Dirk Maxeiner / 13.01.2019 / 06:25 / Foto: Library of Congress / 74 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Geliebte Katastrophen

Vorgestern sprach meine Mutter aus der Eifel auf meinen Anrufbeantworter und bat um dringenden Rückruf. Ich dachte schon, es sei etwas passiert. Dabei hatte sie nur die Tagesschau und den anschließenden Brennpunkt angeschaut. Schneechaos in Bayern! Ich schaue keine Aktuelle Kamera von ARD oder ZDF mehr an, deshalb war ich nicht vorgewarnt. Ich wusste also nicht, dass ich mich mitten in einer Notstandssituation befand. Darauf machte mich erst meine Mutter aufmerksam. Ihre erste Frage: „Hast Du genügend Vorräte im Haus?“ 

Es ist gar nicht so leicht, die Tagesschau gegenüber einer treuen Zuschauerin zu dementieren. Schließlich hatte sie selbst gesehen, wie ein bis zu den Oberschenkeln im Schnee stehender Reporter einen dramatischen Aufsager aus Bad Tölz absetzte. Die Aufnahme hätten sie auch in Augsburg in meiner Garageneinfahrt machen können, die hatte ich allerdings schon freigeschippt. „Mutter es ist Winter“, sagte ich beruhigend, „und im Winter schneit es schon mal“. 

Um das Ganze anschaulich zu machen, beschloss ich, an ihr Langzeit-Gedächtnis zu appelieren: „Das ist hier nicht wie bei eurer Flucht  im eisigen Winter 1944.“ Um dann noch hinzuzufügen: „Hier fährt die Straßenbahn, und zwar pünktlich im 5-Minuten Takt“. Was ich nicht sagte, aber dachte: Ganz im Gegensatz zur Berliner S-Bahn, die steht auch ohne Schnee ständig still. 

Zum in den Landkreisen Bad-Tölz und Miesbach ausgerufenen Notstand, sagt der Miesbacher Landrat (ein Grüner): „Der Katastrophenfall wird festgestellt, wenn wir einen erhöhten Koordinierungsbedarf sehen. Sehr viele Einsatzkräfte stehen gerade unter Dauerbelastung. Mit dem K-Fall ist es leichter, wieder normale Verhältnisse herzustellen“. Und auf die Frage, ob er sich daran erinnern kann, dass in Miesbach schon mal wegen Schnee so lange die Schule ausgefallen ist, antwortet er: „Nein. Ich durfte das als Kind leider nie erleben. Wir hatten vielleicht mal hitzefrei. Aber die Schule ist wegen Schnee nie ausgefallen – obwohl wir auch früher schon starke Winter gehabt haben“.  

Im Schulunterricht erfolgreich zu Klimaangsthasen dressiert

Es ist immer wieder erstaunlich, was in Deutschland zur Katastrophe hochgejazzt wird – und was nicht. Der jüngeren Generation, die im Schulunterricht erfolgreich zu Klimaangsthasen dressiert wurde (je höher der Schulabschluss, desto nachhaltiger die grüne Verblödung), kann man sogar weismachen, das so ein paar kalte, schneereiche Tage irgendwas mit der globalen Erwärmung zu tun haben. 

Gibt es keinen richtigen Winter, wie vielfach prophezeit, ist das ein Beweis für die globale Erwärmung. Gibt es einen richtigen Winter, ist auch das ein Beweis für die globale Erwärmung („Extremwetterereignisse nehmen zu“), jedenfalls für die üblichen Verdächtigen vom Potsdamer Telegrafenberg. So etwas nennt man eine sich selbst immunisierende Argumentation. Egal was passiert, man hat immer recht. Die These von der menschengemachten Klimakatastrophe kann mit keiner möglichen Tatsache mehr kollidieren. Ist das nicht genial? 

Laut Wikipedia versteht man unter Immunisierungsstrategie „alle Versuche, Theorien, religiöse oder säkulare Anschauungen durch Dogmatisierung gegen unvoreingenommene, kritische Überprüfung, gegen rationale Einwände abzuschirmen (zu immunisieren), unwiderlegbar zu machen, indem man sie zum Beispiel zu absoluten und unumstößlichen Wahrheiten erklärt“. Und das gilt nicht nur fürs Klima. In vielen Medien und auf der Regierungsbank muss es eine Schluckimpfung geben, die gegen rationale Einwände immunisiert. Aufgrund des unschönen Eindringens der Wirklichkeit wird in Deutschland daher immer mehr offenkundiger Blödsinn zur unumstößlichen Wahrheit erklärt. Nur so lässt sich der Glauben an das allein Seligmachende noch für einige Zeit retten. 

Und bei dieser Übung gibt es nun mal Katastrophen die medial willkommen sind, weil sie unumstößliche Wahrheiten bestätigen, und solche, die es nicht sind, weil sie unumstößliche Wahrheiten demaskieren. Ich denke da beispielsweise an die Silvester-Katastrophe 2015/2016 auf der Kölner-Domplatte, die medial gar nicht willkommen war. 

Die Schweinegrippe verpasst

Aber zurück zum Anruf meiner Mutter. Er erinnerte mich an 2009. Da habe ich zwei Wochen auf den Hochebenen der chilenischen Atacama-Wüste verbracht. Das hat mir jetzt Cem Özdemir nachgemacht. Mit einem Unterschied: Während ich dort oben mit einem Geländewagen das Weltklima gefährdete, machte Öszdemir das wieder wett, indem er auf einem mit Biomöhren genährten Pferd durch die Wüste ritt und die bösen Klimageister beruhigte. Die Reise nach Südamerika hat er auf dem Buckel eines Wales absolviert, da muss ich Archi Bechlenberg in seinem heutigen Antidepressivum korrigieren. Aber das nur am Rande. 

Genau wie ich hier und heute beinahe die Schnee-Katastrophe um mich herum nicht bemerkt hätte, habe ich damals doch glatt die Schweinegrippe verpasst. Dafür war man zu Hause um so besorgter: Liegt die Atacama nicht in Südamerika, also irgendwie bei Mexiko (wo die Schweinegrippe ausgebrochen war)? Zum Glück funktionierte das Handy nicht. Der Aufenthalt in einer garantiert medienfreien Zone kann mitunter äußerst gesund sein, weil aus aufgeblasenen Katatstrophen bereits die Luft gewichen ist, bevor man das Telefon wieder abnehmen kann. 

Anhand der Erzählungen und des nachträglichen Studiums der Tageszeitungen konnte ich den Hergang der Schweingerippe aber nach meiner Rückkehr rekonstruieren: Zunächst erste Fälle in Mexiko, dann überall diese Atemschutz-Masken. Sieht aus wie Giftgas-Alarm, so etwas lieben Fotografen und Kameramänner. Die Masken werden knapp. Von Tag zu Tag fettere Schlagzeilen: Weltweite Pandemie! Hunderte von Toten! Notstand in Mexiko! Erste Erkrankungen in Deutschland! Ausnahmezustand in USA!

Sogar Präsident Obama muss Stellung nehmen. Dann erste, vorsichtige Rückzieher. Schließlich die Fakten – nicht mehr in Riesenlettern, sondern in deutlich reduzierter Schriftgröße. Die Weltgesundheitsorganisation zählte insgesamt 65 Tote. Zum Vergleich: Die saisonale „normale“ Grippe kostet weltweit jährlich etwa 200.000 Tote. Mit etwas Abstand betrachtet, wirkt das Geschehen dann wie eine gewaltige Dampfmaschine, die irgendwann leise pfeifend ausläuft. Bis die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird. Ich nenne das mal den Schweinezyklus. 

Angehöriger der Vor-Schneeflocke-Generation

Der Anruf meiner Mutter hat übrigens nicht nur ihr Langzeitgedächtnis aktiviert, sondern auch meines. Ich frage mich als Angehöriger der Vor-Schneeflocke-Generation jedenfalls, wie wir so manchen Winter in der Eifel überleben konnten. Oder genauer gesagt: Vereiste und abschüssige Forstwege, die zu waghalsigen Schlitten-Rennen genutzt wurden, auf dem Bauch liegend, den Kopf voran und ohne Helm. Das Ganze auch gerne in der Dunkelheit mit einer vorne am Schlitten festgeschraubten Taschenlampe. Das war Pflicht für alle, die dazugehören wollten. Die Kür für Leistungsträger bestand übrigens darin, das gleiche mit dem Fahrrad zu probieren. 

Ab dem 16. Lebensjahr verfügten wir außerdem über einen schrottreifen aber fahrbereiten NSU Prinz 4. Ein sehr ähnliches Modell gab es auch in der DDR, den Saporoshez 966, genannt die „Taiga-Trommel“. Der asthmatische Kleinwagen gehörte meinem Freund Peter, der in einem einsamen Landhaus direkt am Wald wohnte. Eine Batterie von sechs Zusatzscheinwerfern, die wir auf dem Schrott besorgt hatten, sowie das Fehlen von Bremsbelägen machte dieses Fahrzeug in unseren Augen zu einem Favoriten für die Rallye Monte Carlo. Wenn es ordentlich geschneit hatte und die Luft rein war, bretterten wir damit des Nachts durch den lokalen Forst, erschreckten die reichlich vorhandenen Füchse und Hasen und landeten regelmäßig in irgendeinem Graben. Das war immer eine Riesen-Gaudi, zumal wir meist vorgeglüht hatten.

Bis zu jenem schicksalhaften Tag, an dem der kleine NSU nicht anspringen wollte. Unser Blick fiel auf den Dienstwagen von Peters Vater, einen nobel-schwarzen Volkswagen 1600. Der hatte weniger Lichter aber mehr Power, was zu einem abrupten Ende unseres Ausfluges führte. Wir rutschten einen Hang hinab und wurden von dicken Bäumen aufgehalten, bevor wir in einen Bach stürzen konnten. Papas Dienstwagen musste mit Hilfe eines Kranwagens evakuiert werden. Danach fuhren wir kein Schlitten mehr, sondern es wurde mit uns Schlitten gefahren. Sehr traditionell. Ich erinnere mich heute noch ungern. 

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Werner Pfetzing / 13.01.2019

Etwas enttäuschend finde ich schon, wenn Sie, Herr Maxeiner, die extremen Witterungsverhältnisse in Teilen Österreichs und Bayerns zu einem normalen und eher irrelevanten Winter-Ereignis herunterdimmen. Ist doch der extreme Winter in diesem Landstrich doch der Beweis dafür, wie hanebüchen die von den Grünen herbeiphantastierte Klimaerwärmung ist. Ich werte Ihre Polemik als eine Breitseite gegen die Meinungshoheit der etablierten (und verhassten)  MSM.  Schade drum.  Sie haben das Thema verschenkt.

Andreas Mertens / 13.01.2019

Sehr gut. Solche Texte erwärmen mir das Herz mehr als jeder mit Holz befeuerte Kachelofen. Obwohl solcher auch gut für Herz ist .. treibt es doch die radikalen Bio-Öko-Nachbarn erst ins Feinstaub-Delir, dann in den Umweltzonen-Seppuku.

Albert Sommer / 13.01.2019

Die aktuell “Schneekatastrophe” ist quasi eine sich selbst erfüllende Prophezeihung. Bereits die letzten Wochen vor Weihnachten erschienen doch schon zahlreiche Berichte über die “Schneekatastrophe” von 1977/ 1978. “Ihr ward gewarnt” :-)

Chr. Kühn / 13.01.2019

Nachtrag: Hier im Ostallgaeu regnet es momentan. Riesenmatsche, der in den letzten Tagen gefallene Schnee ist nun schwer wie Sau. Wuerde sagen, dass ich in den letzten 15 Jahren nicht mehr so viel hier liegen habe sehen. Die Raeumerei macht auch net so richtig Spass…aber es kollabiert nichts. Weder unsere alten Fichtenbalken im Dach, noch das oeffentliche Leben. Es ist Winter, der Krieg ist vorbei (wie mein Opa sagen wuerde), die Speisekammer voll, was soll also das Gezetere?

Angela Seegers / 13.01.2019

Lobenswert, Herr Maxeiner, dass Sie Ihre Mutter zurück rufen. Auch wenn ich keine Kriegserfahrungen habe so doch Kindheitserinnerungen an Schnee. Das war toll. Und diese leicht hysterische Berichterstattung sehe ich auch skeptisch. Warnungen hingegen sollten dringlich ausgesprochen werden, sich an Anweisungen zu halten. Die Alpenbewohner wissen, was Winter ist, die Winterunerfahrenen kommen maximal einmal im Jahr zum Skifahren vorbei und lassen Geld da. Fertig. Und die ganz Abwegigen fahren trotz Warnung auf Abwegen und lösen Lawinen aus /wie gerade drei Deutsche - tot geborgen - verlauten lassen.

Ilse Polifka / 13.01.2019

Genau so ist es. Aus meiner näheren Umgebung kann ich übrigens von einem nahezu identischen Telefonat berichten. Da ich aber Kontakt zu Betroffenen dieser Katastophe habe, konnte ich beruhigen. Ja allein dadurch daß man die Schulen schließt und die marode Privatbahn den Betrieb einstellt, wird halt noch keine Katastrophe. Wie hat J. Kachelmann geschrieben: Wir haben Winterwetter, keinen Notstand.

Gabriele Schulze / 13.01.2019

Und ich bin schon verwöhnt aufgewachsen in den Fünfzigern - jedenfalls im Vergleich zu meinem Vater, der in den Zwanzigern, in kratzige Wollstrümpfe und -Pullover gehüllt, etliche Kilometer durch Kälte und Schnee zur Schule stapfen mußte!

Mathias Bieler / 13.01.2019

Wenn es in Deutschland im Sommer flächendeckend nachts nicht von 1-5 Uhr regnet,tagsüber nicht Sonne und Wolken im Wechsel bei 24° C herrschen und wenn es im Winter mehr als 5 cm pro Woche schneit und das Thermometer mehr als - 10°C anzeigt, dann ist hier Katastrophenalarm. Im Übrigen muss es in ein paar Monaten bei den “riesigen Schneemassen” zu Überschwemmungen biblischen Ausmasses kommen. Wenn nicht,dann war es wohl ein ganz normaler Winter.

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