Dirk Maxeiner / 20.01.2019 / 06:25 / Foto: Pixabay / 53 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Evangelische Spaßbremsen

Auf den Herrgott, insbesondere in seiner bayrisch-katholischen Gestalt, lass ich nix kommen. Und das hat einen guten Grund. Es begab sich irgendwann im Jahre 1996 nach Christus, da besuchte ich mit meinem fossilen Cadillac, der damals schon 40 Jahre alt war, ein Treffen von Benzingetauften auf dem Augsburger Flughafen. Höhepunkt der Veranstaltung war die Segnung der versammelten Pferdestärken durch einen katholischen Geistlichen. Wir nahmen in einer langen Reihe Aufstellung und formierten eine Prozession, die langsam an dem Weihrauch schwenkenden und Weihwasser verteilenden Diener des Herrn vorbeidefilierte. Ich erinnere mich noch genau, wie das Weihwasser als eine Art göttlicher Korrosionsschutz durchs Seitenfenster spritzte. 

Sogleich beschloss ich, dass dieser göttliche Schutzschild im Original erhalten bleiben und künftig nicht durch weltliche Reparatur-, Restaurations- oder Wartungsmaßnahmen beeinträchtigt werden sollte. Kurzum: Der Cadillac kriegt seitdem nur Benzin (reichlich), Wasser und Öl, noch nicht einmal die Zündkerzen wurden bis dato erneuert. Und was soll ich sagen: Das Ding springt bis heute nach der zweiten Anlasser-Umdrehung an und fährt unerschütterlich, sogar der TÜV spendiert alle zwei Jahre zuverlässig eine Plakette. Wenn die Kirche sich auf ihr Kerngeschäft beschränkt, nämlich ihrem treuen Schäfchen auf allen Wegen und Autobahnen ein Hirte zu sein, sind wir ziemlich beste Freunde. 

In der Wahl der Konfession respektive Gottheit bin ich – wenn‘s drauf ankommt – nicht kleinlich, sondern ausgesprochen Multi-Kulti. Das hab ich im indischen Straßenverkehr gelernt, dort fährt man zwar seit dem Commonwealth auf der falschen Straßenseite, das aber sehr beherzt. Die passiven Sicherheitseinrichtungen der Fahrzeuge bestehen im Wesentlichen aus den Beschützernamen, die über den Windschutzscheiben prangen: St. Joseph, St. Thomas, St. Mary und Infant Jesus teilen sich die Straße mit Shiva, Ganescha und Rama. Sie haben nichts gegen Iqbal, Amir oder Abraham, und sie lassen sich bereitwillig von Gipsy und Ferrari überholen, deren Chauffeure offensichtlich Gottlose sind. Das gilt auch für die, die sich eine Bollywood-Göttin oder eine aktuelle Schönheitskönigin zum Segensspender erkoren haben. Helene Fischer ist noch frei, die nehm ich auf meine nächste Reise nach Bombay mit. 

Radarkontrolle in der Wittenberger Schlosskirche

Nicht ganz so gut finde ich, dass viele Inder an die Reinkarnation glauben und deshalb ein wenig sorglos überholen. Mir persönlich ist das Risiko der Wiedergeburt zu hoch. Kamel oder Esel würde ich ja noch akzeptieren, viel schlimmer wäre es, wenn ich als Chef der Deutschen Umwelthilfe oder Gemeindedezernent der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland in die Welt zurückkehren würde. 

Letzterer heißt übrigens Christian Fuhrmann. Und er ist fest entschlossen, in eine finale  Bußgeldstelle zu transformieren. Mit einer Petition an den Bundestag will die Evangelische Kirche von Mitteldeutschland erreichen, dass auf Autobahnen ein Tempolimit eingeführt werden möge. 2,5 bis 5 Prozent aller Autoabgase könne man einsparen, sagte Fuhrmann. 

Ich empfehle, zeitgleich ein Tempolimit für Gemeinde-Austritte einzuführen und am Ausgang der Wittenberger Schlosskirche eine Radarkontrolle aufzustellen. Schließlich befinden sich die mitteldeutschen Spaßbremsen in direktem Widerspruch zu Martin Luther, der seine Gemeinde aufgefordert haben soll: „Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmecket?“ Der Reformator wäre heute eindeutig ein Fall fürs Fegefeuer oder die AfD, denn egal, ob die Schäfchen über ihre Autos abgasen oder direkt auf der Weide, es handelt sich um eine schlimme Klimasünde. Am übelsten sind übrigens Karnivoren hinterm Steuer.  Als ich neulich mit meinem alten Fleetwood über die Autobahn gaste und dabei einen Big Mac reinschob, flüchtete die Welttemperatur schlagartig über die Zwei-Grad-Leitplanke.

Schäfchen-Watch-Mitteldeutschland sollte angesichts seiner neuen Marketing-Strategie auch dringend über eine Aktualisierung der 95 Thesen nachdenken. Ich schlage vor, eine Ausgabe von „Nachhaltiges Deutschland – Wege zu einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung“ beim Umweltbundesamt in Dessau auszuleihen und es in Wittenberg an die Kirchentür zu schlagen. Wahlweise könnte man auch das Vorschlagspapier der regierungsamtlichen Arbeitsgruppe zum Klimaschutz innerhalb der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ aushängen, die sich ebenfalls für ein Tempolimit und höhere Steuern auf Diesel und Benzin einsetzt. Allerdings seien damit „in keiner Weise Vorfestlegungen verbunden“, es diene nur als „erste Orientierung“. Und die erste Orientierung heißt: Wir testen jetzt mal, ob sich Widerstand regt und wenn nicht, dann tüten wir das Ding ein und haben euch endlich an den Eiern. 

Fünf Fürbitten

Ich habe mich vorsorglich entschlossen zurückzuschlagen und den Herrgott auf meine Seite zu ziehen. Zu diesem Zweck werde ich mich in das kleine Kirchlein mit dem Zwiebelturm begeben, das direkt gegenüber meiner Wohnstatt in den bayrischblauen Himmel ragt. Dort werde ich auf einer harten Bank Platz nehmen, hinauf in das barocke Gewölbe zu den Engeln blicken und Fürbitte für die wirklich Beladenen und Verdammten leisten. 

Erste Fürbitte: „Oh Herr, stehe den Fahrgästen der Trierer Stadtwerke bei“. 

Der bahnbrechende Elektrobus der Trierer musste gerade wegen „Problemchen mit den Batterien“ aus dem Verkehr gezogen werden. Will sagen: Das Teil marodiert, sobald die Heizung eingeschaltet wird: „Wenn der Fahrer im E-Bus die Heizung anschmeißt, sinkt nicht nur die Reichweite beträchtlich, es sei nach Aussage der SWT sogar vorgekommen, dass der Bus nicht mehr beschleunigen konnte – obwohl der Akku noch zu 47 Prozent geladen war“, schreibt Focus Online.

Zweite Fürbitte: „Oh Herr, stehe den Fahrgästen der Wiesbadener Stadtwerke bei“.

Wiesbaden soll innerhalb von fünf Jahren Deutschlands erste Großstadt werden, deren Öffentlicher Nahverkehr komplett emissionsfrei ist. Dazu will man komplett auf Elektrobusse umstellen

Dritte Fürbitte: „Oh Herr, stehe dem Chauffeur des Berliner CDU-Abgeordneten Burkard Dregger bei“.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, wollte einen Dienstwagen mit Elektroantrieb bestellen. Doch Innensenator Andreas Geisel (SPD) lehnte den Antrag ab. Zur Begründung gab die Fachaufsicht des Innensenators an, dem Elektro-BMW fehle eine Standheizung. Der Chauffeur müsse hin und wieder im Wagen auf den Fahrgast warten, dies sei in der kalten Jahreszeit nicht zumutbar, wenn der Wagen nicht geheizt werden könne.

Vierte Fürbitte: „Oh Herr, stehe den Zustellern der Post bei, die einem elektrischen Streetscooter ausgeliefert sind.“

Im Alltag blieben Streetscooter „mitten in der Pampa“, wie die Fahrer es beschreiben, auf der Strecke liegen, schreibt DIE WELT. „Aus Sorge darum, ob sie es noch bis nach Hause schaffen, müssen unsere Kollegen mehr auf den Ladestand der Batterie achten als auf ihre Arbeit als Zusteller“, sagt ein anderer Mitarbeiter. An manchen Tagen sei es fürchterlich kalt in den Fahrzeugen, weil der Heizungsventilator aus Sorge vor dem Verbrauch der Batterieladung nicht angestellt werden könne, berichten Beschäftigte. 

Fünfte Fürbitte: „Oh Herr, halte Deine schützende Hand über die Aktionäre und Mitarbeiter von Tesla“.

Wie das Wall Street Journal (WSJ) berichtet, will Tesla sieben Prozent seiner Mitarbeiter entlassen. Damit sollen die Kosten gesenkt werden, um das Model 3 im Anschluss zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen. 

Von Dirk Maxeiner ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ein ideales Geschenk für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber. Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Pixabay

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Jürgen Keil / 20.01.2019

Das Zitat war aus Hermann Hesse, Briefe, Bd. V, 1933-39, Suhrkamp, 2018

Jürgen Keil / 20.01.2019

Es gibt eine grüne Kirche in EU- Europa und diese hat jetzt eine Heilige, Greta Thunberg. Die missioniert jede Menge schwänzende Jünger auch im bunten Deutschland. Die grüne Kirche und ihre Pastoren Katrin von Thüringen und Robert, der ohne Twitter über Wasser laufen kann, ist zugegeben aktuell recht erfolgreich. Das wurmt natürlich die beiden Altchristkirchen sehr, weswegen sie schon seit einiger Zeit versuchen, auf den grünen Future- Zug aufzuspringen. Das geht aber nur, wenn man grüner ist als die grüne Kirche. Her S.80 Brief an Adolf Baden Aus jenen Anfängen ist jene deutsch- protestantische Theologie geworden, die an der Universität von lauter Freiheit, Persönlichkeit, Dynamik etc. etc. redet, und nachher in der Praxis aus dem Pfarrer und der Kirche ein liebedienerisches Werkzeug für den Staat, den Kapitalismus, den Krieg etc. macht.

E. Albert / 20.01.2019

Aufklärung? Säkularisierung? War da nicht mal was? Es ist unerträglich, wie die Kirchen - egal, welcher “Verein” - meinen, sich schon wieder überall politisch einmischen zu müssen! So etwas ist noch nie gut geendet…

Olaf Schulz / 20.01.2019

@Leander Holger Hoffmann: Wir hatten schon mal Tempo 130 auf Autobahnen und zwar in der 70er Jahren. Im Gegensatz zur beabsichtigten Verringerung der Unfallzahlen stieg die Zahl der Unfälle jedoch an. Zum Glück hatten wir zur damaligen Zeit noch Politiker, die charakterlich in der Lage waren, Fehler einzugestehen und zu beseitigen, während man ja heute (“Ich wüsste nicht, was ich anders machen sollte!”) weiterhin stur Richtung Abgrund fährt. Das Thema trotz der damals gemachten Erfahrungen wieder aufzugreifen, zeugt mehr von ideologischer Verblendung der Akteure als von gesundem Menschenverstand.

Alexander Mazurek / 20.01.2019

Nun, die Reformation machte Könige und Fürsten zu Köpfen ihrer Kirchen und diese zu ihren Sprachrohren und Propagandainstrumenten. Insoweit sehen wir heute nur die Fortsetzung dieser nunmehr 500-jährigen Tradition im Interesse des eigenen Amtserhalts.

Michael Löhr / 20.01.2019

Sehr geehrter Herr Hofmann, wir haben statistisch gesehen weniger Verkehrstote als die USA, die ein sehr rigides Tempolimit haben, sind vergleichbar mit Ländern wie Dänemark, Schweiz, Frankreich, Holland etc.. Hätten wir 2011 statt der KKW eine entsprechende Zahl an Braunkohlekraftwerken abgeschaltet, könnten wir 90 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sparen und nicht diese lächerlichen ca. 2 Millionen Tonnen, wie von der evangelischen Kirche gefordert. Wenn CO2 wirklich des Teufels ist und für den Klimawandel verantwortlich ist, dann haben die Damen und Herren die 2011 nach Fukushima in diesem Mora(l)torium gesessen haben, einen eklatanten Fehler gemacht. Es wäre nett, wenn die Leute, die in Deutschland für den Glauben zuständig sind, bei ihren Leisten bleiben, während sich unsere Top-Wissenschaftler, die wir auch noch haben, schon lange die Haare raufen über den ganzen Unsinn der so verbreitet wird.

Walter Stein / 20.01.2019

Seit ich viel in Frankreich unterwegs bin, befürworte ich ebenfalls Tempo 130. Es fährt sich ungemein entspannter. Und wenn man dabei noch was für die Umwelt tun kann, umso besser. Bin dafür.

Uta Buhr / 20.01.2019

@H. Roth, Herzlichen Dank, lieber Herr Roth, für Ihr Stoßgebet, das ich nun jeden Abend vor dem Schlafengehen mit Inbrunst laut vor mich hersagen werde. Es gibt doch so viele Möglichkeiten, das Klima zu schützen, z. B. nur noch alle 30 Minuten Luft holen und das Kaffee- oder Teewasser mittels Wadenkraft auf dem Velociped erhitzen. Falls ein grüner Gutmensch diese meine Vorschläge liest, gehen diese ganz sicher in das nächste Parteiprogramm der Grünen ein. Also - schon jetzt mal üben für die schöne neue und völlig intakte Welt.

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