Dirk Maxeiner / 03.11.2019 / 06:15 / Foto: Pixabay / 50 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Fusionitis

Periodisch auftretende Zustände von Paarungsbereitschaft nennen die Biologen „Brunst". Der Hase beispielsweise wird regelmäßig im März davon ergriffen. Ein klug gewählter Termin: Die Kinderschar kommt auf die Welt, wenn die Kräuter saftig, das Wetter mild und die Überlebenschancen gut sind. Die Hasengesellschaft rammelt (so der offizielle Fachbegriff) deshalb stets voller Torschlusspanik. Eine heftige Keilerei gehört dabei häufig zum Vorspiel. Aus zuverlässiger Quelle wird berichtet, dass einzelne Missetäter im Übereifer sogar dem Teckel des Jägers an die Wäsche gehen.

In der Autoindustrie wird solch periodisch auftretende Paarungsbereitschaft als „Fusionsfieber" oder auch „Fusionitis" beschrieben. Auch sie ist von Torschlusspanik gekennzeichnet und macht vor niemandem halt. Zwei Kranke hoffen dabei mitunter als ein Gesunder aufzuerstehen, insofern könnte ich mir vorstellen, dass auch die ein oder andere politische Partei in diesem Lande von der Fusionitis befallen wird, dazu aber später.

Die Alpha-Tierchen der Automobilwelt jedenfalls schlagen und vertragen sich wie die Hasen im März. Und im Eifer des Gefechts bespringt auch schon mal einer den Teckel des Jägers. So saß der kürzlich verstorbene Ex-VW-Boss Ferdinand Piech vor rund 20 Jahren einem verhängnisvollen Irrtum auf, als er glaubte, bei Rolls-Royce gelandet zu sein.

Das kam so: Piech erwarb den britischen Hoflieferanten samt Inventar. Die Vorkaufsrechte am Namen Rolls-Royce aber hatte sich BMW still und leise durch eine Kooperation mit dem gleichnamigen Triebwerks-Hersteller gesichert. Die von VW erworbene alte Rolls-Royce-Fabrik in Crewe war zu diesem Zeitpunkt ungefähr soviel wert wie der Palast der Republik ohne Erich Honecker. Für 1,4 Milliarden Mark fusionierte Piech mit einer romantischen Ruine, technisch vergleichbar der Burg Elz. Die VW-Leute konnten sich nun damit trösten, dass ihnen immerhin die Rechte am Namen Bentley verblieben. Auch lag das Grundstück im britischen Crewe verkehrsgünstig gleich gegenüber dem Krematorium. Um diese Schmach zu sublimieren, päppelte Piech dann trotzig Bentley auf. 

Ein gewisses Talent für komische Opern

Die Geschichte gescheiterter oder dumm gelaufener Fusionen im Brumm-Brumm-Sektor beweist auch, dass in der Regel humorbefreite Firmenlenker ein gewisses Talent für komische Opern haben. Aktuell wollen Peugeot-Citroën (PSA) und Fiat-Chrysler fusionieren. Wie die Namen schon sagen, handelt es sich um Firmen, die bereits Ergebnis von im hohen Alter angebahnten Versorgungs-Ehen sind. Peugeot, wirtschaftlich halbwegs gesund aber langweilig und gesichtslos, vereinigte sich mit Citroën, einst eine geniale Marke, nie langweilig, weil immer chaotisch und deshalb wirtschaftlich so marode wie das alte Hallenviertel von Paris vor seinem Abriss. Jetzt baut Citroën der Einfachheit halber Peugeots, die mit etwas Lametta auf kreativ getrimmt werden und so tun, als seien sie ein Citroën. Das gleiche passiert unter der Herrschaft von PSA mit Opel in Rüsselsheim. Opels sind demnächst ebenfalls Peugeots, die mit ein bisschen Handkäs getunt werden und so tun, als seien sie aus Rüsselsheim. 

Fiat-Chrysler wiederum verwertet secondhand die abgelegte Technik, die Daimler-Chrysler nach der Scheidung der „Welt AG“ 2010 hinterließ. Diese „Hochzeit im Himmel“ entpuppte sich als eine Gefahr für den Weltfrieden und gilt als eine der erfolgreichsten Kapitalvernichtungen der Automobilgeschichte. Nach der ehelichen Schleuderwende im Jahre 2010 vermissten die Daimler-Aktionäre 40 Milliarden Euro, die bis heute nicht wiedergefunden werden konnten, obwohl der Kofferraum jeder neu produzierten S-Klasse überprüft wurde.

Weil Chrysler danach kein Geld für teure Neuentwicklungen hatte, trug man alte Mercedes-Technik auf, die Jürgen Schrempp nach seiner Flucht aus den USA zurückließ. Der ebenfalls der Altersarmut entgegen sehende Fiat-Konzern ehelichte dann 2014 die Chrysler-Hinterbliebene, um gemeinsam einem harmonischen Ende entgegenzustreben, das nun unter dem Dach von PSA – einem ja bereits erfahrenen Sterbehelfer – eingeleitet wird. Die Trauer dürfte sich in Grenzen halten, weil sich beispielsweise die Lancia-Kunden (Lancia gehört ebenfalls zu Fiat) schon vom Dach ihrer Fahrzeuge gestürzt haben, als sie den ersten Chrysler 300C erblickten, der mit ein paar Schildchen zum Lancia-Thema befördert wurde. Wer sowas macht, der schickt auch einen Kartoffelbauer aus Idaho als Primaballerina in die Mailänder Scala.

Mir kommt kein Handkäs ins Haus

Immer mehr Autos werden dergestalt von Betriebswirten statt Technikern konzipiert – und so sehen sie auch aus. Fusionen rechnen sich meist prima. Einziges Problem: Man weiß nicht so recht, ob die Kunden einen Peugeot kaufen, der so tut als sei er ein Opel, ich persönlich will beide nicht kaufen, mir kommt kein Handkäs ins Haus, schon gar nicht einer, der in Wahrheit ein Camembert ist. Am eindruckvollsten machten diese Erfahrungen übrigens die schon im vorigen Jahrhundert waidwunden britischen Autohersteller, die sich schließlich auf einem großen Modellfriedhof zusammenfanden. Der Club der toten Verdichter nannte sich British Ley­land Motor Corpo­ration (BLMC). 1975 war BLMC dann pleite und landete im Staatsbesitz. Ge­niales Er­gebnis: Der britische Bürger bezahlte fortan mit sei­nen Steuern Autos, die er freiwillig nicht mehr kau­fen wollte. Eine ähnliche Entwicklung würde ich in Deutschland nicht ausschließen, unsere Regierenden lassen ja gerade die Gräber ausheben.

Es gibt im Prinzip zwei Arten von Fusionen. Bei Daimler-Chrysler glaubte man an sogenannte „Synergieeffekte". „Insgesamt 100 Integrationsteams aus Daimler- und Chrysler-Mitarbeitern forschen derzeit, wie die Unternehmen optimal zusammenwachsen können", schrieb damals die „Welt am Sonntag" anerkennend und in freudiger Erwartung munterer Synergien. Auch wurde mitunter der Gedanke geäußert, dass zwei sehr unterschiedliche Personen, die sich in ihren Fähigkeiten ergänzen, einen größeren Wirkungsgrad erzielen. Dieses Phänomen kann man beispielsweise am Zusammenwirken von Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer beobachten, die gemeinsam erfolgreich die Reifen der CDU platt geschossen haben.  

Eine Fusion mit den Grünen bietet sich an, schließlich hält sich die CDU bereits seit Jahren mit der Secondhand-Nutzung grünen Gedankenguts über Wasser. Betriebswirtschaftlich ist sogar eine ganz große Lösung empfehlenswert: SPD, FDP und Linke könnten sich anschließen und zum linksgrünen Parteienblock fusionieren. Sie formen ja ohnehin schon so eine Art völkerverbindende La-ola-Welle, kommen aber erheblich teurer. Durch eine Fusion könnten viele tausend Stellen eingespart werden,  beispielsweise könnte man sämtliche Pressesprecher durch einen Zentralpressesprecher ersetzen. Spiegelbildlich schlage ich vor, die ebenfalls darbenden deutschen Qualitätsmedien unter dem Dach von ARD und ZDF zu fusionieren und zu einer verstaatlichten Zentralredaktion zusammenzuschließen, siehe oben BLMC-Modellfriedhof. So eine Konstruktion vereinfacht die Informationsflüsse erheblich, weil die Zentralredaktion nur noch die Direktiven des zentralen Pressesprechers entgegennehmen müsste. Auch das leidige Problem der Fake-News wäre endlich gelöst.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

netiquette:

Georg Czech / 03.11.2019

Konkurrenz belebt das Geschäft. Zweck jeder Partei ist doch ihr eigener Wachstum und jeder Parteisoldat hat nur seine Karriere (Alimentation und Macht) im Auge und nur diese. Deshalb will ich als Kunde (Bürger) in der Politik Konkurrenz, eine die Politiker und ihre etablierten Parteien aufrüttelt und sie um ihren bisherigen Status fürchten läßt. Besonders wenn sie die Belange des Bürgers nicht mehr wahrnehmen wollen und Themen ausklammern. Genau aus diesem Grund wird die Afd beispielsweise von den etablierten Mitbewerbern durch den Kakao gezogen. Die “Volksvertreter” haben Angst um ihre Pöstchen und Sonderbehandlungen.

Sabine Schönfelder / 03.11.2019

Wirklich köstlich, Wolf von Fichtenberg!! Zur authentischen Hausbesetzung fehlt allerdings noch die blöde Kuh und die richtige parteiliche Zuordnung. Eine Aufgabe, der ich mich herzlich gerne in epischer Breite widmen würde; wobei mich aber mein übersprühendes, manchmal ungezügeltes Engagement vielleicht mal wieder ins ungedruckte Jenseits, außerhalb der Netiquette befördern wird. Heute bleibe ich ganz koscher. Deshalb nur so viel. Merkel ist weder ein Esel, ein Hund oder eine Katze, noch ein Hahn! Auf gar keinen Fall!

Herbert Prieß / 03.11.2019

Es soll ja Leute geben, die heute noch nach dem Sand suchen in den der Schremp die Milliarden gesetzt hat. Wie andere hier schon angemerkt haben ist die Fusion der einzelnen Parteien im Hintergrund schon abgeschlossen. Was jetzt aufgeführt wird sind Scheingefechte, eine Vorspiegelung von Tatsachen und der Michel nimmt denen das auch ab. Was die Medien betrifft, da gibt es schon lange Plattformen zum Austausch von Artikeln, Kommentaren etc. eine davon ist RND- Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dazu sind die Verquickungen der ÖR und den Zeitungen nicht zu übersehen. Da fließen GEZ Zwangsgelder für “Recherchearbeiten” die sonst die Sender selber machen müßten uns wird das als Gebühreneinsparungen verkauft.

Manfred Knake / 03.11.2019

Nix da und von wegen: ” Peugeot, wirtschaftlich halbwegs gesund aber langweilig und gesichtslos”. Ich fuhr als Fahranfänger einen Peugeot 203, Baujahr 1955, der mit dem Buckel, und der war nicht gesichtslos und wurde über 650.000 mal hergestellt. Meiner endete (Fahranfänger!) an einer Mauer eines Bauernhauses in Luxembourg.  Auto Totalschaden, aber Fahrer wohlauf.  Auch der 403 war ein markantes Fahrzeug (bekannt durch Peter Falk alias “Columbo”). Das Nachfolgemodell 404 war auch ein Renner, designed von Pininfarina.

Robert Jankowski / 03.11.2019

BWLer können letztlich Alles durchkalkulieren und “günstiger” machen. Das Problem ist, dass sie oftmals keine Ahnung von der Materie selbst haben und was sie mit ihren Rechenexempeln anrichten. Aber letztlich interessiert sie das auch nicht und das ist das große Problem an der Hörigkeit der Wirtschaft gegenüber der BWL Lehre. Alleine die Prämisse des andauernden Wachstums ist grundfalsch, weil sie schlichtweg an der Physik scheitert. Was PSA betrifft: ich fahre einen Peugeot Blue HDI 100. Das Triebwerk ist ein eindeutiger Peugeot, denn die waren immer der Primus, wenn es um Dieseltriebwerke ging. Mein Diesel verbraucht fast genauso viel/wenig, wie ein Diesel von Smart mit 0,8L Hubraum. Derselbe Motor in einem kleinen Peugeot 208 verbraucht knapp über 3 Liter! Das kriegt VW, trotz vollmundiger Versprechen, nur mit einem Kleinstwagen hin.

Walter Elfer / 03.11.2019

Herr Maxeiner, Sie wissen aber schon, dass Sie nur neuen Wein in alten Schläuchen verkaufen, oder? Ein Zentralkomitee gab’s schon. Ebenso Blockparteien, die liebevoll “Blockflöten” genannt wurden. Die Aktuelle Kamera mit angeschlossenem Schwarzen Kanal werkelten ebenso im Sinne der einen Partei, die immer Recht hatte und überhaupt. Alles in Allem wäre das ein “Vorwärts nimmer, rückwärts immer!”! Aber gut, jedes Brumm-Brumm hat ja auch einen Rückwärtsgang.

E Ekat / 03.11.2019

Garnicht witzig. Zu nah an der Realität. Immerhin kann man rausschmecken, warum die Bosse der Automobilindustrie sich nicht gegen das Begräbnis ihrer Unternehmen wehren: die haben es nicht drauf. Die verstehen die emotionale Komponente ihrer Produkte genauso wenig, wie Politiker Ahnung haben, oder gar zu akzeptieren bereit sind, daß Demokratie einen Souverän zwingend erfordert. Den man folglich nicht auskurven darf.  Warum sollten ausgerechnet Politiker klüger sein als Autobosse.

Christa Born / 03.11.2019

Auch der Maulesel ist eine höchst praktische Kreatur, nicht störrisch wie der Esel, nicht schnell wie das Pferd, jedoch robust und genügsam, aber leider stirbt es gleich wieder aus.

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