Dirk Maxeiner / 29.03.2020 / 06:12 / Foto: Syed Abdul Khaliq / 71 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: GEZ-Fasten – jetzt krisenbedingt

Sonntagsausflüge sind derzeit verboten, ich vermute dahinter eine perfide Strategie, diese Kolumne auszutrocknen. Als Fortbewegungsmittel bin ich einstweilen auf meinen Hometrainer im Keller angewiesen, ich trete prinzipiell gerne auf der Stelle. Wer lieber im Kreis fährt, dem empfehle ich die Brummbrumm-Simulation „Formel 1“ auf Playstation 4, soviel rasenden Stillstand gibt’s sonst nur im Kanzleramt.

Ansonsten hoffe ich auf den ersten Ausgang irgendwann im April, in meinem Alter wird das vermutlich nur noch mit einer Fußfessel gestattet sein, zwecks Bestimmung meines Aufenthaltsortes, damit ich den Broder nicht heimlich im Görli treffe und wir dort die Weltverschwörung planen. Der Broder kriegt übrigens gleich zwei Fußfesseln, für jeden Fuß eine, sicher ist sicher. Möglicherweise führt mich aber auch ein Praktikant von Correctiv Gassi, damit ich niemanden mit unerwünschten Gedanken infiziere. Aber das ist immerhin noch besser, als mit der MS-Artania vor Australien dahinzudümpeln, was mir auch ohne Corona eine traumatische Vorstellung bereitet. 

Im Übrigen soll eine gepflegte Isolation, ersatzweise 50 Jahre Kommunismus, der Kreativität durchaus auf die Sprünge helfen. Meinte sinngemäß Stanislav Lem, der berühmte polnische Science Fiction-Autor. Lem lebte in einem grauen Haus in der Krakauer Vorortsiedlung Kliny. Abgeschottet und ohne Zugang zu westlichen Medien, sah er Dinge wie die Nano- und Gentechnologie, das Internet oder auch den bargeldlosen Zahlungsverkehr voraus. Nebst damit verbundenen Pleiten: „Unerhört schnelle Systeme begehen unerhört schnell Fehler“. Lem beklagte die modernen „Informationsnomaden“, die nur „zusammenhangslos von Stimulus zu Stimulus hüpfen“. Die allgemeine Steigerung der technischen Leistung gehe „paradoxerweise mit einem Verfall der Fantasie und Intelligenz der Menschen einher.“ Trotzdem bewahrte er seinen Humor: „Die Tragik des 20. Jahrhunderts liegt darin, dass es nicht möglich war, die Theorien von Karl Marx zuerst an Mäusen auszuprobieren“. 

Wohnungen und Geschäftsräume faktisch konfisziert

Das gleiche gilt aktuell für die gegenwärtigen Ausgehverbote und das neue „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“, dem größten sozialistischen Freilandversuch seit dem Fall der Mauer. Nach den Inhabern von Lebensversicherungen und Sparguthaben werden damit jetzt – wie schon lange zu erwarten war – die Häuslebauer rasiert. Wer seine Altersversorgung auf den Miet-Einnahmen aus einer Eigentumswohnung oder einem Häuschen aufgebaut hat, schaut jetzt in die tiefste Röhre seit dem Bau der Berliner U-Bahn. Mieter, die krisenbedingt in finanzielle Schwierigkeiten kommen, müssen keine Miete mehr bezahlen – und das ohne großen Nachweis. Gekündigt werden kann das Mietverhältnis auch nicht. Unser Staat hat solcherart Wohnungen und Geschäftsräume faktisch konfisziert. Er entzieht Gewerbetreibenden und Freiberuflern durch seine Maßnahmen die Existenzgrundlage und wälzt die finanziellen Folgen auf die Vermieter ab. Mit zu den ersten, die die Zahlungen eingestellt haben, waren übrigens große Konzerne wie Adidas und C&A.

Das Ganze entwickelt sich jetzt wie im wilden Westen: Wer zuerst schießt, hat gewonnen – und zwar solange, bis alle tot sind. Denn Verträge „mit Dauerschuldverhältnissen“ und auch Verbraucherdarlehensverträge gelten ab sofort nicht mehr: Der gelackmeierte Vermieter setzt coronakrisenbedingt die Ratenzahlungen an die Bank aus, aber beispielsweise auch die für sein Auto. Der Autohändler zahlt seine Rechnungen auch nicht mehr, kein Strom, kein Wasser, keine Miete, kein Telefon und so weiter und so fort – bis – wie gesagt – alle pleite sind. Ganz am Schluss macht dann der Staat die Grätsche, weil keiner mehr Steuern zahlt.

Wer glaubt, dass dem Alltag im Angesicht dieser begnadeten politischen Entscheidungen die Komik ausgeht, der irrt zum Glück. Einen erstklassigen Sinn für Ironie bewies gestern beispielsweise „bild.de“. Unter der Rubrik "Miete & Co" wird auf bild.de ein Beitrag angekündigt mit dem Titel "Was Sie jetzt nicht zahlen müssen – und was später". Gleichzeitig wird dem Leser verraten, was er sofort bezahlen muss: Den Bild-Artikel. Er steht hinter der Bezahlschranke. 

Das veranschaulicht sehr schön, was in den nächsten Wochen passieren wird: Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, wird noch eine Leistung ohne Vorauskasse erbringen. Doch wer wird sich trauen, voraus zu bezahlen, wenn der Lieferant oder Handwerker sich zwischendrin unter Hinweis auf die Coronagesetze verabschieden kann? Statt „Formel 1“ auf Playstation 4  spielen wir nun alle gemeinsam „Wie man ein Land schnellstmöglich gegen die Wand fährt“, bedauerlicherweise nicht als Simulation und ohne Fangzäune.

Stichwort „Grundversorgung“ 

Und jetzt kommen wir zum kreativen Teil der Veranstaltung. Im Gesetz (Drucksache 19/18110) werden Regelungen eingeführt, welche Schuldnern, die wegen der COVID-19-Pandemie ihre vertraglichen Pflichten nicht erfüllen können, „die Möglichkeit einräumen, die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden“. Und weiter wird erklärt: „Damit wird für Verbraucher und Kleinstunternehmen gewährleistet, dass sie insbesondere von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, soweit zivilrechtlich geregelt auch Wasser) nicht abgeschnitten werden, weil sie ihren Zahlungspflichten krisenbedingt nicht nachkommen können“. 

Grundversorgung, Grundversorgung...? – Da war doch was. Deshalb gehen wir zur Abwechslung mal auf die Seite der ARD mit dem Stichwort „Grundversorgung“. Dort heißt es erläuternd: „1986 vom Bundesverfassungsgericht in seinem ‚Niedersachsenurteil‘ geprägter und in den folgenden Entscheidungen des höchsten deutschen Gerichts weiter erläuterter Begriff zur Beschreibung der Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Grundversorgung umfasst die essentiellen Funktionen des Rundfunks für die demokratische Ordnung ebenso wie für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik.“

Wer seinen Zahlungspflichten krisenbedingt nicht nachkommen kann, muss die zwangsweise Grundversorgung durch Claus Kleber und Caren Miosga zwar weiterhin ertragen. Andererseits – siehe oben – muss den Betroffenen coronabedingt die Möglichkeit eingeräumt werden, „die Leistung einstweilen zu verweigern oder einzustellen, ohne dass hieran für sie nachteilige rechtliche Folgen geknüpft werden“. Alle weiteren Schlüsse überlasse ich dem geschätzten Leser und ende mit einem Zitat des Romanciers John Steinbeck: „Das ist das große Rätsel des menschlichen Geistes: Der induktive Sprung. Alles fügt sich ineinander, Belanglosigkeiten rücken in einen Zusammenhang, aus Dissonanz wird Harmonie, und was vorher Unsinn erschien, wird von Sinn überwölbt“. 

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Steffen Rascher / 29.03.2020

Ich hab hier noch eine GEZ Rechnung liegen. Einzugsermächtigung gibt es bei mir schon seit 10 Jahren nicht mehr. Ich schreib mal ne Mail an die lieben Nutzlosen, mal hören wie die schreien.

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