos Sebastian Vettel am Lenkrad dreht. Sorry Jungs, mit keiner dieser Ideen bringt ihr bei einer Dunkelflaute auch nur ein Fließband (und auch nicht die Druckmaschine des Spiegel) in Gang. "Die Energiewende, Version 2.0, muss neu gedacht werden, viel breiter, universeller" gleiten die Kollegen wie auf einem fliegenden Teppich Richtung Bagdad über das Problem hinweg. 

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Mit "breiter und universeller Denken" fährt noch nicht einmal ein Elektrofahrrad. Aber da kann man ja wenigstens treten. Und das ist auch die Aussicht, die hier eröffnet wird. Deshalb soll die Politik "die Bürger mitnehmen" (auf dem Fahrrad?), denn "ohne einen gewissen Verzicht wird es nicht gehen".

In lupenreiner Populisten-Manier wird „Haltet den Dieb!“ gerufen

Aha, damit nähern wir uns dem Kern des neuen Denkens, das ganz das Alte ist. Es geht den Beteiligten weniger um die Rettung der Welt als die ihrer Weltanschauung. Schließlich sind nur so die in der Vergangenheit intonierten journalistischen Jubelarien zur Energiewende weiterhin förderlich für die Karriere. Es wird noch ein bisschen dauern, bis der Tag kommt, an dem man sie diskret aus der Publikationsliste entfernt, so, als handele es sich um Claas Relotius. “This is the way the world ends. Not with a bang but a whimper," formulierte einmal der Schriftsteller T.S. Elliot. Die Welt endet demnach "nicht mit einem Knall, sondern mit einem Wimmern". Und so ähnlich könnte es auch der Energiewende gehen. Der Abschied von der "fantastischen Idee" wird nicht rhetorisch, aber ziemlich sicher praktisch vollzogen werden. Und es wäre für uns alle besser, wenn kein Blackout die Dinge zusätzlich beschleunigen müsste. 

In dem vorliegenden Spiegel-Psychogramm ist jedenfalls schon deutlich spürbar, wie sich viele sogenannte Experten und Profiteure des ökologisch-industriellen Komplexes langsam vom Acker machen. Wenn es schief geht (und es geht schief), will es keiner gewesen sein. Deshalb wird jetzt schon mal in lupenreiner Populisten-Manier "Haltet den Dieb!" gerufen: Die Politik war's, unfähige Manager oder Fachleute, "die nur Papiere produzieren, aber keine Strategie". Gerne zeigt man auch auf den "roten Milan" oder dummdreiste Naturschützer, die die "Gefährdung der Mopsfledermaus" durch Windräder anführten. Nicht zu vergessen ein hedonistisches und verwöhntes Volk, das nicht bereit ist, für das große Ganze zu sterben – pardon – zu verzichten. 

Dabei hätte alles so schön werden können. Schließlich sei der Begriff der "Energiewende", so schreibt der Spiegel, "in den Wortschatz der Welt eingegangen", so wie "Götterdämmerung" oder "Kindergarten". Aber es hilft alles nix. In Sachen Energiewende ist jetzt Götterdämmerung im Kindergarten.

Von Dirk Maxeiner ist  in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er) Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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Christian Noha / 05.05.2019

Tja, vom Spiegel ist intellektuell nix mehr übrig. Nach Augstein und Aust kam das grosse Säubern durch die Mitarbeiter-KG. Die Verkaufszahlen geben ein beredtes Zeugnis davon, das Kampfblatt der Merkel-Kanzlerschaft bemerkt gar nicht mehr, wie unkritisch es gegenüber der Regierung wurde. Statt grundsätzlich zu hinterfragen, betreibt man Aufrufe zu mehr Opferbereitschaft in der Wählerschaft, ob bei Asyl oder der Energiewende, um Merkel zu unterstützen. So sieht heute der Speichellecker-Journalismus aus Blankenese aus, der sich scheinbar nur noch an verbeamtete Besserverdienende ohne marktwirtschaftliche Kenntnisse richtet. Der Rest ist natürlich „Nazi“, wie die aggressiven Titelgeschichten im Stürmerstil über Sachsen nach der Ermordung in Chemnitz zeigten. Mutti hat es sicher mit Freuden vernommen, wie statt auf ihre Politik, diffamierend auf ihre Gegner eingedroschen wurde. Freue mich schon auf 150.000er Marke im Freiverkauf.

Joachim Lucas / 05.05.2019

Was haben sie vom Lügen-Spiegel anderes erwartet? Der Vergleich Energiewende- Sozialismus ist frappant. Die grünen Sozialisten müssten erst mal zugeben, dass sie sich geirrt haben. Das werden sie nie. Lieber finden sie Schuldige (Verräter an der guten Sache). Aber das ist die Physik. Die kann man leider nicht aufhängen. Da der Mangel ganz sicher eintreten wird, erklären sie den zum unabdingbaren Opfer, den man für die gute Sache bringen muss. Das aber interessiert die Industrie nicht. Deswegen muß man Zwangsmaßnahmen gegen die einleiten, um sie zum Bleiben zu nötigen. Oder der Bevölkerung wird der Strom zugeteilt (wie in besten Nachkriegszeiten). Die ist unzufrieden, also wird sie mit weiteren Zwangsmaßnahmen beglückt, usw. Alles wie im guten alten Sozialismus eben.

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