Beifahrer haben es nicht leicht. Besonders wenn Sie neben Frank-Walter Steinmeier sitzen, der es auf einen Crashtest mit Elon Musk anlegt. Ein Ausflug mit Deutschlands oberstem Warnblinker.
Viele Millionen deutsche Beifahrer altern in Rekordzeit – hilflos den Ein- und Ausfällen ihres jeweiligen Fahrzeugführers ausgesetzt. Ein deutsches Auto ist statistisch mit 1,46 Personen besetzt, der Beifahrer ist also höchstens ein halber Mensch – und so wird er auch behandelt. Dabei geht es Beifahrern, die ansonsten selbst ein Auto steuern, noch schlechter als weniger vorbelasteten Mitfahrern: Fährt die Fahrerin oder der Fahrer nicht den Vorstellungen des Beifahrers entsprechend, haben viele Beifahrer ständig einen Fuß auf dem imaginären Bremspedal. Es gibt aber auch Fälle, da ist es umgekehrt: Der Beifahrer hat ständig den Fuß auf dem Gaspedal. Bei Frank-Walter Steinmeier empfiehlt sich hingegen eine Augenbinde, damit man dem Grauen nicht ständig ins Auge schaut.
Meine Erfahrungen als Beifahrer sind durchaus umfangreich. Beispielsweise mit einer bestimmten Sorte von Taxifahrern. Deren Verhalten lässt sich auf die Formel bringen: Je kürzer und unlukrativer die Fahrstrecke, desto größer das Aggressionspotenzial. Am Beifahrer können sie es nicht austoben, der ist ja „Fahrgast“. Deshalb werden die anderen Verkehrsteilnehmer umso gnadenloser drangsaliert. Ein freundlicher Dialog mit diesen Herrschaften ist denn auch so fruchtbar wie der mit einem Taliban. Als ich den Letzten dieser Art für seine entstpannte Fahrweise lobte, hätte er mich beinahe rausgeschmissen.
Auf der anderen Seite möchte ich ein bleibendes Erlebniss kurz schildern, ein bisschen Namedropping darf zum Jahresende sein. Ich verdanke es Rauno Aaltonen, auch "Rallye-Professor" genannt, für den ich in unschuldiger Jugendzeit als Ghostwriter Brumm-Brumm-Bücher verfasste. Der Finne lehrte mit dem kleinen Mini-Cooper die Großen das Fürchten und gewann unter anderem die Rallye Monte Carlo.
Mein Initationsritual fand irgendwo in Dunkelfinnland statt, dessen Bodenrelief von zahlreichen Kuppen und Mulden gekennzeichnet wird. Der winterliche Ausflug erinnerte an das große Looping der Achterbahn auf dem Oktoberfest, wobei ich oft nicht wusste, ob Aaltonen fliegt, sich auf Rädern fortbewegt oder mit der Türklinke Schlitten fährt.
Nachdem sich mein Puls allmählich beruhigt hatte, wurde mir allerdings klar: Bei dem bist du so sicher aufgehoben wie in Abrahams Schoß. Nach einiger Zeit war ich so abgehärtet, dass ich vor Fahrtantritt bedenkenlos eine Mustamakkara zu mir nehmen konnte, eine finnische Blutwurst aus Schweinefleisch, Schweineblut, Roggengrütze, Mehl und Zwiebeln, die traditionell mit kalter Milch und Preiselbeermarmelade gegessen wird.
Wir können nicht aussteigen, höchstens auswandern
Und damit sind wir bei Frank-Walter Steinmeier. Wir sind ja zwangsläufig alle Beifahrer in der Bundespräsidialfuhre – können aber bedauernswerterweise nicht aussteigen, höchstens auswandern. Der Mann ist bis 18. März 2027 gewählt. Und dies, obwohl er seit Beginn seiner politischen Karriere ziemlich zuverlässig auf der falschen Spur, respektive der Gegenfahrbahn unterwegs ist.
Eine seiner Spezialitäten ist, irres Zeug zu reden, dies aber im Gestus der höheren Einsicht und der mahnenden Besonnenheit. 2008 trat er in Berlin, damals noch Außenminister, vor die Presse und erklärte, ein von den Taliban entführter deutscher Bauingenieur sei zwar “in der Geiselhaft verstorben”, dennoch deute “nichts darauf hin, dass er ermordet wurde, alles weist darauf hin, dass er den Strapazen erlegen ist, die ihm seine Entführer auferlegt haben”.
Er hat’s aber auch gern historisch, so wie beispielsweise im Sommer 2015, da gab er als deutscher Außenminister die ebenso selbstergriffene wie falsche Prognose ab:
"Man muss kein Pathos bemühen, um die Wiener Vereinbarung über das iranische Atomprogramm historisch zu nennen. Es ist gelungen, eine politische Lösung für einen brandgefährlichen Konflikt zu finden, der die Welt bereits mehrfach an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht hatte und – mehr noch – in Zukunft zu bringen drohte. Die Vereinbarung bringt ein Mehr an Sicherheit für die Region und schließt einen Griff Teherans nach der Atombombe langfristig und nachprüfbar aus".
Das sah dann ein Herr aus New York namens Donald Trump mit – wie wir inzwischen wissen – guten Gründen vollkommmen anders. Nun gut, es ist schon lange her, aber Steinmeier verpasste seitdem konsequent jede rettende Ausfahrt und kuschelte weiter mit den Mullahs, denen er als Präsident 2019 zu 40 Jahren Mord und Totschlag aufrichtig gratulierte, "auch im Namen meiner Landsleute". Manchmal muss man sich als Beifahrer halt für den Mann am Steuer fremdschämen.
Psychologen empfehlen Beifahrern vor allem Gelassenheit. Sie raten, möglichst wenig Kritik zu äußern oder Angst zu zeigen: Derartige Reaktionen würden nur den Fahrer belasten. Für den Fahrstil, für die Atmosphäre im Auto, ja sogar für die Sicherheit unterwegs sei der Mitfahrer oft entscheidend, und es sei durchaus wünschenswert, das sichere, konfliktfreie und angenehme Miteinander im Auto zu üben. So sei es hilfreich, die Fahrweise der Person am Steuer zu loben. Diese Aufgabe übernehmen in Deutschland in vorderster Reihe die öffentlich-rechtlichen Medien. Steinmeier zu loben, ist eine echte Herausforderung, denn auch in der Coronazeit war der Bundes-Warnblinker ganz vorne auf dem falschen Trip, als er dekretierte:
"Der Spaziergang hat seine Unschuld verloren. Jedenfalls gilt das für die letzten Monate. Hygieneregeln und Coronaauflagen werden bewusst umgangen, Arztpraxen und Impfbusse auf Marktplätzen attackiert, die Wohnhäuser von Politikern – insbesondere Kommunalpolitikern – belagert, Polizeikräfte gezielt verletzt. Fackelträger und Morddrohungen machen Schlagzeilen."
Gaspedal und Bremse verwechselt
Dass er sich in der falschen Spurwahl treu geblieben ist, stellte er zuletzt am vergangenen Freitag bei der Auflösung des Bundestages unter Beweis. Steinmeier verwechselte jedenfalls Gaspedal und Bremse und sprach: "Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie". Diese Gefahr sei verdeckt wie mutmaßlich in Rumänien „oder offen und unverhohlen, wie es derzeit besonders intensiv auf der Plattform X betrieben wird“. Dabei schaute er drein wie weiland Graf Dracula, wenn er in den Karpaten aus seiner Truhe steigt.
Sollten die deutschen Wähler Steinmeier also massenweise auf der falschen Fahrbahn entgegenkommen, könnte er sie ehrenhalber zu Rumänen befördern. In Bukarest wurde ja gerade geübt, eine Wahl rückgängig zu machen. Nieder mit den Dacisten, keinen Zoll für Geisterfahrer! In Rumänien spricht man laut Tagesschau von einem "aggressiven russischen hybriden Angriff", in seiner Rede zur Auflösung des Bundestages erweiterte Frank-Walter Steinmeier die Lage um einen agressiven amerikanischen hybriden Angriff. Es dürfte sich ja sogar bis ins Schloss Bellevue herumgesprochen haben, dass Elon Musk nicht nur der Betreiber von "X", sondern auch Donald Trumps Best Buddy ist. Steinmeier eröffnet hier gewissermaßen einen Stellvertreterkrieg. Er hat zwar keine Truppen für so was, aber immerhin die Gruppe Feine Sahne Fischfilet, für die er 2018 warb: „Unsere Herzen brennen / und der Hass, der steigt.“
Der Genosse Bundespräsident markiert gewissermaßen die kommende Ost- und Westfront und hält mit zusammengekniffenen Augen und festem Griff ums Lenkrad eisern Kurs. Alle kommen uns entgegen, was die Lage der Beifahrer doch ein wenig verzweifelt macht. Als gleichrangiges Vorbild für den Bundespräsidenten fällt mir da eigentlich nur ein bekannter kommunistischer Führer namens Enver Hoxha ein. Der albanische Staats- und Parteichef schottete sein Land nicht nur nach Westen ab, sondern erklärte nach und nach auch alle kommunistischen Bruderländer zu Feinden und Abweichlern, erst die jugoslawischen Nachbarn, dann die Russen und später die Chinesen. Er allein wähnte sich auf dem richtigen Kurs, bis er in den Friedhof der Kriegshelden in Tirana abbog.
Ein gewisser Hang zur Amnesie
Das Profil eines multiplen Geisterfahrers an der Spitze Deutschlands wird obendrein um einen gewissen Hang zur Amnesie erweitert, denn der Mann fährt ständig Verkehrsschilder um, die er selbst aufgestellt hat. Wenn unser erster Chauffeur sagt "Einflussnahme von außen ist eine Gefahr für die Demokratie", dann sei er daran erinnert, dass er Donald Trump als deutscher Außenminister 2016 als "Hassprediger" stigmatisierte – rechtzeitig zur damaligen Präsidentenwahl in USA. Steinmeier hat das offenbar vergessen, Trump garantiert nicht.
Elon Musk dürfte sich auch erinnern. Und zwar daran, wie Steinmeier ihm in seiner Rede zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit in Potsdam am 3. Oktober 2020 einen langen roten Teppich ausrollte:
"Hier in Brandenburg, in Grünheide vor den Toren Berlins, wird gerade Tesla City gebaut, eine Fabrik für die Mobilität der Zukunft. Drumherum nistet sich eine kreative Schar von Start ups und Innovationswerkstätten ein".
Und jetzt: Was erlauben Musk? Die kreative Schar neigt offenbar zum Selberdenken, so haben wir nicht gewettet. Kreativ ja, aber selber denken geht dann doch zu weit. Und dann noch ein Ausländer, mit Migrationshintergrund. Das erste Mal fiel Musk unangenehm auf, als er darauf hinwies, dass derjenige, der zu Elektroautos ja sagt, zur Atomenergie nicht nein sagen kann. Außer der Bundesregierung natürlich, die kann beides. Inzwischen ist Musk einen Schritt weiter und bezeichnet Mitglieder der Bundesregierung, den Kanzler eingeschlossen, schon mal als "inkompetente Narren", eine Einschätzung, mit der er auf diesem Planeten nicht ganz alleine sein dürfte, jedenfalls nicht so einsam wie Steinmeier auf der Transformationsautobahn.
Die herrschenden Kreise verfolgen es mit einer nervösen Ohnmacht: Nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch die Opposition findet zunehmend im Ausland statt. Einflussnahme von außen kann auch eine Chance für die Demokratie sein.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.